28.11.2013 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 3 / Tagesordnungspunkt 4

Elke FernerSPD - Rentenversicherungsbeitragssatz 2014

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, dass wir im Gegensatz zur letzten Wahlperiode jetzt mit dieser Beitragssatzsenkerei Schluss machen, die eigentlich viel zu kurz gesprungen war.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden die Beitragssätze im kommenden Jahr stabil halten und dann im Zusammenhang mit dem, was im Koalitionsvertrag vereinbart worden ist, wenn das Mitgliedervotum der SPD positiv ausgeht, eine langfristige Entscheidung hinsichtlich der Bandbreite der Schwankungsreserve treffen, damit wir nicht jedes Jahr wieder diese Diskussion haben werden. Die gesetzliche Rentenversicherung braucht Stabilität. Diese hat sie lange Jahre nicht gehabt. Wir werden ihr mit dieser Maßnahme Stabilität geben.

Noch einmal in Richtung der jüngeren Abgeordneten, insbesondere aus der CDU/CSU-Fraktion, die glauben, es sei nicht generationengerecht, jetzt die Rentenversicherungsbeiträge stabil zu halten. Nein, das Gegenteil ist der Fall. Die jetzige rentennahe Generation zahlt durch diese Maßnahme höhere Beiträge, als sie es nach geltender Rechtslage tun müsste, damit sie, wenn sie selber in Rente geht – es werden in den kommenden Jahren immer mehr Menschen in Rente gehen –, ihre Rente bekommt und gleichzeitig auf die dann zahlende Generation nicht zu hohe Beitragssatzsprünge zukommen. Das ist die Folge stabiler Beitragssätze.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben, denke ich, bei den Verhandlungen ein sehr gutes Ergebnis erzielt. Herr Birkwald, wir haben keine, wie Sie sie gefordert haben, Rente von 1 100 Euro für alle ohne jede Bedingung, ohne jede Beitragszahlung und ohne Einkommensberechnung erreicht. Das wollen wir auch nicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir sind nämlich der Auffassung, dass ein anderes wichtiges Prinzip der Rentenversicherung auch in Zukunft eingehalten werden muss. Dieses Prinzip heißt Beitragsbezogenheit. Es bedeutet, dass jeder, der Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt hat, die Gewissheit hat, damit eine Rentenanwartschaft zu erwerben und diese auch in Zukunft gesichert bleibt. Eine rein steuerfinanzierte und einkommensunabhängige Rente, so wie Ihre Fraktion und Ihre Partei das will, würde im Ergebnis zu einer Rente nach Kassenlage führen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist falsch!)

Das wollen wir definitiv nicht. Das würde eine der ältesten Sozialversicherungen wirklich in den Abgrund treiben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Richtig! – Zuruf von der LINKEN: Das ist eine Lüge!)

– Nein, das ist keine Lüge. Sie haben das doch plakatiert. Ich habe doch im Wahlkampf nicht die Plakate aufgehängt, auf denen Sie 1 100 Euro Rente für alle fordern. Das waren doch Sie.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Erstens war die Zahl nicht richtig, und zweitens stimmt es nicht!)

– Ja gut, dann eben 1 050 Euro. Um die 50 Euro brauchen wir uns, glaube ich, nicht weiter zu streiten.

Wenn unser Mitgliedervotum positiv ausfällt, dann wird es für viele deutliche Verbesserungen im Rentenrecht geben: für Mütter, für besonders langjährig Beschäftigte und für Menschen mit gebrochenen Erwerbsbiografien. Das sind insbesondere Frauen, die wegen fehlender Kinderbetreuungseinrichtungen gebrochene Erwerbsbiografien haben und Teilzeit arbeiten mussten, auch wenn sie es nicht unbedingt wollten, und anschließend nicht wieder in einen Vollzeitjob hineingekommen sind, aber auch Männer und Frauen aus Ostdeutschland, die in der Nachwendezeit häufig gebrochene Erwerbsbiografien haben.

Wir werden Verbesserungen für Erwerbsgeminderte wie auch für diejenigen erzielen, die gleitende Übergänge vom Erwerbsleben in die Rente brauchen. Außerdem werden wir endlich, über 20 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung, eine Angleichung der Ost- an die Westrenten bekommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das sind zentrale Forderungen der SPD gewesen, und die werden damit umgesetzt werden können.

