Hans-Peter UhlCDU/CSU - Vereinbarte Debatte zu den Abhöraktivitäten der NSA
Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren! Als im Sommer, im Juni, die Snowden-Enthüllungen ihren Anfang nahmen, war die Empörung groß und die Meldungen nicht immer richtig. Ich habe noch einmal das Titelbild des Spiegels im Juli herausgesucht. Dort hieß es:
Das war die Titelgeschichte des Spiegels, „Der Pakt“.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Wann war das?)
Da hieß es, Hunderte Millionen Daten von Deutschen werden monatlich durch kollusives Zusammenwirken zwischen NSA einerseits und den deutschen Diensten andererseits nach Amerika geliefert. Das war der Vorwurf.
Diesen Dingen sind wir nachgegangen und mussten wir nachgehen. Wir konnten dies glücklicherweise Punkt für Punkt widerlegen. Insofern ist es unsere Aufgabe, den Bundesinnenminister in Schutz zu nehmen. Auch den Kanzleramtsminister Pofalla müssen wir in Schutz nehmen, als er sagte, dass die Affäre insoweit aufgeklärt und beendet sei. Dieses kollusive Zusammenwirken hat es nicht gegeben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das sind wir als Parlamentarier unseren Beamten auch schuldig. Man kann nicht zulassen, dass die Medien den Beamten unwidersprochen millionenfachen Rechtsbruch unterstellen und dann sagen: Aha, so sind die anscheinend; sie leisten einen Eid auf die Einhaltung der Gesetze, und dann begehen sie monatlich millionenfach Rechtsbruch. Das kann so nicht stehen bleiben.
Herr Kollege Uhl, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen von Notz?
Nein. Diese Dinge sind für mich ausdiskutiert und beendet.
(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deswegen will ich auch keine Zwischenfrage dazu haben.
Meine Damen und Herren, aber was danach kam, hat uns in der Tat die Augen geöffnet, weil wir von amerikanischer Seite eben nicht mit der Wahrheit bedient worden sind.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hört! Hört!)
Insofern haben Sie recht, Herr Steinmeier, wenn Sie sagen, dass wir die Dinge nicht bagatellisieren sollen. Aber wir sollten jetzt auch keinen Überbietungswettbewerb veranstalten: Wer von uns allen ist über diese Vorgänge am empörtesten? Wir sollten uns vielmehr gemeinsam Gedanken machen: Was sind taugliche Instrumente zur Aufklärung dieses Sachverhaltes?
In die Empörung des Sommers mischte sich der Vorschlag, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzurichten, meine Damen und Herren. Nun hat es der Wähler so gewollt, dass die Minderheitsfraktionen zusammen nur rund 20 Prozent der Sitze innehaben.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte, es gibt noch gar keine Minderheit!)
Dennoch wollten wir die Ausübung des wichtigsten Minderheitenrechts der Opposition, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzurichten, nicht behindern. Aber ist es wirklich ein taugliches Instrument – da bedanke ich mich bei Ihnen, Herr Steinmeier; Ihre Nachdenklichkeit, von der wir heute hier gehört haben, ist wichtig –, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zur Aufklärung amerikanischen Regierungshandelns einsetzen? Ist es ein kluges, ein richtiges, ein weiterführendes Instrument? Natürlich nicht. Deswegen sollten wir darüber noch einmal nachdenken.
Ich meine, wir sind an einem ganz schwierigen Punkt angelangt. Es ist bekannt, dass Deutschland mit seinen Datenschutzbestimmungen weltweit führend ist; der deutsche Datenschutz ist sprichwörtlich führend. Das hat zur Folge, dass der deutsche Staat den Bürgern – allen Bürgern, nicht nur der Kanzlerin – das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zusichert. Und jetzt die Frage:
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer war’s?)
Kann der Staat seinen Bürgern in Zeiten der weltweiten Kommunikation, in denen Milliarden Daten über Glasfaserkabel um den Erdball gejagt, Milliarden von Daten irgendwo auf der Welt in Clouds gespeichert werden, noch ein solches Recht auf informationelle Selbstbestimmung zusichern? Wenn wir jetzt festgestellt haben, dass er es nicht konnte, stellt sich die Frage: Wie kann er es denn in Zukunft? Damit sind wir an dem Punkt angelangt, den wir in Ruhe diskutieren sollten.
