Lars KlingbeilSPD - Vereinbarte Debatte zu den Abhöraktivitäten der NSA
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass sich der Deutsche Bundestag mit dem Thema NSA beschäftigt. Wir werden in dieser Legislaturperiode noch sehr oft mit dem Abhörskandal und den Überwachungsmechanismen zu tun haben. Wir haben eine lange Strecke vor uns, wenn es darum geht, aufzuklären. Ich will auch anmerken, dass wir als Parlament gut beraten sind, wenn wir das an vielen Stellen gemeinsam mit dem amerikanischen Kongress tun und uns dort nicht allein auf die Regierung verlassen.
Der Bundestag hat Aufklärungsarbeit zu leisten. Das erwarten die Menschen von uns. Wir müssen daran arbeiten, Vertrauen in die Grundrechte wiederherzustellen. Wir müssen dafür sorgen, dass das Vertrauen in sichere Kommunikation wieder wächst. Wir müssen die Privatsphäre zurückerobern. Wir müssen aber auch daran arbeiten, das transatlantische Verhältnis wieder ins Lot zu bringen, aus dem es in den letzten Wochen geraten ist. Ich sage Ihnen auch, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir müssen dafür sorgen, dass Geheimdienste, die aus dem Ruder gelaufen sind, endlich wieder dem Primat der Politik untergeordnet werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Minister Friedrich, ich muss schon sagen: Ich hätte mir in Ihrer Rede ein bisschen mehr Demut erwartet;
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
denn in den letzten Monaten ist doch einiges schiefgegangen, als es darum ging, dass die jetzt geschäftsführende Bundesregierung die Aufgaben, die sie wahrzunehmen hat, wahrnimmt, wenn es um Schutz geht, wenn es um Vertrauen geht. Ich sage auch: Es ist völlig berechtigt, dass wir hier in Deutschland Empörung erleben, wenn wir mitbekommen, dass das Handy der Bundeskanzlerin abgehört wurde. Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen. Aber auch in den Monaten vorher gab es genügend Anlass, empört zu sein, genügend Anlass, aktiv zu werden: als es Hinweise darauf gab, dass die Grundrechte der deutschen Bürgerinnen und Bürger gefährdet sind.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Das alles wurde heruntergespielt.
Da ich nicht nur nach vorne schauen will, sondern auch die Ereignisse der letzten Monate ansprechen will, sage ich deutlich: Es hilft der Aufklärung nicht, wenn wir über den Begriff des „Supergrundrechts“ verschiedene Grundrechte in Deutschland gegeneinander ausspielen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es hilft auch nicht – leider hat auch der von mir geschätzte Kollege Uhl das gerade getan –, wenn wir eine noch nicht einmal begonnene Aufklärung einfach für beendet erklären.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat ja schon Herr Pofalla gemacht!)
Das stärkt doch nicht das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger. Wenn dann auf einmal Vorschläge auftauchen, etwa zur Internetknotenüberwachung oder zur Verwendung von Mautdaten, dann frage ich mich: Was haben wir in den letzten Monaten aus der Diskussion über den Umgang mit den Daten eigentlich gelernt?
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es muss Schluss sein mit dem Schlingerkurs der letzten Monate. Wir als Parlament und auch die künftige Bundesregierung haben eine Aufgabe wahrzunehmen, wenn es darum geht, aktiv zu werden, wenn es darum geht, aufzuklären, und wenn es darum geht, die richtigen Konsequenzen aus dem Skandal rund um die NSA – ich will anmerken, dass noch andere Geheimdienste damit zu tun haben – zu ziehen.
Lassen Sie mich kurz fünf Punkte nennen. Erstens. Unseren amerikanischen Freunden muss in aller Deutlichkeit gesagt werden, dass die bisherige Praxis sofort gestoppt werden muss.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Der zweite Punkt ist – das haben uns gerade die Veröffentlichungen in den letzten Tagen gezeigt –: Wir müssen souveräner werden. Dabei geht es nicht – auch das will ich deutlich sagen – um einen IT-Nationalismus. Es geht nicht darum, dass wir das Internet renationalisieren wollen. Aber wir sehen doch selbst, dass wir in Deutschland besser werden müssen, wenn es darum geht, in Forschung und Entwicklung zu investieren, wenn es darum geht, die Rahmenbedingungen für Hardware- und Softwarelösungen in Deutschland zu verbessern, wenn es darum geht, Sicherheitsstandards zu definieren. Auch das sind Aufgaben für die nächsten vier Jahre. Es geht auch darum, dass Deutschland die Kontrolle hat und das Know-how besitzt, damit der Staat verantwortungsvoll handeln kann.
Dritter Punkt. Es geht um internationale Abkommen wie SWIFT und Safe Harbor, die ausgesetzt und überarbeitet werden müssen. Das Europäische Parlament fordert dies bereits. Ich rate uns als Parlament, dass wir uns diesen Forderungen anschließen. Wir brauchen Gewissheit, was mit den Daten passiert.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einfach dem Grünen-Antrag zustimmen!)
Vierter Punkt: völkerrechtliche Absicherung. Auch dieses Thema ist schon angesprochen worden. Ein No- Spy-Abkommen darf nicht ausschließlich zwischen Geheimdiensten verhandelt werden. Das muss politisch verhandelt werden, und es muss nachher völkerrechtlich abgesichert werden.
Der fünfte Punkt, den ich ansprechen will, ist die Frage nach Edward Snowden. Ich will es hier ganz klar sagen: Wir als deutsches Parlament, als deutsche Öffentlichkeit haben Edward Snowden viel zu verdanken.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Da ist ein mutiger junger Mann, der Informationen gesammelt und diese veröffentlicht hat, um die Sicherheit zu stärken. Ich warne davor, jetzt in kurzfristige Lösungen und Antworten zu verfallen. Wir müssen jetzt eine Antwort finden, die sich an zwei Parametern misst. Ein Parameter ist: Zur Aufklärung brauchen wir Informationen. Der zweite Parameter ist: Wir müssen den bestmöglichen Schutz für Edward Snowden garantieren und sicherstellen. Deswegen ist es richtig, dass es jetzt den Auftrag gibt, hierfür Lösungen zu finden.
Wenn wir diese fünf Punkte erfüllen, dann kommen wir in dieser Legislaturperiode auf dem Weg, verloren gegangenes Vertrauen wieder aufzubauen, ein gutes Stück voran.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Als nächster Redner hat Peter Beyer das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/2873551 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 2 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zu den Abhöraktivitäten der NSA |