28.04.2016 | Deutscher Bundestag / 18. EP / Session 167 / Tagesordnungspunkt 12

Volker UllrichCDU/CSU - Umsetzung der Verwertungsgesellschaften-Richtlinie

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir führen heute eine Debatte um die Umsetzung einer EU-Richtlinie. Wir sprechen aber auch über den Wert von Kunst und Kultur sowie über die Frage, wie Kreative in diesem Land vergütet werden und wovon sie leben können.

Dabei ist zunächst einmal festzuhalten: Das Konzept der Verwertungsgesellschaften hat sich in diesem Land bewährt. Die Bündelung der Rechtewahrnehmung und damit auch die Rechtssicherheit der Nutzer, urheberrechtlich geschützte Werke zu gebrauchen, ist eine 50‑jährige Rechtstradition, und an dieser halten wir bis heute fest.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Gleichwohl sorgen wir für die notwendige Modernisierung dieses Gesetzes, indem wir den Verwertungsgesellschaften ermöglichen, mit neuen Kommunikationsformen interaktiv und im Wege der Beschlussfassung mit ihren Berechtigten und Nutzern in Kontakt zu treten. Trotzdem bleibt eines erhalten: Verwertungsgesellschaften sind quasi gemeinnützig tätig. Sie haben nur Aufwendungen für sich selbst und schütten das, was übrig bleibt, für kulturelle und soziale Zwecke aus. Ich denke, das darf auch heute einmal erwähnt werden.

Dennoch gab es einen Reformbedarf im Bereich der Schiedsverfahren. Diese sind notwendig, da sich die Gerätehersteller und die Hersteller von Speichermedien einerseits und die Verwertungsgesellschaften andererseits nicht immer sofort über den richtigen Preis und den gerechten Wert für die Abgabe der Privatkopie einigen konnten. Das hat dazu geführt, dass die Verfahren in der Vergangenheit sehr lange gedauert haben. Aber lange Verfahren sind nicht das, was wir unter Gewissheit und Rechtssicherheit verstehen. Deshalb wird mit diesem Gesetz die Möglichkeit eingeführt, diese Verfahren zu beschleunigen. Mit der Sicherheitsleistung wird einerseits dem Interesse der Hersteller an einer konkreten Zahl, die sie zu leisten haben, und andererseits dem Interesse der Urheber an geldwerten Zuflüssen Rechnung getragen.

Wir haben uns lange überlegt, ob wir eine Sicherheitsleistung oder eine Hinterlegungspflicht einführen sollten. Aber verfassungsrechtliche und ganz pragmatische Gründe haben uns dazu getrieben, von einer Hinterlegungspflicht abzusehen. Sie würde dazu führen, dass gerade kleine und mittelständische Hersteller von Geräten und Speichermedien zu sehr Liquidität und Geld verlieren würden, und bei den Urhebern und den Kreativen würde es nicht ankommen. Deshalb ist, wie es im Gesetz steht, die angemessene Sicherheitsleistung die richtige Balance zwischen den Interessen der Autoren, der Kreativen und der Hersteller von Speichermedien. Ich denke, darauf können wir stolz sein.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])

Natürlich müssen wir uns fragen, wie wir diese Verfahren zukünftig noch verbessern können. Ein erstin­stanzliches Verfahren vor dem Bundespatentgericht hätte sicherlich seinen Charme. Vorher müssten wir aber das Grundgesetz ändern. Vielleicht wäre es besser, als das Grundgesetz zu ändern, auch im materiellen Recht noch Verbesserungen herbeizuführen, beispielsweise durch eine Festlegung im materiellen Recht hinsichtlich der Festschreibung gewisser Prozentzahlen. Das sollten wir uns auf alle Fälle in der nächsten Zeit gut überlegen.

Gut überlegen müssen wir aber auch die Frage, wie wir mit den beiden Urteilen umgehen, die die Verwertungsgesellschaften in der letzten Zeit betroffen haben. Das ist einerseits das Urteil Reprobel des Europäischen Gerichtshofes und auf der anderen Seite das VG-Wort-Urteil des Bundesgerichtshofs. Es steht einem Gesetzgeber nicht zu, Urteilsschelte zu betreiben. Er kann aber und er muss, wenn grundlegende Voraussetzungen für ein Gelingen des Urteilstenors in der Gesellschaft fehlen, Korrekturen anbringen. Ich glaube, dass die beiden Urteile Korrekturen des Gesetzgebers erfahren müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die beiden Urteile besagen im Prinzip: Ausschüttungen der VG Wort sind solche, die nur den Autoren zustehen. Für die Verlage soll nichts übrig bleiben. Das verkennt ein Stück weit die Lebensrealität: Ohne Verlage, ohne jemanden, der die Druckfahne liest, der das Marketing organisiert, der dafür sorgt, dass in den kleinen Buchhandlungen ein Vertriebsweg eröffnet wird, können manche Autoren gar nicht erst entdeckt werden oder ihr Werk unter die Leute bringen.

Ja, wir müssen uns fragen: Welche Art von Literaturbetrieb wollen wir in diesem Land haben? Wollen wir eine Situation haben, in der nur noch große Onlinehändler über Onlinevertriebswege mit großen Verteilzentren wenige einzelne Werke an den Mann oder an die Frau bringen? Oder schätzen wir auch in diesem Land die kleinen Buchhändler, die jungen Autoren, die modernen Kreativen, die vielleicht nur deswegen den Zugang zur Literatur und zu ihren Lesern finden, weil sie eine Chance bekommen? Aber diese Chance funktioniert eben nicht ohne Verlage, die bereit sind, einen Teil des wirtschaftlichen Risikos zu schultern. Deswegen sollten sie auch einen Teil der Einnahmen bekommen. Dafür werden wir uns einsetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Unserem Leitbild liegt die Idee einer Kulturnation zugrunde. Literatur, künstlerische Werke, kreative Dinge lassen sich nicht allein ökonomisieren. Ja, Menschen und Kreative müssen davon leben. Aber es hat auch einen Wert an sich, wenn Romane geschrieben werden, wenn Gedichtbände veröffentlicht werden und wenn sie eine Verbreitung finden. Deswegen werden wir uns dafür einsetzen, dass hier auch zukünftig ein fairer, gerechter und sozialer Ausgleich erfolgen kann.

In diesem Sinne haben wir viel zu tun. Aber heute liegt ein guter Gesetzentwurf vor uns. Ich darf Sie bitten, diesem zuzustimmen.

Vielen Dank.

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Electoral Period 18
Session 167
Agenda Item Umsetzung der Verwertungsgesellschaften-Richtlinie
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