Variante eins der Lösung: völkerrechtliche Abkommen, No-Spy-Abkommen und was es alles für Verträge geben kann. Es wird wohl wichtig sein, dass wir auf diesem Weg mit den Amerikanern weiterkommen.
Variante zwei sind technische Lösungen. Da teile ich nicht Ihre Auffassung, Herr Steinmeier, wenn Sie das so abtun. Ich glaube schon, dass die Rückgewinnung von nationaler Souveränität ein Stück weit auch über technische Antworten gelingen kann. Ich sage: auch über technische Antworten. Ob es das geplante IT-Sicherheitsgesetz ist, ob es die De-Mail ist, ob es ein Routen innerhalb des Landes ist, wenn eine Nachricht das Land nicht zwingend verlassen muss und damit unseren Datenschutzbestimmungen unterworfen bleibt, ob es die Verschlüsselung von sensibler Regierungskommunikation ist – hier haben wir hervorragende deutsche Kryptofirmen, die wir zum Einsatz bringen können –: Es gibt eine Menge von Maßnahmen – technische Antworten –, die neben den völkerrechtlichen Verträgen sicherlich auch ein guter Teil der Lösung sind.
Lassen Sie mich ein Wort zu den Anträgen der Grünen und vor allem der Linken sagen. Herr Gysi, Ihre Ausführungen zur Souveränität Deutschlands und zur Rückgewinnung derselben werden durch einen Antragskatalog mit 16 Maßnahmen, 16 Aktionen ergänzt, die weitgehend schon von Antiamerikanismus geprägt sind, obwohl Sie das abgestritten haben.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ein Quatsch!)
Wenn man das, was Sie alles vorschlagen, der Reihe nach durchgeht, dann merkt man: Es riecht sehr nach Rache. Das ist nicht die Lösung. Sie meinen wohl: Wenn uns die Amerikaner so gedemütigt haben, dann muss man sich rächen können. Daraus leiten Sie ab: Souveränität haben wir erst dann wieder gewonnen, wenn das große Amerika auf Ihrer Augenhöhe, Herr Gysi, mit uns redet. –
(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Herr Gysi ist da zu klein!)
Das ist, glaube ich, nicht die Antwort auf das Problem.
Nein, wir sollten mit den Amerikanern sehr konsequent reden. Vieles ist angedeutet worden; das will ich jetzt nicht wiederholen. Wir werden nach Amerika fahren. Die Mitglieder der amerikanischen parlamentarischen Kontrollorgane werden zu uns kommen. Wir werden auch regierungsseitig miteinander verhandeln und Abkommen schließen.
Ein Wort noch zu Snowden, dann komme ich zum Ende, Frau Präsidentin. Erstens. Es ist sicher richtig, dass Herr Snowden nach den geltenden Bestimmungen kein Asyl bekommen kann; denn er ist ja gar nicht im Lande. Asyl gewähren kann man nur dem, der im Lande ist.
Zweitens. Die Möglichkeit, nach § 22 des Aufenthaltsgesetzes vorzugehen, wurde erwähnt. Meine Damen und Herren, natürlich liegt es im Interesse Snowdens, hierherzukommen. Er will sich vor amerikanischer Strafverfolgung schützen, indem er zu uns kommt. Aber liegt es im deutschen Interesse, Herrn Snowden diesen Gefallen zu tun? Es tut mir für Sie und Ihren Mandanten, Herr Ströbele, leid, aber ich glaube, bei der Abwägung deutscher Interessen und Snowdens Interessen muss man schon sehr genau darüber nachdenken, ob es klug ist, aus Gründen der Staatsräson zu sagen:
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Man muss die Motive jetzt nicht kleinreden!)
Herr Snowden soll zu uns kommen, weil wir den Streit mit den Amerikanern zwecks Rückgewinnung der Souveränität auf die Spitze treiben wollen. Das ist nicht der Weg, der uns weiterführt.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat Lars Klingbeil.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/2873550 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 2 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zu den Abhöraktivitäten der NSA |