Peter AltmaierCDU/CSU - Klimakonferenz in Warschau
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Baerbock, auch ich gratuliere Ihnen herzlich zu Ihrer Jungfernrede und wünsche Ihnen eine gute und interessante Arbeit im Deutschen Bundestag.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Vereinbarungen von Warschau sind ein wichtiger Zwischenschritt auf dem Weg zu einem großen Klimaabkommen in Paris, das alles andere als sicher, aber dringend notwendig ist; sie sind nicht mehr und auch nicht weniger. Vor allen Dingen haben die getroffenen Vereinbarungen – wie bei allen anderen Klimakonferenzen seit Kioto – die Hoffnungen von Millionen von Menschen nicht erfüllt, die unter dem Klimawandel leiden oder die – wie wir in Deutschland, in Europa und in anderen Ländern – hoffen, dass sich die Weltgemeinschaft endlich einmal dazu aufrafft, etwas Durchgreifendes zu tun.
Trotzdem haben wir gemeinsam die Verantwortung, die Fortschritte, die wir erreichen, und die Beiträge, die wir leisten, nicht kleinzureden, so wie es heute hier und auch in manchen Kommentaren geschehen ist; denn wir befinden uns in einer Situation, in der es der Klimaschutz weltweit schwerer hat als vor 10 oder 15 Jahren. Die Banken- und Börsenkrise, die Staatsschuldenkrise, die weltweite Wirtschaftskrise, all das hat dazu geführt, dass eine Reihe von Staaten ihre Ambitionen zurückgeschraubt haben und andere Staaten beim Eingehen von Verpflichtungen vorsichtig sind. Wir haben die Situation, dass Länder wie Japan und Australien beim Klimaschutz eher auf dem Rückmarsch sind und dass Schwellen- und Entwicklungsländer wie Indien, China und Brasilien beim Eingehen von Verpflichtungen sehr vorsichtig sind, obwohl sie erkannt haben, dass sie mit weiterhin ungehemmt steigenden CO 2 -Emissionen den Ast absägen, auf dem sie selber sitzen.
Vor diesem Hintergrund haben wir alle gemeinsam die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass es beim Klimaschutz nicht rückwärts, sondern vorwärts geht und dass wir in Paris im Jahre 2015 zum ersten Mal ein Abkommen erreichen, das nicht nur einige Industrieländer, sondern alle Länder auf dieser Welt verpflichtet, also für alle Länder klare und nachvollziehbare Minderungsverpflichtungen festschreibt. Davon sind wir noch ein erhebliches Stück entfernt.
Herr Bundesminister, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Höhn zu?
Von der Kollegin Höhn jederzeit.
Danke schön. – Herr Bundesumweltminister, ich habe Ihren Koalitionsvertrag genau studiert. Darin haben Sie sehr deutlich geschrieben, es müsse sichergestellt werden, dass es sich beim Backloading, für das Sie sich zu Recht eingesetzt haben – es ist jetzt auch auf EU-Ebene beschlossen –, um eine einmalige Maßnahme handelt: Die Zertifikate müssen zurück in den Markt, und mehr gibt es auch nicht.
Nun wissen Sie, dass Backloading nicht reicht. Wenn Sie also, wie Sie eben gesagt haben, für einen ehrgeizigen Klimaschutz stehen, wenn Sie Länder wie China und Indien dazu bringen wollen, etwas zu tun – auch China muss etwas tun; der durchschnittliche CO 2 -Ausstoß pro Kopf ist dort schon fast so hoch wie in Europa –, dann muss Europa vorangehen. Also: Backloading reicht nicht. Bedeutet dieser Koalitionsvertrag, dass Sie sich nicht für ein Set-aside und für eine Reduktion der CO 2 - Emissionen um 30 Prozent bis 2020 einsetzen werden? Wie wollen Sie unter diesen Bedingungen die anderen Länder dazu bringen, etwas zu tun?
Frau Kollegin Höhn, ich kann mich erinnern: In den letzten anderthalb Jahren haben Sie mich eigentlich alle vier Wochen gefragt, warum es beim Backloading nicht endlich einmal vorangeht; Sie haben uns alles Mögliche unterstellt. Nun ist die Bundestagswahl gerade einmal sechs Wochen vorüber, und wir haben das Backloading im Ministerrat in Brüssel beschlossen; es ist auf dem allerbesten Weg. Da hätten Sie vielleicht wenigstens einmal anerkennend sagen können, dass wir in diesem Punkt partei- und fraktionsübergreifend einen Fortschritt erzielt haben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das war der erste Punkt.
Der zweite Punkt: Das Backloading findet einmalig statt, weil es nicht ständig willkürliche Eingriffe in ein Handelssystem geben kann, das nach marktwirtschaftlichen Kriterien funktioniert. Aber das schließt nicht aus, dass wir uns in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren auf eine strukturelle Reform des Emissionshandelssystems verständigen,
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Koalitionsvertrag steht aber etwas anderes!)
um ihn wirksamer und besser zu machen. Was niemand will, ist, dass es je nach Kassenlage Eingriffe gibt, die niemand voraussehen und kalkulieren kann. Wir brauchen auch in diesem Bereich Beständigkeit und Verlässlichkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist deshalb auch wichtig, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir uns im Koalitionsvertrag eindeutig zu unseren Zielen beim Klimaschutz und bei den erneuerbaren Energien bekennen, die für die Bundesregierung – für alle Bundesregierungen der letzten 20 Jahre – maßgeblich waren. Das bedeutet, dass wir den Ausstoß von CO 2 in Deutschland bis 2050 um 80 bis 95 Prozent reduzieren wollen. Von diesem Ziel gehen wir nicht ab. Wir wollen, dass Europa insgesamt Vorreiter wird.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was tun Sie denn dafür?)
Wir haben uns im Koalitionsvertrag dazu bekannt, dass wir innerhalb der EU ein ambitioniertes Treibhausgasminderungsziel von mindestens 40 Prozent für das Jahr 2030 festsetzen und dass wir in einer Zieltrias darüber hinaus auch ambitionierte Ziele in Bezug auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz beschließen.
All das macht deutlich, dass Deutschland auch in Europa ein Vorreiter beim Klimaschutz bleibt. Aber es macht auch deutlich, dass wir das mit Augenmaß tun und dass wir es so tun wollen, dass die Unternehmen und die Arbeitsplätze in Deutschland erhalten bleiben, dass sie sich an die neuen Bedingungen anpassen können und dass wir unsere Vorreiterstellung, auch was die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und die Zahl von Industriearbeitsplätzen in Deutschland angeht, auch in Zukunft erhalten und verteidigen können. Das ist übrigens ein wichtiges Ziel; denn es nützt gar nichts, liebe Frau Kollegin Höhn, wenn wir hier in Deutschland die strengsten Klimaschutzauflagen haben, aber gleichzeitig die Unternehmen, die Stahl, Kupfer, Aluminium und anderes produzieren, in Ländern produzieren, in denen es diese Klimaschutzauflagen nicht gibt. Dann haben wir am Ende für den Klimaschutz nicht mehr, sondern weniger erreicht. Das ist der Grund, warum wir ein weltweites Abkommen brauchen, das für alle Länder gleichermaßen verbindlich ist.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe sowohl in Warschau als auch an anderer Stelle nachdrücklich betont, dass ich der Auffassung bin, dass sich auch jene Länder bewegen müssen, die schon damals in Kopenhagen verhindert haben, dass wir ein notwendiges Abkommen beschließen konnten. Das sind vor allen Dingen die großen Länder USA und China. In beiden Fällen haben sich die politischen Führungen, Präsident Obama und die neue Staats- und Parteiführung in China, in den letzten Monaten klimapolitisch konstruktiv und positiv geäußert. Wir finden aber, dass das noch nicht in ausreichendem Maße das reflektiert, was auf internationalen Klimaschutzkonferenzen möglich ist. Jedenfalls haben wir das in dieser Form in Warschau nicht vorgefunden.
