06.06.2025 | Deutscher Bundestag / 21. WP / Sitzung 11 / Zusatzpunkt 9

Schahina GambirDIE GRÜNEN - Aussetzung des Familiennachzugs

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf, den die Bundesregierung heute vorlegt, hat dramatische Folgen für das Leben vieler Familien. Familien, die vor Krieg und Verfolgung geflohen sind.

(Beatrix von Storch [AfD]: Das ist klar!)

All diese Familien leben in Ihren Wahlkreisen, auch in meinem.

Dort habe ich zum Beispiel einen Vater und seine zwei Kinder kennengelernt. Sie sind vor Jahren aus Syrien geflohen. Auf der Flucht wurden sie von der Mutter und dem jüngsten Kind getrennt. Seitdem ist die Familie zerrissen. Die Eltern müssen ihre Kinder jeweils alleine großziehen, ohne zu wissen, für wie lange. Mutter und Kind sitzen immer noch in einem Flüchtlingslager im Libanon fest, oft in akuter Lebensgefahr durch Bombardierungen. Seit Jahren warten sie auf einen Termin für das Visum. In Deutschland hat der Vater inzwischen Arbeit gefunden, die Kinder gehen in die Schule, und alle drei sprechen deutsch. Und trotzdem, trotzdem hört die Sorge nicht auf, die Sorge um ihre Familienmitglieder. Sie haben keine Chance, richtig anzukommen. – All das hat mir die Familie unter Tränen erzählt, und ich habe mich gefragt: Wie viel Leid kann ein Mensch ertragen, wie viel Leid kann eine Familie ertragen, und wann kann diese Familie endlich wieder zusammen sein und in Sicherheit leben?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Linken)

Nach Jahren zwischen Hoffnungslosigkeit und Hilflosigkeit ist ihr Verfahren endlich in der letzten Phase angekommen. Und nun? Nun legen Sie einen Gesetzentwurf vor, der die Zusammenführung dieser Familie verhindern würde.

(Dr. Christian Wirth [AfD]: Ja, der kann doch in den Libanon ziehen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir führen hier keine abstrakte Debatte. Wir reden über die Zukunft dieser Familie aus meinem Wahlkreis,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Linken)

über die Zukunft zahlreicher Familien in Ihren Wahlreisen und ganz konkret über den Schutz dieser Familien.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Linken)

Die Aussetzung des Familiennachzugs subsidiär Schutzberechtigter bedeutet menschliches Leid und die Verhinderung von Integration. Wer dauerhaft von seiner Familie getrennt ist, lebt in Perspektivlosigkeit. Familiennachzug ist kein Gnadenakt; er ist Voraussetzung,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Linken)

er ist Voraussetzung für Teilhabe. Wie sollen Menschen Anschluss finden, wenn sie täglich um das Leben ihrer Liebsten bangen? Der Schutz von Ehe und Familie gilt für alle. Ich erwarte von einer Partei, die sich christlich nennt, ein klares Bekenntnis zur Familie, zu jeder Familie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der Linken – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Das ist platt!)

Auch die Behauptung, Sie würden mit der Aussetzung Behörden und Gerichte entlasten, ist schlicht falsch. Sie erzeugen mehr Bürokratie und mehr Kosten; denn tatsächlich wird Ihre Maßnahme zu einer Flut von Eilverfahren und Härtefallanträgen führen. Und Ihre Politik ist ein Konjunkturprogramm für Schleuser. Wer legale Wege abschneidet, zwingt Menschen auf gefährliche Fluchtrouten.

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Was ist denn das für eine naive Betrachtung?)

Dass Sie das ernsthaft Steuerung nennen, ist unverschämt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Linken)

Sie sehen nicht mal eine Regelung für Menschen vor, die sich schon seit Jahren in Verfahren befinden. Sorgen Sie zumindest dafür, dass diese Verfahren zu Ende geführt werden!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Linken – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Kindisch!)

Und ermöglichen Sie den Menschen wenigstens, dass sie schon vor Ablauf der zwei Jahre wieder Termine buchen können! Ansonsten wird die Aussetzung faktisch viel länger dauern als zwei Jahre.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Linken)

Wieso wollen Sie von der SPD einer Regelung zustimmen, die Sie vor wenigen Wochen noch abgelehnt haben? Diese Regelung war auch Inhalt im geplanten Zustrombegrenzungsgesetz,

(Zuruf der Abg. Desiree Becker [Die Linke])

für das die Union nur eine Mehrheit mit einer rechtsextremen Partei finden konnte. Und nun wollen Sie dem zustimmen.

Was dieses Gesetz wirklich bedeutet: Spaltung statt Schutz, Isolation statt Integration. Dieser Gesetzentwurf ist Symbolpolitik auf dem Rücken der Schwächsten und entbehrt jeder Menschlichkeit; denn alle Familien gehören zusammen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Christian Görke [Die Linke])

Für die Fraktion Die Linke hat nun Frau Abgeordnete Clara Bünger das Wort.

(Beifall bei der Linken)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7632499
Wahlperiode 21
Sitzung 11
Tagesordnungspunkt Aussetzung des Familiennachzugs
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta