Peter BeyerCDU/CSU - Vereinbarte Debatte zu den Abhöraktivitäten der NSA
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich vorab meine Freude zum Ausdruck bringen, dass auch ich als Außenpolitiker in dieser sehr innenpolitisch ausgerichteten Debatte zu Wort kommen darf.
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: So sind wir! – Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Das ist unglaublich!)
– Das ist ja auch eine gute Sache.
Es ist gut, dass die Abhöraktivitäten der National Security Agency ans Licht gekommen sind. Das ist vor allem deshalb gut, weil wir dadurch gezwungen werden, gründlich über das transatlantische Verhältnis nachzudenken, etwas, was in den letzten Jahren häufig zu kurz gekommen ist. Der Abhörskandal zwingt uns gewissermaßen dazu, uns bewusst zu machen, was die transatlantische Partnerschaft sowohl für uns Europäer als auch für die Amerikaner bedeutet. Das transatlantische Verhältnis wurde lange Zeit von vielen gewissermaßen als Selbstläufer betrachtet, als eine gute Sache, um die man sich im Grunde genommen nicht weiter zu kümmern braucht. Durch die aktuelle Debatte denken wir wieder über die transatlantischen Gemeinsamkeiten und über die Unterschiede, über unsere Abhängigkeiten und die Natur unserer Zusammenarbeit nach.
Die Vereinigten Staaten waren schon immer einer der wichtigsten Partner der Bundesrepublik. Sie haben mitgeholfen, Deutschland zu dem zu machen, was es heute ist. Uns verbinden nicht nur die gemeinsamen historischen Erfahrungen, sondern auch gemeinsame Werte, die auf den Prinzipien von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit des Individuums und Marktwirtschaft gründen. Deutschland und Europa sind mit keiner anderen Region der Welt so eng verbunden wie mit Amerika.
Man muss aber auch einen realistischen Blick auf das transatlantische Verhältnis werfen. Amerika und Europa haben sich vor einigen Jahren ein Stück weit entfremdet. Die Gründe dafür sind vielfältig: die Differenzen über den Irakkrieg, ein stärkerer strategischer Fokus Washingtons in Richtung Pazifik oder Deutschlands sicherheitspolitische Zurückhaltung bei internationalen Konflikten in der jüngeren Zeit. Den Anstrengungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel haben wir es zu verdanken, dass wir zu einem vertrauensvollen Umgang zurückgefunden haben.
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Oh Gott!)
Durch den Abhörskandal hat das transatlantische Bündnis nun eine ernsthafte Belastung erfahren. Die Empörung, die auf beiden Seiten herrscht, zeigt, dass Grenzen überschritten worden sind. Um es klar zu sagen: Das Abhören unserer Kanzlerin und von Regierungsmitgliedern ist nicht akzeptabel. Auch Industriespionage ist nicht hinnehmbar.
Ferner ist zu fragen, ob die mutmaßliche flächendeckende Aufzeichnung von Telefonaten, E-Mails und Internetverbindungen in Europa in dem Maße notwendig ist, wie sie offenbar betrieben worden ist. Das Gebot der Stunde heißt jedoch, die Aufregung auf ein nüchternes Maß zurückzufahren. Eine weitere Skandalisierung hilft da nicht weiter. Auch eine Trotzreaktion und eine Verweigerungspolitik wären sicherlich der falsche Weg. Eine starke Partnerschaft hält es aus, dass man unangenehme Dinge anspricht. Jetzt ist umso mehr eine lebendige Kommunikation gefragt. Wir müssen Probleme ansprechen und unsere Erwartungen an die US-Regierung klar formulieren.
Was passiert ist, können wir nicht rückgängig machen. Aber es liegt in unserem Interesse, dass das Vertrauen auf beiden Seiten des Atlantiks wiederhergestellt wird, und zwar rasch. Dazu bedarf es einer besonnenen Aufklärung und Aufarbeitung des Sachverhalts, was nicht auf Kosten der transatlantischen Beziehungen erfolgen darf. Daher bin ich dagegen, Edward Snowden in Deutschland zu befragen oder ihm hier bei uns Asyl zu gewähren. Neben den bereits angesprochenen rechtlichen Bedenken würde das den Konflikt mit Washington unweigerlich und unnötig verschärfen.