Es war wichtig, dass wir in Warschau einen Fahrplan für Paris ausgearbeitet haben, der vorsieht, dass alle Länder aufgefordert sind, deutlich vor der Konferenz, nämlich bereits im März 2015, ihre eigenen Verpflichtungen und Beiträge vorzulegen und offenzulegen; denn dann können wir einschätzen, ob die vorgesehenen Maßnahmen ausreichen, um das 2-Grad-Ziel zu erreichen. Anschließend werden wir darüber sprechen, inwieweit der Erfolg der Beiträge, die in der Zeit, bevor das Abkommen 2020 in Kraft tritt, geleistet werden, nachzuprüfen ist. Sie sehen: Das ist alles hochkomplex und hochkompliziert.
Wir haben in Bezug auf Deutschland im Übrigen auch klargemacht, dass wir zu unseren Zusagen zur internationalen Klimafinanzierung stehen. Wir haben klargemacht, dass wir zu unseren Zusagen für den Green Climate Fund stehen. Wir haben klargemacht, dass wir zu unseren sonstigen Zusagen stehen. Aber es kann nicht sein, dass nur Norwegen, Schweden, Deutschland und einige andere Länder diese Beiträge leisten. Wir erwarten, dass andere Länder in vergleichbarer Situation diesem Beispiel folgen und ebenfalls ihre nationalen Beiträge entsprechend erhöhen und ihre Zusagen einlösen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir haben in einem Bereich – ich freue mich sehr, dass die Kollegin Baerbock das angesprochen hat – einen wirklichen Durchbruch erzielt, und zwar beim Waldschutz. Ich habe an der entsprechenden Konferenz in Warschau nicht nur teilgenommen, sondern auch noch einmal die deutsche Position vertreten. Wir haben nicht nur die finanziellen Mittel für den Waldschutz erhöht, sondern wir haben vor allen Dingen zum ersten Mal mit dem Methodenhandbuch einen unabhängigen Überprüfungsmechanismus für die erreichten Emissionsminderungen in Entwicklungsländern geschaffen. Es wird für die Industrieländer viel einfacher und viel attraktiver sein, in den Waldschutz in Entwicklungsländern zu investieren, wenn klar ist, dass die gesteckten Ziele tatsächlich überprüfbar und verifizierbar sind; denn nur dann lohnt es sich im Endeffekt, entsprechende Gelder einzusetzen. Genau das haben wir erreicht, übrigens gemeinsam mit unseren Kollegen und Freunden aus Großbritannien und Norwegen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden in den nächsten Wochen und Monaten harte Arbeit vor uns haben. Wir werden mit der Reform des deutschen EEG, die wir im nächsten Jahr beginnen, deutlich machen: Wir stehen zu den erneuerbaren Energien, aber sie müssen so bezahlbar werden, dass sie sich auch Länder wie China und Indien leisten können. Wir werden im Frühjahr deutlich machen, dass sich die Europäische Union ein ambitioniertes Klimaschutzziel für das Jahr 2030 gesetzt hat. Wir werden alle Kräfte einsetzen, damit der Klimaschutzgipfel in Paris im Jahre 2015 endlich ein Klimaschutzgipfel wird, der diesen Namen auch verdient.
In diesem Sinne: Die Anstrengungen lohnen sich. Der Kollege, der die Zwischenfrage gestellt hat, die Kollegin Baerbock und alle anderen in diesem Hause sind herzlich eingeladen, die neue Bundesregierung in diesen Anstrengungen zu unterstützen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Als nächste Rednerin spricht jetzt die Kollegin Bulling-Schröter.
(Beifall bei der LINKEN)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 18 |
Session | 3 |
Agenda Item | Klimakonferenz in Warschau |