Volker KauderCDU/CSU - Regierungserklärung zum EU-Gipfel 'Östliche Partnerschaft'
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ja, wir reden heute über die Östliche Partnerschaft. Die Bundeskanzlerin hat dazu, so wie es auch vorgesehen und gewünscht ist, dem Deutschen Bundestag vor einem solchen Gipfel einen Bericht gegeben, damit wir darüber diskutieren. Natürlich, Herr Kollege Bartsch, kann man es auch so machen wie Sie und noch einige andere Punkte mit in die Debatte hineinnehmen. Das will ich jetzt gar nicht einmal kritisieren.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Aber ich finde schon: Wenn man das macht, sollte man nicht an mehreren Stellen Falsches sagen. Sonst erweckt man den Eindruck, wie Sie es gemacht haben, dass man nicht auf der Höhe der Zeit ist. Jetzt will ich Ihnen einmal Folgendes sagen:
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Na los!)
Sie haben gesagt, seit Juli habe es keine Sitzung des Deutschen Bundestages mehr gegeben. Ich möchte doch einmal wissen, wo Sie am 2. und 3. September waren. Da hatten wir nämlich Sitzungen des Deutschen Bundestages.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Waren Sie vielleicht nicht da? Oder haben Sie das nicht zur Kenntnis genommen? Damals haben wir beispielsweise über den Haushalt diskutiert und auch über Europa.
Dann haben Sie Kroatien angesprochen und gesagt, dass es in Kroatien eine Jugendarbeitslosigkeit von 52 Prozent gibt. Das stimmt,
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Ja!)
aber Sie haben damit den Eindruck erweckt, dass diese Jugendarbeitslosigkeit entstanden sei, weil Kroatien in die EU eingetreten ist. Kroatien ist aber gerade einmal ein paar Monate in der EU. Sie sind mit den 52 Prozent Jugendarbeitslosigkeit in die EU gekommen, Herr Bartsch,
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das stimmt nicht!)
und wollen jetzt eine bessere Situation erreichen. Es ist nicht so, wie Sie es erzählt haben. Also, in zwei Punkten liegen Sie völlig daneben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das legt den Verdacht nahe, dass auch Ihre anderen Punkte nicht stimmen.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Angesichts dessen, dass Sie für die führende Oppositionsfraktion gesprochen haben, müssen Sie schon noch ein bisschen üben. Das war noch nicht so, wie es normalerweise sein soll.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich will einen weiteren Punkt ansprechen. Ja, völlig richtig: Man kann jetzt das Thema „Was passiert in Europa?“ behandeln. Wir haben, wie es vorgesehen ist, den Deutschen Bundestag über die Situation in Portugal und über die Auszahlungen, die dort stattfinden, informiert. Die Troika hat, wie es das Gesetz vorsieht, ihren Bericht vorgelegt. Sie hat empfohlen, die Tranchen auszubezahlen. Der Deutsche Bundestag kann dazu eine Erklärung abgeben. Die Tranchen werden nun ausbezahlt.
Eines, Herr Kollege Bartsch, dürfen Sie nicht machen: Sie dürfen hier nicht den Eindruck erwecken, dass die Menschen in den europäischen Ländern, die es schwer haben, sich nicht so angestrengt hätten, um dort zu Erfolgen zu kommen. Ich will Ihnen noch etwas sagen: Es zeigt sich doch, dass wir auf einem guten Weg sind. Ich sage: Glückwunsch nach Irland und nach Spanien dafür, dass sie mit ihren Anstrengungen so weit gekommen sind, dass sie den Rettungsschirm verlassen können.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie sollten sich nicht hierhinstellen und so tun, als ob da nichts geschehen sei.
Wenn man sich die Zinsen anschaut, muss man sagen: Die Situation hat sich auch in den Ländern, die unter dem Rettungsschirm sind, erheblich verbessert. Der jetzige Stand unserer Koalitionsverhandlungen ist so, dass wir uns einig sind, diesen Weg fortzusetzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir reden auch über die Östliche Partnerschaft. Das ist ein Thema, das eine große Bedeutung hat. Es ist völlig richtig, dass sich Europa nicht allein darauf konzentriert, neue Staaten aufzunehmen, sondern dass es auch einen Weg sucht, mit solchen Nachbarn politisch zu kooperieren, die keine Perspektive haben, in den nächsten Jahren in die Europäische Union aufgenommen zu werden. Herr Kollege Erler, ich gebe Ihnen ausdrücklich recht: Ja, es muss nun ein Weg gefunden werden, diese Partnerschaft so auszugestalten, dass sie in erster Linie nicht unter geopolitischen Gesichtspunkten ausgerichtet wird.
Die Bundeskanzlerin hat deshalb zu Recht gesagt: Wir müssen im Rahmen der Östlichen Partnerschaft endlich Wege finden, die Politik des Kalten Krieges vollständig zu überwinden. Dabei kommt es darauf an, Russland klarzumachen, dass eine vertiefte, eine nähere Beziehung zu unseren östlichen Partnern nicht gegen Russland gerichtet ist. Das kann vielleicht dadurch gelingen, dass wir auch klarmachen, dass es auf der Welt eine ganze Reihe von Herausforderungen und Gefahren gibt, die auch uns hier in Europa und in Deutschland bedrohen, und dass es daher notwendig ist, dass Russland und wir zusammenarbeiten, um an diesen Punkten voranzukommen; ich nenne als Beispiel nur das Stichwort „Iran“. Es gibt also Aufgaben, die eine solche Dimension haben, dass ich finde, es wirkt geradezu politisch kleinkariert, wenn Russland meint, es sei eine geopolitische Frage, wie wir in Zukunft unsere Probleme in der Welt lösen.
