18.11.2013 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 2 / Tagesordnungspunkt 2

Eva HöglSPD - Vereinbarte Debatte zu den Abhöraktivitäten der NSA

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Seit die ersten Informationen über die massenhafte verdachtsunabhängige Überwachung des Telekommunikationsverkehrs durch ausländische Dienste in Deutschland bekannt wurden, fühle ich mich sehr an die Zeit vor fast zwei Jahren erinnert, Ende 2011, als die Naziterrorzelle NSU aufflog.

Auch damals drängte sich jeder und jedem von uns eine Vielzahl von Fragen auf, Fragen, die sich alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland gleichermaßen stellten, Fragen, die uns an der Arbeitsfähigkeit und der Effektivität unserer Sicherheitsbehörden zweifeln ließen, und Fragen, die einer umfassenden und transparenten Aufklärung zugeführt werden mussten.

Wir haben damals hier im Deutschen Bundestag gemeinsam über alle Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg einen vorbildlichen Weg eingeschlagen, die Aufklärung dieser Fragen kooperativ, sachorientiert und transparent zu ermöglichen. Die Art und Weise, wie wir dies beim Fall NSU gemacht haben, wurde von vielen als Sternstunde des Parlamentarismus bezeichnet. Auch wenn Sternstunden sich dadurch auszeichnen, dass sie etwas Außergewöhnliches sind, können sie sich ja trotzdem wiederholen. Deswegen plädiere ich dafür, dass wir uns an diesen Geist unseres damaligen Vorgehens erinnern und bei dieser Debatte an diese Einigkeit anknüpfen.

(Beifall bei der SPD)

Die Fragen, mit denen wir es zu tun haben, und die Fragen, die wir uns alle stellen, eignen sich nicht für den üblichen parteipolitischen Streit. Wir alle wollen doch wissen: Seit wann, durch wen, in welchem Ausmaß erfolgt die massenhafte verdachtsunabhängige Überwachung der Kommunikationsbeziehungen von Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland? Wo werden welche Daten technisch gewonnen? Auf deutschem Hoheitsgebiet oder nur auf Kommunikationswegen im Ausland? Inwieweit werden die Auslandsvertretungen hier in Berlin dazu genutzt, Kommunikationsbeziehungen auf deutschem Boden auszuspähen, und das nicht nur in Bezug auf die Bundeskanzlerin, sondern in Bezug auf alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes? Welche rechtlichen Regelungen gelten eigentlich für die Tätigkeit ausländischer Nachrichtendienste in Deutschland? Was und seit wann wussten deutsche Stellen über die massenhafte verdachtsunabhängige Überwachung? Waren sie eventuell sogar daran beteiligt? Und, liebe Kolleginnen und Kollegen: Konnten unsere Dienste wirklich ernsthaft davon ausgehen, dass Regierungsmitglieder nicht überwacht werden?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, alle diese Fragen, die ich eben aufgezählt habe, wollte oder konnte die Bundesregierung bisher nicht beantworten. Jedenfalls sind sie bisher komplett unbeantwortet. Wir haben also viele Fragen, und wir haben viele Fragen, die sich in erster Linie an ausländische Dienste richten und die mit unseren parlamentarischen Mitteln nur schwer aufzuklären und zu beantworten sind. Wir haben aber auch viele Fragen, die in Richtung unserer Nachrichtendienste gehen, die ihr Wissen, ihre Arbeitsweise und ihre mögliche Beteiligung betreffen. Dafür ist zunächst einmal das Parlamentarische Kontrollgremium zuständig, das ganz offenkundig – das merken wir jetzt – in seiner jetzigen Verfassung und bei seiner jetzigen Arbeitsweise an seine Grenzen stößt. Deswegen begrüße ich ganz ausdrücklich die Vorschläge zur Verbesserung der Arbeitsfähigkeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Es sollte transparenter tagen, teilweise öffentlich tagen, vielleicht sogar Fernsehübertragungen ermöglichen. Wir haben an einem Beispiel in England gesehen, wie dies machbar ist. Ich denke, dass nicht alles, was Nachrichtendienste machen oder wissen, geheimhaltungsbedürftig ist, sondern auch in der Öffentlichkeit debattiert werden muss.

Wir sollten uns für eine Verbesserung der Struktur und Ausstattung des Kontrollgremiums engagieren. Unsere Vorschläge dazu haben wir dem Deutschen Bundestag vorgelegt. Sie finden sich im NSU-Abschlussbericht. Ich denke, dies ist ein guter Fall, sie umzusetzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen keine Zeit mehr verlieren, sondern wir müssen tatsächlich ganz engagiert, und zwar gemeinsam, aufklären. Das kann ein Kontrollgremium sein, das können Sachverständige sein, die wir einsetzen. Das kann eine Verbesserung der Transparenz des Verfahrens sein. Der Innenausschuss kann seine Aufgabe wahrnehmen. Wir können eine Enquete-Kommission oder auch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einrichten. Ich sage es hier ganz deutlich: Die Organisationsform, in der wir als Parlament aufklären, ist zweitrangig. Entscheidend kommt es auf die Inhalte und den Aufklärungswillen an.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deswegen appelliere ich an alle, auch an die, die jetzt nicht applaudieren,

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Immer langsam!)

dass wir sehr offen Gespräche darüber beginnen, wie wir gemeinsam über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg aufklären können, wie wir gemeinsam all die Fragen beantworten können, die hier gestellt wurden. Ich verspreche mir davon, dass wir etwas von dem, was ich vorhin als Sternstunde bezeichnet habe, dem Geist des NSU- Ausschusses, auf dieses schwerwiegende Thema NSA übertragen können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Volker Kauder [CDU/ CSU])

Als nächster Redner hat Herr Dr. Uhl das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Der Antiamerikaner Uhl!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/2873549
Wahlperiode 18
Sitzung 2
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte zu den Abhöraktivitäten der NSA
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