(Zuruf des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Der Besuch des Kollegen Ströbele in Moskau – er meldet sich gerade lautstark zu Wort – war da möglicherweise sogar kontraproduktiv
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh!)
und stellt eine zusätzliche Belastung des transatlantischen Verhältnisses dar.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Christian Belastung?)
Eine gute Partnerschaft mit den USA liegt in unserem ureigenen Interesse. Daher steht eine Antwort auf die Frage, ob Snowden in Deutschland aussagen sollte, immer unter dem Vorbehalt, ob das langfristig auch deutschen Interessen dient.
Wir fordern darüber hinaus eine Aufarbeitung von US-amerikanischer Seite aus. In Ansätzen wird in den USA bereits eine Diskussion über das Spannungsfeld zwischen Freiheit einerseits und Sicherheit andererseits geführt. Es wäre gut, wenn eine breite gesellschaftliche Debatte stattfinden würde, an deren Ende eine Balance zwischen Sicherheit und individuellen Freiheitsrechten steht.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um Grundrechte!)
Wir müssen jetzt unsere gute Position nutzen und die Verhandlungen zur Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft, kurz TTIP, weiter vorantreiben. Diese jetzt auf Eis zu legen, wie dies leider einige fordern, wäre die falsche Reaktion, ein Reflex, der gegen unsere eigenen Interessen gerichtet wäre. Denn insbesondere von einem verbesserten Marktzugang im Zuge eines erfolgreich verhandelten Abkommens profitiert vor allem die Exportnation Deutschland mit ihrem starken Mittelstand. Das Potenzial einer transatlantischen Freihandelszone, in der Handel und Investitionen unbelastet von tarifären und nichttarifären Hemmnissen stattfinden können, ist enorm. Allein in Deutschland können wir mit circa 160 000 zusätzlichen Arbeitsplätzen rechnen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das transatlantische Freihandelsabkommen ist das Projekt der transatlantischen Zukunft. Das Abkommen wird die Zusammenarbeit mit den USA auf Jahrzehnte hinaus prägen. Was die NATO im 20. Jahrhundert im Sicherheitsbereich gewesen ist, wird die TTIP für das 21. Jahrhundert im ökonomischen Bereich und noch weit darüber hinaus sein. Die TTIP wird gleich einer vertraglichen Klammer wirken, die dem deutschen Mittelstand zugutekommen und unseren Wohlstand sichern helfen wird. Daher kann sie nicht zur Disposition stehen.
In die Zukunft gerichtet haben Europa und die Vereinigten Staaten noch viel miteinander vor. Globalen Herausforderungen können wir nur in enger Zusammenarbeit und Abstimmung begegnen. Internationaler Terrorismus, die steigende Zahl asymmetrischer Konflikte, die Verbreitung von biologischen, chemischen und atomaren Vernichtungswaffen, Klimawandel, Unterentwicklung und Armut – machen wir uns nichts vor, ohne die USA wird eine Lösung der Probleme nicht möglich sein.
In vielen Bereichen gibt es noch Möglichkeiten und die Notwendigkeit zum weiteren Ausbau der transatlantischen Zusammenarbeit. Da wären zum Beispiel Fragen der Energieversorgung, Chancen neuer Technologien und Innovationen, der Zugang zu Rohstoffen und eine gemeinsam abgestimmte Afrikapolitik, um nur einige wenige zu nennen. Auch in den USA hat es einen Wandel im Energiesektor gegeben. Mit Interesse schauen die Amerikaner vor allem nach Deutschland, um zu erfahren, wie wir die Energiewende gestalten. Hier können sie durchaus von uns in Deutschland noch einiges lernen, insbesondere was die Fragen von Nachhaltigkeit und erneuerbaren Energien anbelangt.
