Kirsten LühmannSPD - Aktuelle Stunde zu Abgasversuchen an Menschen und Affen
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kollegen und Kolleginnen! Werte Zuhörende! „ Politiker und Aufsichtsräte, die nichts hören, nichts sehen und nichts fühlen, braucht kein Mensch.“
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Das war das Fazit des Morgenbriefings des „Handelsblatts“ am Dienstag dieser Woche. Wir haben an dem Applaus gehört: Wir alle können dem zustimmen. Allerdings: Herr Krischer, Herr Lange und ich – wir sind namentlich erwähnt worden – gehörten zu dieser Kategorie. Wir sehen das auch an der Debatte. Wir fangen schon wieder mit genau der Debatte an, die uns die Presse aufzwingen will: Wer musste wann was gelesen oder gefragt haben? Dabei ist das doch gar nicht die Frage.
Was war denn wirklich los? Am 8. September 2016 haben wir im Untersuchungsausschuss beschlossen, dass wir vier Sachverständige einladen, die uns darlegen sollten, welche Wirkung Stickoxide auf den menschlichen Organismus haben. Von diesen vier Sachverständigen haben uns zwei, nämlich Herr Greim und Herr Kuhlbusch, erklärt, dass ihre Bewertungen auf Studien mit Menschen und Tierversuchen gründen, unter anderem Tierversuchen mit Ratten. Weder wir – das stimmt – noch die anwesenden Journalisten – es waren Journalisten im Raum –
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 150!)
noch diejenigen, die hinterher oder vorher die veröffentlichten Stellungnahmen gelesen haben, haben nachgefragt. Fühlen die denn alle nichts, meine Kolleginnen und Kollegen? Das ist doch Quatsch. Darum geht es in dieser Debatte überhaupt nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Auf so was kommt man ja auch gar nicht! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen aber schon erklären, warum Sie Herrn Greim eingeladen haben!)
Worum es geht, hat dankenswerterweise die sachliche Berichterstattung vieler Medien in dieser Woche dargelegt. Es geht nicht um die Frage: Gab es Tierversuche oder nicht? Die machen alle. Auch in der Studie der Weltgesundheitsorganisation, auf der alle unsere Grenzwerte, auch in Europa, fußen, wurde eindeutig festgestellt: Ja, Stickoxide sind giftig, sind gefährlich für den Menschen. – Woher weiß die Organisation das? Weil sie Tierversuche und Studien mit Menschen gemacht hat. Das hat in diesem Untersuchungsausschuss niemand bezweifelt. Das ist nicht der Skandal. Der Skandal – darum ist es gut und richtig, dass wir heute darüber reden – ist, dass es Versuche mit Tieren gab, die keinen Erkenntnisgewinn gebracht haben. Die Tiere sind gequält worden, ohne dass es irgendein vernünftiges Ergebnis gab, das man hätte verwerten können. Das ist der Skandal, und das müssen wir zukünftig verhindern.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich sage Ihnen aber ganz deutlich: Diese Versuche und Studien sind nach allem, was wir wissen, sowohl in den USA als auch in Europa legal.
Was sagt das deutsche Recht? Das deutsche Recht sagt: Tieren darf nicht ohne Grund Schmerzen zugefügt werden, und wenn es einen Tierversuch gibt, muss er einen Erkenntnisgewinn haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt sind wir in einem Dilemma. Wir haben in Deutschland – zu Recht aus meiner Sicht – die Freiheit von Forschung und Lehre. Das ist ein hohes Gut; das wollen wir auf alle Fälle erhalten. In der Frage, ob diese spezielle Studie, über die wir heute reden, einen Erkenntnisgewinn hat, sind wir uns alle einig: Nein, die hatte sie nicht.
Aber was machen wir in Grenzfällen? Wer soll denn entscheiden, ob eine Studie einen Erkenntnisgewinn hat oder nicht? Liebe Kolleginnen und Kollegen, uns ist die Freiheit von Forschung und Lehre ein sehr hohes Gut. Aber es gibt andere Möglichkeiten, um zum Ziel zu kommen, und zwei davon vertreten wir auch schon, und zwar erstens, die Zahl der Tierversuche zu senken. Diese Bundesregierung fördert mit öffentlichen Geldern die Forschung nach Alternativen. Das Zweite ist – das wäre auch in diesem Fall eine sehr gute Möglichkeit gewesen – eine öffentlich zugängliche Datenbank, in der alle Tierversuche mit Ergebnissen enthalten sind. Das haben wir derzeit nämlich nur für klinische Studien. Wir brauchen auch etwas für Tierversuche, damit es keine Doppelung bei Tierversuchen gibt. Was schon an Tieren erforscht wurde, darf nicht noch einmal an Tieren erforscht werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Dr. Astrid Mannes [CDU/CSU])
Aber wir hätten ein Mittel der Wahl, das sehr effektiv und sofort wirksam wäre. Das hat die SPD schon oft gefordert, nämlich mehr Transparenz beim Lobbying und ein Lobbyregister. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt einige in diesem Haus, die dagegen Vorbehalte haben. Bitte gehen Sie auch im Lichte dieser Vorkommnisse noch einmal in sich! Überlegen Sie, ob das nicht doch das Mittel der Wahl sein kann! Denn die schon erwähnte „Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor“ konnte doch nur deshalb diese Versuche machen und damit in der Öffentlichkeit hausieren gehen, weil niemand wusste, wer sie bezahlt hat.
Wenn wir fordern, dass bei solchen Studien künftig an prominenter Stelle vorne drinstehen muss, wer letztendlich das Geld dafür gegeben hat, dann gibt es keinen Anreiz mehr für Tierversuche, die allein der Imagepflege der Industrie dienen. Das könnten wir hier und jetzt machen. Wir fordern ein Lobbyregister, liebe Kollegen und Kolleginnen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Damit könnten wir verhindern, dass Tiere aus unlauteren Gründen für Versuche missbraucht werden.
Auch zu den freiwerdenden Gelder, die die Automobilindustrie in Deutschland jetzt für eine Initiative für Luftreinhaltung in Städten ausgeben will, hätte die SPD einen guten Vorschlag – das fordern wir seit über einem Jahr –: Liebe Industrie, geben Sie das Geld aus für eine vernünftige Hardwareumrüstung von alten Dieselfahrzeugen!
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Astrid Mannes [CDU/CSU])
Dann haben wir sofort bessere Luft für die Menschen in unseren Städten.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Zu seiner ersten Rede im Deutschen Bundestag erhält der Abgeordnet Detlev Spangenberg aus der AfD-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7198207 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 12 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Abgasversuchen an Menschen und Affen |