18.11.2013 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 2 / Tagesordnungspunkt 1

Norbert Lammert - Regierungserklärung zum EU-Gipfel 'Östliche Partnerschaft'

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Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Im Zusammenhang mit den Verhandlungen über die Östliche Partnerschaft beraten wir über ein wichtiges Instrument der europäischen Außenpolitik. Nachdem meine Fraktionskollegen schon ausführlich dazu Stellung bezogen haben, möchte ich mich in meinen Ausführungen darauf beschränken, drei Länder konkret anzusprechen.

Zunächst möchte ich etwas zu Weißrussland sagen. Wir haben Weißrussland 2009 die Tür zur Teilnahme an der Östlichen Partnerschaft offen gehalten, dabei aber die Erwartung geäußert, dass sich die Lage der Menschen in Weißrussland verbessert.

Wie vorhin schon in der Debatte gesagt worden ist: Lukaschenko ist der letzte Diktator auf dem europäischen Kontinent. Die Situation in diesem Land ist nicht besser, sondern schlechter geworden. Deshalb möchte ich auch bei dieser Debatte wie schon oft hier im Deutschen Bundestag für meine Fraktion die Gelegenheit nutzen, das Engagement des Deutschen Bundestages, aber auch der Regierung für die Opposition in Weißrussland hervorzuheben und deutlich zu machen, dass wir das Vorgehen Lukaschenkos gegen die Zivilgesellschaft nicht dulden, sondern die Opposition weiter massiv unterstützen wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Viele Abgeordnete hier haben Patenschaften für politische Gefangene übernommen. Der junge Mann, für den ich seit Jahren die Patenschaft übernommen habe, ist Vorsitzender einer politischen Jugendorganisation. Herr Dashkevich ist vor kurzem aus dem Gefängnis entlassen worden, und nur weil er erneut unter dem Verdacht stand, politisch aktiv zu sein, ist er wieder in Untersuchungshaft gekommen. Vor diesem Hintergrund appelliere ich daran, dass Lukaschenko in sich geht und überlegt, ob das der richtige Weg ist. Ansonsten müssen wir mit all den uns zur Verfügung stehenden Maßnahmen darum werben, dass Weißrussland den politischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Druck der westlichen Gemeinschaft zu spüren bekommt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Gerade unser Kanzleramtschef Ronald Pofalla setzt sich dort sehr stark ein. Ich möchte ihm an dieser Stelle dafür danken; denn Weißrussland steht nicht jeden Tag im Fokus der Debatte.

Auch zur Ukraine haben meine Vorredner schon etwas gesagt. Bei der Ukraine erwarten wir natürlich mit Spannung, wie es im Fall Timoschenko weitergeht. Aber ich möchte das nicht nur an diesem Fall festmachen; Julija Timoschenko steht ja nur als Pars pro Toto für große Unregelmäßigkeiten, die es im ukrainischen Rechts- und Justizwesen gibt.

Es gibt Signale aus der Ukraine, dass das Parlament uns morgen eventuell eine Lösung präsentieren und am Donnerstag weiter gehende Schritte, die wir als Prinzipien und Entscheidungsparameter für unseren Findungsprozess deutlich gemacht haben, auf den Weg bringen könnte. Ich formuliere das extra vorsichtig, weil ich mir nicht sicher bin, inwiefern das, was uns kürzlich und auch am heutigen Tag präsentiert worden ist, von Dauer sein wird. Die Ukraine hat lange genug Zeit gehabt, all die Kriterien zu erfüllen, die in mühsamen Verhandlungen immer wieder auf die Tagesordnung gebracht worden sind. Deshalb glaube ich nicht, dass die Situation in der Ukraine durch einen einfachen Parlamentsbeschluss besser wird, sondern wir müssen erst einmal abwarten, was in dem Land tatsächlich langfristig passiert.

Aber auch hier sage ich: Die Östliche Partnerschaft ist nicht nur auf kurzfristige Entwicklungen in den betroffenen Ländern ausgerichtet, sondern sie ist für uns langfristig ein strategisches Instrument, um über den Rahmen der Europäischen Union hinaus Offenheit gegenüber den östlichen Partnern zu zeigen. Deshalb ist die Frage der Partnerschaft, egal wie schwierig die Situation in der Ukraine auch sein mag, für uns nicht ganz einfach zu beantworten; denn wir wollen dieses Land auch nicht aufgeben. Mit Blick auf den Interessenausgleich, den die Bundeskanzlerin gegenüber Russland angesprochen hat, wollen wir gleichzeitig deutlich machen, dass auch die Europäische Union ein geopolitisches Interesse hat, wenn es um die früheren Länder der Sowjetunion insgesamt geht.