Es gilt also, den Blick nach vorne zu richten und die Krise als Chance zu begreifen, als Chance, das transatlantische Bündnis für die Zukunft auf ein solides Fundament zu stellen. Genau deshalb hat der NSA-Skandal auch etwas Gutes. Denn er gibt uns die Chance, das Verhältnis zu den USA im positiven Sinne zu überdenken, uns für die Zukunft breit aufzustellen und unsere Partnerschaft zu festigen. Wir sind füreinander beste Partner. Wer damit zündelt, handelt fehlerhaft und gefährdet stabile politische und ökonomische Systeme.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat denn gezündelt?)
„Miteinander reden, nicht raufen“ heißt die Devise.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die Aussprache.
Wir kommen jetzt zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/56 sowie zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/65.
Die Fraktion Die Linke sowie die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen wünschen jeweils Abstimmung in der Sache. Die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD wünschen jeweils Überweisung an den geplanten Hauptausschuss.
(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Hans- Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den es noch gar nicht gibt! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welcher Ausschuss?)
Wir haben uns im Bundestag schon häufiger mit einer vergleichbaren Fragestellung beschäftigt. Nach einer vom Plenum bestätigten Auslegung der Geschäftsordnung kann die antragstellende Fraktion der Überweisung eines Entschließungsantrages bei vereinbarten Debatten nicht gemäß § 88 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung widersprechen. Daher stimmen wir nach ständiger Übung über Anträge auf Ausschussüberweisung zuerst ab.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt doch überhaupt keinen Ausschuss! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In welche Ausschüsse denn?)
Dazu hat die Kollegin Haßelmann das Wort zur Geschäftsordnung erbeten. – Frau Kollegin Haßelmann.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Wir möchten uns in der Tat gemäß § 29 der Geschäftsordnung gegen das vorgeschlagene Verfahren aussprechen. Zu Recht kam ja aus meiner Fraktion gerade schon der Zwischenruf: „In welche Ausschüsse denn?“
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Meine Damen und Herren, es ist völlig klar: Der Bundestag hat sich bis zum heutigen Tag keinen Ausschuss gegeben. Bis kurz vor der Sitzung waren CDU/CSU und SPD ja noch nicht einmal einig, an welchen Ausschuss – in Klammern: den es gar nicht gibt – das Ganze überwiesen werden soll.
(Günter Krings [CDU/CSU]: Ja, eben! Das ist doch konsequent!)
Auf der einen Seite war auf der Arbeitsebene zu hören: an den Innenausschuss. Auch der, meine Damen und Herren, ist noch nicht eingerichtet. Auf der anderen Seite war zu hören: an den Hauptausschuss. Auch den gibt es noch nicht.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt überhaupt noch keinen!)
Von daher widersprechen wir an dieser Stelle ganz deutlich Ihrer Initiative; denn sie ist durchsichtig.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Wer den Reden hier heute nur einigermaßen gefolgt ist, hat deutlich gemerkt, dass Union und SPD unterschiedliche Auffassungen haben, was die Bewertung des NSA-Skandals und seiner Dimension für Deutschland angeht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Was? Wie kommen Sie denn darauf?)
Das soll jetzt natürlich verkleistert werden, und zwar dadurch, dass man die beiden Entschließungsanträge von Grünen und Linken heute in einen Ausschuss versenkt, den es noch gar nicht gibt.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wir überweisen, wir versenken nicht, Frau Kollegin!)
Meine Damen und Herren, das muss einmal offen angesprochen werden.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Richtig!)
Ich hoffe, dass Sie sehr viele Leute dazu verdammt noch mal zur Rede stellen werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ja, ja!)
Kommen Sie mir gleich bitte nicht mit dem Hinweis auf die geltende Praxis. Ich habe schon gemerkt, dass man einen Ansatzpunkt gefunden hat. In der 13. Legislaturperiode, am 10. November 1994, hat das Plenum, das Parlament insgesamt, einmal Einvernehmen darüber hergestellt, dass Anträge überwiesen werden und nicht sofort über sie abgestimmt wird, obwohl zwei Fraktionen – eine war meine Fraktion – eine Sofortabstimmung gewünscht hatten. Darüber ist aber im Gegensatz zu heute vor der Sitzung Einvernehmen hergestellt worden. Bisher ist es gängige Praxis im Parlament, dass, wenn eine Fraktion zu einer Regierungserklärung oder einer vereinbarten Debatte einen Entschließungsantrag einbringt und diesen zur sofortigen Abstimmung stellt, über diesen dann auch sofort abgestimmt wird. Darauf beziehen wir uns heute, und das erwarten wir.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Tatsache ist, dass Ihnen dieser Antrag unbequem ist. Wir haben heute nämlich nicht, Herr Grosse-Brömer, einfach nur gebrüllt, wie Sie es gerne sagen. Ich finde, Herr Ströbele hat ganz ruhig und gelassen geredet. Er hat nämlich viel zu sagen; schließlich hat er das Ganze mit seinem Besuch bei Herrn Snowden ins Rollen gebracht.
