26.11.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 140 / Tagesordnungspunkt I.17

Harald EbnerDIE GRÜNEN - Einzelplan 10 Ernährung und Landwirtschaft

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zur Tagesordnung überzugehen, fällt uns allen schwer, glaube ich; da stimme ich der Kollegin Bluhm zu. Dennoch müssen wir es versuchen und heute über den Haushalt reden.

Der Schwabe schaut ja im Haushalt immer darauf, dass kein Geld verschwendet wird. Als grüner Schwabe achte ich auf Nachhaltigkeit. Als grüner Agrarpolitiker will ich eine nachhaltige Landwirtschaft fördern und unsere Betriebe für die Zukunft fit machen. Hier gibt es wirklich viel zu tun. Das passiert mit diesem Haushalt, lieber Herr Kollege Caesar, leider schon wieder ganz und gar nicht. Ich sehe in dem Entwurf nämlich keinen Plan und keinen Mut.

Damit wir uns nicht missverstehen: Herr Minister, es ist gut, dass die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ endlich aufgestockt werden. Darüber diskutieren wir seit zwei Jahren. Und es ist auch gut, dass es mehr Geld für die landwirtschaftliche Sozialversicherung gibt. Aber es bleibt dabei: Sie zementieren einmal mehr Ihre bisherige Agrarpolitik. Ihr Haushalt steht für noch mehr Industrialisierung, hohen Pestizidverbrauch und weitere Investitionen, leider in eine Agrarproduktion, die massive ökologische Kosten verursacht und – das ist das Fatale dabei – nicht einmal den Bäuerinnen und Bauern etwas bringt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Intensivierung auf Kosten der Umwelt bringt ja nicht einmal mehr kurzfristige ökonomische Vorteile. Im Gegenteil: Sinkende Preise gefährden Tausende von bäuerlichen Existenzen. Milchpreise um 25 Cent fressen an der Substanz der Betriebe. Wer seine Tierhaltung für den Export optimiert hat, sitzt jetzt auf hohen Investitionsschulden. Das lässt sich auch nicht mit Liquiditätshilfen kaschieren. Da ist doch ein klarer Auftrag an Sie, endlich Alternativen zu fördern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie predigen stattdessen unverdrossen weiter Ihre Exportvisionen und fördern das auch noch mit öffentlichen Mitteln. Da sind zum einen 3 Millionen Euro für Maßnahmen zur Verstärkung der Außenhandelsbeziehungen im Agrar- und Ernährungsbereich, und das, obwohl die momentane Krise auf dem Fleisch- und Milchmarkt klar zeigt, dass die Exportfixierung in die Sackgasse geführt hat. Diese 3 Millionen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wären im Tierschutz doch deutlich besser angelegt, weil sie hier auch einen echten Mehrwert schaffen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister Schmidt, was tun Sie? Statt sich um die drängenden Probleme der Landwirtinnen und Landwirte zu kümmern, beraumen Sie Exportgipfel an. Ihr Soforthilfeprogramm besteht wieder nur aus Exportunterstützung – mit bekannten Folgen für die Landwirtschaft in den Empfängerländern. Dabei gibt es gerade im Inlandsmarkt enormes Wachstums- und Wertschöpfungspotenzial. Der Absatz von Ökolebensmitteln steigt, die Anbau­fläche nicht. Die Leistungen des ökologischen Landbaus bei Klima-, Umwelt- und Naturschutz, aber auch bei der Schaffung von Arbeitsplätzen sind durch zahllose Studien, auch durch Studien der Bundesregierung, belegt. Aber wer nachhaltige Landwirtschaft will, der muss dafür auch die Weichen stellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Es muss deutlich mehr in das Bundesprogramm Ökologischer Landbau investiert werden, sonst gehen durch den rasanten Verlust von genetischer Vielfalt unsere Grundlagen für nachhaltige ökologische Landwirtschaft unrettbar verloren. Aber Sie haben unseren Antrag, in dem wir forderten, 20 Prozent der Forschungsmittel dem Ökolandbau zur Verfügung zu stellen, abgelehnt. Herr Caesar, Sie haben zwar gesagt, die Forschungsmittel sind aufgestockt worden,

(Cajus Caesar [CDU/CSU]: Ja!)

aber wir sollten auch mehr Mittel zur Forschung im Ökolandbau investieren.