Es gibt beispielsweise das Problem des Terrorismus; dagegen müssen wir miteinander etwas unternehmen. Es gibt das Problem der Sicherheit der Weltmeere und vieles andere. Ich wäre dankbar, Frau Bundeskanzlerin, wenn es Ihnen in Ihren Gesprächen mit Putin gelingen könnte, auch einmal darauf hinzuweisen, dass er der Welt einen Dienst leisten kann, wenn er einmal ein bisschen weiter als über unsere Östliche Partnerschaft hinausblickt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich hat diese Zusammenarbeit, die Östliche Partnerschaft, eine ganz zentrale Bedeutung. Es ist angesprochen worden, dass es natürlich um wirtschaftliche Fragen geht. Zur gleichen Zeit hat die Bundeskanzlerin aber auch darauf hingewiesen, dass es ebenfalls – gerade in der Diskussion jetzt mit der Ukraine – um Werte geht, um Menschenrechte, Demokratie, eine unbestechliche Justiz beispielsweise. Da wird schon etwas deutlich, was wir gerade in der heutigen Zeit immer wieder formulieren müssen, damit die Menschen in unserem Land auch Orientierung haben: Dieses Europa ist nicht nur eine Veranstaltung von Euro und Cent, liebe Kolleginnen und Kollegen; dieses Europa ist vor Euro und Cent zunächst einmal eine Wertegemeinschaft.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das müssen wir auch in der Zusammenarbeit mit anderen deutlich machen. Da, finde ich schon, muss klar sein, dass wir uns bei der Östlichen Partnerschaft nicht ausschließlich um wirtschaftliche Dinge kümmern sollten, sondern dass wir auch unsere Werte entsprechend einfordern müssen.
Ich sage – ich weiß, dass es da auch andere Auffassungen gibt; aber in diesem Saal kann man ja auch einmal unterschiedliche Positionen darstellen –: Wir sind umso glaubwürdiger darin, dass wir eine Wertegemeinschaft sind, wenn wir diese Werte in Europa auch dann ernst nehmen, wenn wir wirtschaftliche Interessen haben und Freihandelsabkommen abschließen, und wenn wir diese Werte in Verhandlungen mit Ländern einfordern, die in die Europäische Union kommen wollen.
Das gilt gerade auch in unseren Gesprächen mit der Türkei. Die Menschenrechte, die Religionsfreiheit etwa, sind ein Teil unserer Wertegemeinschaft, der umgesetzt werden muss, bevor wir in Europa ganz zueinander gehören können, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Da hilft es relativ wenig, zu sagen: Ja, wenn es dann mal so weit ist, wenn dann alle dabei sind, wird das auch so kommen. – Wenn man diese Auffassung hat, dann kann man auch vertreten, dass es vorher geklärt werden muss; denn wir sehen ja in dem einen oder anderen Fall, wie schwer wir uns tun, unsere Positionen in Ländern, die zur EU gekommen sind, durchzusetzen. Deswegen halte ich es für richtig, notwendig und zentral, Frau Bundeskanzlerin, dass Sie nicht nur das Thema der wirtschaftlichen Entwicklung, sondern auch diesen Wertetransfer berücksichtigen.
Dann habe ich noch einen Punkt, den wir uns in diesem Parlament immer wieder vor Augen führen müssen: Sowohl in der Östlichen Partnerschaft als auch in anderen Bereichen haben wir ein Instrument – neben denen, die die Bundeskanzlerin angesprochen hat –, das wir nicht zu klein darstellen dürfen, und das ist unser Instrument der Auswärtigen Kulturpolitik. Deswegen rate ich dringend, dass wir in den Haushaltsberatungen darauf Wert legen. Nichts ist im Augenblick erfolgreicher als Deutsch-Sprachkurse, die unter anderem von unseren Goethe-Instituten in der ganzen Welt angeboten werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deswegen glaube ich schon, dass das Thema „Kultur, Werte, Präsenz in einem Land“ von einer zentralen Bedeutung ist.
Vor diesem Hintergrund wünsche ich Ihren Gesprächen und Verhandlungen viel Erfolg. Wir brauchen Partner in unserer Region, in Europa. Wir brauchen Partner auch in der Welt. Gerade im Hinblick auf das, was wir nachher noch diskutieren, kann ich nur sagen: Was da von Amerika ausgehend passiert ist, ist nicht schön. – Aber ich muss auch sagen: Die Zusammenarbeit mit Amerika, die Freundschaft mit Amerika wird zwingend notwendig sein, gerade wenn wir die Östliche Partnerschaft weiter ausbauen wollen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort erhält nun der Kollege Michael Roth für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/2873326 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 2 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zum EU-Gipfel "Östliche Partnerschaft" |