Der Kollege Notz hat Ihnen dargelegt, was wir in unserem Entschließungsantrag verlangen. Es geht um zehn Punkte, die sind schnell gelesen. Zu diesen Punkten haben Sie alle sich heute in Ihren Reden verhalten. Jetzt wollen Sie sich wegducken, einen Konflikt, den es bei Ihnen offensichtlich gibt, hier im Parlament nicht austragen und diesen Antrag in Ausschüsse versenken, die es nicht gibt. Ich finde, das ist ein skandalöses Verfahren. Das können wir an dieser Stelle so nicht akzeptieren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Beim nächsten Tagesordnungspunkt – ich will die Gelegenheit kurz nutzen, dazu etwas zu sagen – wird es gleich noch einmal um das Verfahren zur Einsetzung der Ausschüsse gehen. Es besteht in der Tat Klärungsbedarf bezüglich der Frage: Richtet man jetzt verfassungsmäßige Ausschüsse ein, und zwar bevor sie koalitionsverhandelt sind, oder was richtet man jetzt ein?
Beim Antrag der Linken, um den es gleich geht,
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sie kann jetzt nicht zu Anträgen reden, die andere stellen!)
werden wir uns allerdings enthalten. Die Linke schlägt nämlich willkürlich vor, einfach neun Ausschüsse einzurichten
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Nein! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die sind doch alle nicht einig in der Hinsicht!)
– neun Ausschüsse –, aber nicht nur die in der Verfassung vorgesehenen, sondern darüber hinaus noch den Finanzausschuss, den Innenausschuss und den Rechtsausschuss. Genauso gut könnte man fragen: Warum nicht auch den Ausschuss für Arbeit und Soziales?
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Gute Idee! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau! Oder den Sportausschuss! – Dr. Günter Krings [CDU/ CSU]: Oder den Kulturausschuss!)
Dieser Ausschuss könnte sich dann nämlich mit dem Thema Rentenbeitrag befassen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das werden wir gleich noch diskutieren. Jetzt geht es uns erst einmal darum, darauf zu bestehen, dass, wie es hier gängige Praxis ist, über Entschließungsanträge sofort abgestimmt wird. Verhalten Sie sich doch einfach zu den zehn Vorschlägen zum Umgang mit der NSA-Affäre!
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt hat der Kollege Korte das Wort, danach der Kollege Oppermann.
(Beifall bei der LINKEN)
Liebe Kollegin Haßelmann, die Linke wäre bereit, alle Ausschüsse einzusetzen; denn wir sind seit dem 23. September abends arbeitsfähig. Wir sind bereit, zu arbeiten; das wird aber hier insgesamt verhindert.
(Beifall bei der LINKEN)
Weil das so ist, will ich hier begründen, warum wir der Auffassung sind, dass wir über die vorliegenden Anträge zu einem Themenfeld, das ja nun sehr viele Menschen in diesem Lande bewegt – und das nicht erst seit das Handy der Kanzlerin abgehört wurde,
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Weil dem Gregor seins abgehört wird!)
sondern bereits seit dem Sommer –, heute abstimmen sollten und Sie Farbe bekennen müssen:
Erstens. Wir müssen heute darüber abstimmen, weil wir gar nicht wissen, wann wir das nächste Mal hier zusammenkommen oder ob wir überhaupt hier zusammenkommen; denn das verschiebt sich ja Woche um Woche. Deswegen sollten wir zumindest in diesem Punkt heute einmal klare Kante zeigen und darüber abstimmen. Das ist doch wohl das Mindeste!