(Cajus Caesar [CDU/CSU]: 50 Millionen mehr haben wir eingesetzt!)

Ihre vollmundig gestartete Zukunftsstrategie Ökologischer Landbau kommt ganz ohne Geld aus. Ich kann da keine Strategie und auch keine Zukunft erkennen. Stattdessen gibt es Gesprächsrunden bis zum bitteren Ende der Legislatur. Herr Minister, mit was wollen Sie am Ende der Legislatur eigentlich noch anfangen? Da ist es doch logisch, dass Sie kein Geld ausgeben wollen. In der Sache ist das nachvollziehbar, aber grundfalsch. Orientieren Sie sich doch an den Bundesländern, auch an Ihrem eigenen. Dort passiert etwas, das kann man abschreiben. Für mich sieht es aber so aus, als hätten Sie keinen Plan.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir stellen fest: In allen Lebensmitteln sind Pestizid­rückstände zu finden, leider nicht nur in den Importen, sondern auch in den hiesigen; das war einer Dokumentation des BVL aus dem Jahr 2013 zu entnehmen. Das bereitet nicht nur dem Bundesamt, sondern uns allen buchstäblich Bauchschmerzen.

Pestizidrückstände, zum Beispiel Glyphosat, finden sich in uns allen; das belegen zahlreiche Untersuchungen. Ich sage ausdrücklich, meine Damen und Herren: Ich halte es für richtig, dass man beim BfR, beim Bundesinstitut für Risikobewertung, Stellen aufstockt.

(Dieter Stier [CDU/CSU]: Dann freuen Sie sich doch über unseren Haushalt!)

Das ist nötig. Dann ist das Bundesinstitut hoffentlich auch nicht mehr darauf angewiesen, Bewertungen der Industrie hinsichtlich Pestiziden zu übernehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Menschen sind angesichts des steigenden Pestizideinsatzes zu Recht besorgt. Hier müssen wir ansetzen. Wir müssen in die Forschung im Bereich des nicht chemischen Pflanzenschutzes investieren und in die Beratung der Landwirte, die den Mitteln selbst nicht mehr trauen. Deshalb hatten wir ja beantragt, dass die Mittel aus dem Budget für Forschung und Innovation zweckgebunden eingesetzt werden. Das wurde von Ihnen abgelehnt. – Schade!

Beim Stickstoffüberschuss sieht es genauso aus; wie bei der Gentechnik passiert hier nichts, Herr Minister. Die Kennzeichnungspflicht von tierischen Produkten bekommen Sie nicht hin. Für die „ohne Gentechnik“-Kennzeichnung gibt es nach wie vor nicht mehr Geld, um sie bekannt zu machen. Und der Gesetzentwurf der Bundesländer wartet darauf, endlich in den Bundestag eingebracht zu werden. Das ist ärmlich, das ist billig, das zeugt auch von Hilflosigkeit. Da fehlt Ihnen der Mut, die Verantwortung für die Anbauverbände mit einem vernünftigen Gentechnikgesetz selbst zu übernehmen, statt sie an die Bundesländer abzuschieben; genau das tun Sie ja.

Es gäbe noch viel zu sagen.

(Dieter Stier [CDU/CSU]: Die Redezeit ist abgelaufen!)

Mir bleibt an dieser Stelle, zu sagen: Der Haushalt zeigt, dass Sie nicht den Mut haben, die Probleme zu lösen.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Ebner, auch für die Einhaltung der Redezeit. – Nächster Redner: Ulrich Freese für die SPD.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6216387
Wahlperiode 18
Sitzung 140
Tagesordnungspunkt Einzelplan 10 Ernährung und Landwirtschaft
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