Die Mütterrente wird zum 1. Juli 2014 kommen. Das bedeutet einen Entgeltpunkt mehr in der gesetzlichen Rentenversicherung für diejenigen, die vor 1992 Kinder geboren haben. Wir hätten uns gewünscht, dass dabei Ostzeiten wie Westzeiten behandelt würden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Wir hätten uns auch gewünscht, dass diese sozialpolitisch sinnvolle und notwendige Maßnahme steuerfinanziert worden wäre statt über die Sozialversicherungsbeiträge, wobei im Laufe dieser Wahlperiode noch 2 Milliarden Euro zusätzlich für die Rentenversicherung vorgesehen sind. Aber nicht wir waren diejenigen, die keine Steuererhöhungen bei den oberen 5 Prozent der Einkommensbezieher wollten, sondern die Union war gegen Steuererhöhungen.

Deshalb bleibt, wenn man die Mütterrente will, nur die Möglichkeit, sie über Beiträge zu finanzieren. Aber in der Zukunft wird noch die Möglichkeit bestehen, darüber zu reden, spätestens in der nächsten Wahlperiode.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente beschlossen, nämlich dass die Zurechnungszeit um zwei Jahre angehoben wird, und zwar auch zum 1. Juli 2014. Das ist besonders wichtig, weil gerade Menschen, die wegen einer Erwerbsminderung in Erwerbsminderungsrente gehen müssen, ganz besonders von Altersarmut betroffen sind.

Wir werden außerdem eine Günstigerprüfung für die letzten vier Jahre einführen. Auch das ist nicht zu vernachlässigen. Denn es bedeutet, dass die betroffenen Menschen im Hinblick auf Zeiten, in denen sie schon krank waren und möglicherweise weniger Beiträge gezahlt haben, nach der Günstigerprüfung besser dastehen als bisher.

Wir werden auch mehr Geld für Rehamaßnahmen ausgeben, weil eine vernünftige Reha und vor allen Dingen auch vernünftige Arbeitsbedingungen Voraussetzungen sind, um Erwerbsminderung zu vermeiden.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben darüber hinaus eine solidarische Lebensleistungsrente vereinbart – wir haben sie im Wahlkampf Solidarrente genannt; die Union hat sie Lebensleistungsrente genannt; jetzt ist daraus die solidarische Lebensleistungsrente geworden –, damit diejenigen, die heute von Altersarmut betroffen sind und auf weniger als 30 Entgeltpunkte – das sind 844 Euro – für ihr Alterseinkommen kommen, im Alter nicht trotz langjähriger Beschäftigung in die Grundsicherung fallen.

Dafür gibt es eine Übergangszeit bis zum Jahr 2023, in der 35 Beitragsjahre notwendig sind, um die solidarische Lebensleistungsrente zu bekommen. Das hilft insbesondere Frauen: Frauen, die schlecht verdient haben, weil sie teilzeitbeschäftigt waren, Frauen, die schlechter bezahlt wurden als Männer, oder Frauen, die jemanden gepflegt haben. Aber es hilft auch Arbeitslosen, weil Zeiten von Arbeitslosigkeit bis zu fünf Jahren mit in die Berechnung einfließen. Deshalb profitieren neben den Frauen im Westen auch insbesondere die Menschen in den neuen Bundesländern, weil auch sie häufig gebrochene Erwerbsbiografien haben.

(Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wie hoch wird die sein?)

– Die Höhe dieser Rente wird davon abhängen, wie die Höherwertung erfolgt und welche Zeiten mit einbezogen werden. Es wird in einer zweiten Stufe eine bedarfsgeprüfte Grundsicherung im Alter geben, die dann allerdings einkommensabhängig berechnet wird. Herr Birkwald, ich finde das in Ordnung. Wenn jemand einen Partner oder eine Partnerin mit Einkommen hat oder über ein entsprechendes Alterseinkommen verfügt, das andere möglicherweise nicht haben, muss aus Steuermitteln nicht noch aufgestockt werden; denn dann ist eine ausreichende Versorgung vorhanden. Es geht uns vielmehr darum, diejenigen aus der Altersarmut herauszuholen, die ohne die nun vorgesehene Maßnahme in die Grundsicherung fallen würden.

(Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Gegen die Einkommensprüfung habe ich ja nichts!)

Wir haben darüber hinaus erkannt – das wird heute Nachmittag noch Thema sein –, dass der Schlüssel für eine gute Rente eine gute Erwerbsbiografie ist. Vor diesem Hintergrund ist die Einführung eines Mindestlohns das zentrale Thema, damit diejenigen, die heute im Niedriglohnsektor arbeiten, zu besseren Renten kommen. Die bessere Tarifbindung, die wir vereinbart haben, trägt ebenfalls zu einer Verbesserung der Renten bei. Die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird sich insbesondere für Frauen – auch in der Rente – auszahlen; denn Frauen werden durchgängiger und mehr erwerbstätig sein können, als das heute der Fall ist.

Ein weiteres Thema ist die befristete Teilzeit. Wir ermöglichen es, nach einer befristeten Zeit wieder sicher auf die Vollzeitstelle bzw. auf die alte Stelle mit gleicher Arbeitszeit wie zuvor zurückzukehren. Damit wird die Gefahr gebannt, in der Teilzeit gefangen zu sein und später auch nur eine Teilzeitrente zu beziehen.

Ebenfalls ein wichtiger Punkt ist die Entgeltgleichheit. Wenn Frauen für gleiche bzw. gleichwertige Arbeit genauso viel bekommen wie Männer, werden sie am Ende bessere Renten beziehen.

Das alles gehört zusammen, und das alles muss man auch zusammen sehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben des Weiteren eine Vereinbarung für besonders langjährig Beschäftigte getroffen. Es sind nicht viele, die 45 Beitragsjahre vorweisen können. Wir senken das Renteneintrittsalter für diese Personen von heute 65 Jahren auf 63 Jahre. Das wird parallel zum Renteneintrittsalter wieder angehoben. Aber man kann zwei Jahre früher abschlagsfrei in Rente gehen, als das ohne diese Regelung der Fall wäre. Dabei werden Zeiten der Arbeitslosigkeit berücksichtigt, was derzeit nicht der Fall ist. Insofern wird ein größerer Personenkreis davon profitieren. Herr Birkwald, wenn Sie nun sagen: „Das ist alles nichts“, dann kann ich nur festhalten: Es ist deutlich besser als der Status quo.

(Beifall bei der SPD)

Wir möchten im Gegensatz zu Ihnen Verbesserungen für die Menschen erreichen und nicht irgendwelche Grundsätze vor uns hertragen, was im Ergebnis nicht dazu führt, dass es den Menschen besser geht.

(Beifall bei der SPD)

Letzter Punkt, die Angleichung der Renten im Osten an die im Westen. Ja, das hat lange gedauert. Ich bin froh, dass wir in dieser Wahlperiode ein Gesetz mit dem schönen Namen „Rentenüberleitungsabschlussgesetz“ verabschieden werden. Diejenigen, die häufig Scrabble spielen, werden wahrscheinlich eine riesige Punktzahl erreichen, wenn sie dieses Wort legen können. Auf jeden Fall ist es für die Menschen in Ostdeutschland gut, zu wissen, dass spätestens wenn der Solidarpakt II ausläuft, die Renten in Ost und West gleich berechnet werden und dass es dann ein einheitliches Rentenrecht gibt. Das ist 30 Jahre nach der deutschen Einheit mehr als überfällig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Davon haben viele heutige Rentner nichts!)

Wenn ich unter das alles einen Strich ziehe, dann glaube ich, dass wir angesichts der Verbesserungen im Rentenbereich getrost vor unsere Mitglieder treten können. Ich möchte an dieser Stelle Andrea Nahles und all denjenigen, die auf unserer Seite in der Koalitionsarbeitsgruppe dafür gestritten haben, danken. Das ist ein wirklich gutes Ergebnis.

Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Jetzt spricht der Kollege Markus Kurth.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/2903605
Wahlperiode 18
Sitzung 3
Tagesordnungspunkt Rentenversicherungsbeitragssatz 2014
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