(Beifall bei der LINKEN)
Sie von Union und SPD führen Koalitionsverhandlungen und nehmen damit den ganzen Bundestag in Geiselhaft; er darf nicht arbeiten.
(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ CSU – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: So ein Quatsch! Unsinn!)
Wir tun das trotzdem; aber wir wollen auch hier arbeiten. Nur weil Ihre Koalitionsverhandlungen mittlerweile etwas obskure Züge annehmen,
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das nehmen Sie jetzt aber zurück! – Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD], an den Abg. Volker Kauder [CDU/CSU] gewandt: Woher weiß er das? Wer hat das verraten?)
blockieren Sie, dass die Ausschüsse des Bundestages ihre Arbeit aufnehmen können. Das geht nicht!
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Zweitens. Es ist nun mehrfach – insbesondere von Rednerinnen und Rednern der zukünftigen Großen Koalition – hier angemahnt worden, dass wir mit unseren Kolleginnen und Kollegen in den Vereinigten Staaten, mit den Parlamentariern im Kongress, zusammenarbeiten sollten, um die Aufklärung voranzubringen. Das ist eine gute Idee, der sich meine Fraktion vollumfänglich anschließt. Es gibt nur ein organisatorisches Problem, liebe Kolleginnen und Kollegen: Der Kongress arbeitet, er hat Ausschüsse und kommt regelmäßig zusammen; wir aber nicht. Sollen von uns über 600 Leute nach Washington fliegen, oder wie stellen Sie sich das vor?
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Super!)
Ein absurder Vorschlag! – Die arbeiten, und Sie blockieren hier, dass gearbeitet werden kann.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Einen dritten Punkt möchte ich noch ansprechen, aus dem hervorgeht, warum wir heute sofortige Abstimmung beantragt haben. Insbesondere vonseiten der Union ist hier ununterbrochen darauf hingewiesen worden, wie wichtig das transatlantische Verhältnis sei.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist Petra Sitte? Warum darf Frau Sitte nicht reden?)
Dieses Verhältnis ist wichtig; das stimmt. Genauso wichtig ist für uns als Linke aber – auch das gehört zum transatlantischen Verhältnis – die Arbeit von Bürgerrechtsorganisationen, von kritischen Künstlern, von kritischen Rockmusikern und von den Kollegen im Kongress. Sie haben ein Recht darauf, zu erfahren, was der Bundestag von diesen ganzen Vorgängen hält. Deswegen müssen wir als Bundestag heute eine Position finden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das sollte nicht so schwer sein.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Am besten fand ich den Vorschlag, die Vorlage an den sogenannten Hauptausschuss zu überweisen. Das kenne ich noch aus meiner Zeit in der Kommunalpolitik. Im Stadtparlament gibt es einen Haupt- bzw. Verwaltungsausschuss. Das kann doch nicht allen Ernstes hier die Position sein! Dass die SPD das mitträgt, Herr Oppermann, die hier in Bezug auf die Aufklärung und die Transparenz bei dieser ganzen NSA-Affäre eben noch in die Tasten gehauen hat, kann ich nun wirklich nicht verstehen. Sie haben den Koalitionsvertrag doch noch gar nicht unterschrieben, und Ihre Mitglieder haben dem noch gar nicht zugestimmt. Deshalb könnten Sie hier doch zumindest bis dahin ordentliche parlamentarische Arbeit machen und nicht schon jetzt die große Blockade durchführen. Es ist doch absurd, als SPD das mitzutragen, obwohl es die Große Koalition noch gar nicht gibt.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Lange Rede, kurzer Sinn: In dem Entschließungsantrag von uns Linken, der übrigens, Kollege Uhl, nicht antiamerikanisch, sondern verantwortlich ist, betrachten wir die Abkommen, die es gibt. Ein Beispiel ist das Abkommen zum Fluggastdatenaustausch mit den Vereinigten Staaten. Auf unsere Frage, was mit den europäischen Fluggastdaten, die in den USA gesammelt werden, eigentlich geschieht, kann man doch angesichts der ganzen Affären, die jeden Tag neu aufs Tapet kommen, nicht einfach sagen: Wir stimmen das hier nicht ab, das interessiert uns nicht, das ist antiamerikanisch. – Die richtige Antwort wäre, diese ganzen Abkommen auszusetzen und neu zu verhandeln. Das ist doch das Mindeste, was die Menschen erwarten können.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Man könnte hier noch viele Punkte aufzählen. Ich finde, das ist überhaupt kein gutes Omen für die nächsten vier Jahre. Erstens haben Sie, wie wir eben gesehen haben, viel zu viel Redezeit,
(Beifall bei der LINKEN)
und zweitens ist das, was Sie sagen, wirklich unerträglich.