Zum Abschluss möchte ich auf ein Land eingehen, das insbesondere in unserer Fraktion sehr viel Aufmerksamkeit genießt, nämlich die Republik Moldau.

(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ich dachte, Aserbaidschan! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/ CSU]: Das auch!)

Die Bundeskanzlerin hat Moldau vor einem Jahr besucht. Wir befinden uns in einer Situation, in der ich darauf hinweisen muss, dass unsere Partner in diesem Land gerade jetzt unsere Unterstützung brauchen; denn der ökonomische Druck und der politische Druck innerhalb des Landes werden immer größer, und der engagierte Vorwahlkampf, der durch die Kommunisten dort gerade betrieben wird, setzt der Regierung massiv zu. Deshalb müssen wir gerade diesem Land die europäische Perspektive aufzeigen und dafür sorgen, dass die Regierung ihrer eigenen Bevölkerung auch Erfolge vorweisen kann.

Daher spreche ich mich nachdrücklich dafür aus, dass wir dort gerade beim Thema Visaliberalisierung Offenheit zeigen; denn ich glaube, gerade die Regierung in Moldau, in Chisinau, hat zum jetzigen Zeitpunkt unsere Unterstützung verdient.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Eine Zwischenfrage der Kollegin Beck, bitte schön.

Herr Kollege, ich möchte Ihnen gerne noch zwei Minuten Redezeit verschaffen, weil Sie nichts zu Aserbaidschan gesagt haben. Über Aserbeidschan zu sprechen, halte ich aber auch deswegen für wichtig, weil gerade aus Ihrer Fraktion heraus der Verlauf der Wahlen in Aserbaidschan als durchaus annehmbar bezeichnet worden ist, die Menschenrechtslage dort katastrophal ist und wir davon ausgehen müssen, dass es viele politische Gefangene gibt, wobei aus der CDU/CSU-Fraktion immer wieder eine gewisse Unschärfe kommt, um es vorsichtig zu formulieren.

Was Aserbaidschan angeht, glaube ich, dass auch aus unserer Fraktion Wahlbeobachter vor Ort waren. Ich müsste mich erst einmal schlaumachen, wer das tatsächlich war. Aber soweit ich weiß, ist der Bericht, der durch die Delegation der OSZE vorgelegt worden ist, sehr kritisch gewesen. Wir sind natürlich auch jederzeit bereit, uns damit auseinanderzusetzen.

Ich finde, angesichts der Situation in Armenien, das sich bewusst für die russisch dominierte Zollunion entschieden hat, und der Tatsache, dass in Baku kaum Nachdruck an den Tag gelegt wird, damit Aserbaidschan ein Teil der Östlichen Partnerschaft – außer der wirtschaftlichen Seite – werden kann, muss man die Entwicklung der Östlichen Partnerschaft mit großem Interesse betrachten. Wir haben für alle diese Länder die Tür geöffnet: Aus unterschiedlichen Gründen sind sie entweder bereit, durch diese Tür hindurchzugehen, wie die Republik Moldau, oder eben nicht, wie Armenien und zum Teil Aserbaidschan. Aus unserer Sicht stellt sich die Frage, inwieweit es die Länder der Östlichen Partnerschaft ernst meinen, bei diesem Vehikel mitarbeiten zu wollen.

Was die Menschenrechtssituation angeht – wir haben darüber schon oft diskutiert; ich glaube, vor einigen Jahren ist auch eine Resolution des Deutschen Bundestages zu diesem Thema verfasst worden –, scheint die Situation etwas besser geworden zu sein, zumindest wenn ich den Bericht richtig gelesen habe. Ich selber war nicht als Wahlbeobachter bei der Wahl in Baku. Deswegen kann ich dazu nichts sagen. Mir ist aber auch keine Äußerung aus meiner Fraktion dazu bekannt; das muss ich ganz offen sagen.

(Zuruf des Abg. Karl-Georg Wellmann [CDU/ CSU])

– Ja. Für ein Mitglied unserer Fraktion gab es ein Einreiseverbot.

(Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer weiteren Zwischenfrage)

– Man kann doch Nachfragen stellen.

Nein. Wir sind jetzt langsam am Ende der vereinbarten Gesamtredezeit, Herr Kollege Mißfelder. Das kann nicht durch bilaterale Vereinbarungen außer Kraft gesetzt werden.

Die Zeit läuft noch. Aber ich komme zum Schluss.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/2873407
Wahlperiode 18
Sitzung 2
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung zum EU-Gipfel "Östliche Partnerschaft"
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