Sie können ruhig die Große Koalition bilden – das ist Ihr gutes Recht –, aber bei so einem Vorgang, der so viele Menschen umtreibt – die Leute sind verängstigt, weil sie nicht wissen, was von ihnen gespeichert wird –,
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Deswegen haben wir auch debattiert!)
ist es das Mindeste, dass der Bundestag – seit September diskutieren wir diese Affäre – zumindest einmal Farbe bekennt und Sie alle sagen, was Sie zu diesen Vorgängen meinen und ob Sie bereit sind, die notwendigen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Sie verweigern sich dem, und das kritisieren wir aufs Allerschärfste.
Schönen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt hat Herr Kollege Oppermann das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich verstehe die Aufregung der Kollegen Korte und Haßelmann überhaupt nicht:
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich nicht! – Jan Korte [DIE LINKE]: Das ist das Problem!)
Seit Tagen hören wir, dass der Bundestag endlich mit Ausschussberatungen beginnen soll.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welcher Ausschuss? Ihr seid ja nicht einmal in der Lage, einen Ausschuss zu bilden!)
Wo wir Ihnen heute die Möglichkeit geben, diese Anträge in einem noch zu bestimmenden Ausschuss zu beraten, sind Sie aber auch dagegen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Das gibt es doch gar nicht! – Katrin Göring- Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welcher Ausschuss? Da müssen wir ja total lachen!)
– Natürlich, aber den wird es ja geben.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jeder blamiert sich, so gut er kann!)
In der nächsten Sitzung des Bundestages werden wir einen Ausschuss einsetzen, und dann wird dieser Antrag dort beraten.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann ist denn die nächste Sitzung? Wer hat denn die Sitzung beantragt? – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So sieht der Minderheitenschutz aus!)
Das ist ja durchaus auch die Chance für Sie, dass aus den Anträgen noch etwas wird.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Minderheitenschutz!)
Ich finde in den Anträgen berechtigte Punkte, denen ich zustimmen könnte, ich finde dort Diskussionswürdiges, aber ich finde dort auch falsche Punkte.
(Jan Korte [DIE LINKE]: Ihre Attitüde ist jetzt schon super!)
Die Ausschussberatung ist doch die Chance, dass wir die Spreu vom Weizen trennen,
(Lachen der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
dass Sie Ihre Argumente noch einmal nachschärfen und dass wir am Ende möglicherweise sogar zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen.
(Zurufe von der LINKEN – Katrin Göring- Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welcher Ausschuss?)
Ich will bei dieser Gelegenheit auch sagen, dass ich noch in dieser Woche zusammen mit dem Kollegen Grosse-Brömer und den Vertretern der Grünen und der Linken ins Gespräch darüber kommen will, wie wir das Parlamentarische Kontrollgremium aufstellen, welchen Zuschnitt es haben soll und welche Instrumente ihm zur Verfügung stehen sollen.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Oppermann, das ist peinlich, so peinlich! Wann ist die Sitzung, Herr Oppermann? Wann ist denn die nächste Sitzung?)
Das kann relativ schnell geschehen, und dann können wir das alles auf den Weg bringen.
Es wird also in der nächsten Sitzung
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die wir beantragt haben, Herr Oppermann! Oder?)
der Vorschlag von der Union und von der SPD kommen, einen Hauptausschuss einzurichten.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/2873567 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 2 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zu den Abhöraktivitäten der NSA |