Andrea NahlesSPD - Mindestlohngesetz
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ab 1. Januar 2015 gilt in Deutschland ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro.
(Beifall bei der SPD)
Damit verbessern wir sofort und auf einen Schlag das Leben von Millionen Menschen. Zurzeit haben 6,9 Millionen Menschen einen Stundenlohn von weniger als 8,50 Euro. Wir haben als SPD zusammen mit den Gewerkschaften und vielen anderen jahrelang für die Einführung eines Mindestlohns gestritten. Ich bin sehr glücklich, dass wir das jetzt durchgekämpft haben und dass nun der Mindestlohn kommt.
(Beifall bei der SPD)
Wenn wir von einem Mindestlohn reden, dann meinen wir damit einen gesetzlich festgelegten Mindestlohn, der dynamisiert wird. Wir haben dafür eine Mindestlohnkommission geschaffen. Dann reden wir davon, dass er flächendeckend gilt, für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Damit sind junge Menschen in Ausbildung nicht gemeint, um auch das zu sagen. Die sind nämlich in einem Ausbildungsverhältnis. Dann reden wir davon, dass es keinen Unterschied zwischen West und Ost gibt, was uns sehr wichtig gewesen ist. Und dann reden wir davon, dass wir tatsächlich keine Ausnahmen zulassen; das heißt, er gilt auch für Minijobber und andere. Das ist ein ganz entscheidender Punkt.
(Beifall bei der SPD)
Wir haben aber – das hat Kollege Schiewerling richtig dargestellt –
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das macht er immer richtig!)
keine Veranlassung gesehen, in bestehende Tarifverträge einzugreifen. Es gibt zurzeit noch 41 Tarifverträge in Deutschland, die Tariflöhne unter 8,50 Euro vorsehen. Wir wollten jetzt nicht in das, was die Tarifpartner miteinander ausgehandelt haben, hineingrätschen. In vielen dieser Tarifverträge wurden ja übrigens auch Stufen verabredet, sodass die Löhne irgendwann, manche erst ab 2016, bei 8,50 Euro landen werden. Diese Tarifverträge sollen also die Chance haben, fortzubestehen. Wohlgemerkt, es gilt aber auch hier: Ab 31. Dezember 2016
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Ab 01.01.17!)
gilt überall, auch da, ein Mindestlohn von 8,50 Euro.
Frau Kollegin Nahles, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage zuzulassen?
Nein, momentan nicht. Ich möchte jetzt weiter ausführen.
Herr Schlecht, dann wird nichts daraus.
Darüber hinaus lassen wir auch zu, dass noch neue Tarifverträge geschlossen werden. Warum auch nicht? Wir reden hier über Branchen und Regionen, in denen wir Tarifvertragswüsten haben, in denen die tarifvertragliche Abdeckung weniger als 40 Prozent beträgt. Warum sollten wir den Gewerkschaften jetzt nicht die Möglichkeit geben, neue Tarifverträge auszuhandeln, die zunächst weniger als 8,50 Euro vorsehen?
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Es ist doch geradezu verrückt, daraus ein Problem zu machen. Das hat auch Michael Sommer, der das gestern kommentiert hat, klar gesagt – ich zitiere –: Wir sind bereit, in diese Verhandlungen hereinzugehen, um manchen Branchen zu ermöglichen, in den Mindestlohn hineinzuwachsen. – Herr Ernst, Sie haben das eben als großes Problem für die Gewerkschaften dargestellt. Die aber wollen das und haben genau diese tarifliche Ausgestaltung gewünscht. Deswegen kann ich mir nicht vorstellen, dass das eine Regelung gegen die Gewerkschaften ist. Nein, im Gegenteil, es ist eine Regelung mit den Gewerkschaften, die wir uns vorgenommen haben.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Wir müssen aber auch wirksame Kontrollen durchsetzen. Es darf uns nicht passieren, dass durch die Einführung von Mindestlöhnen Wettbewerbsverzerrungen entstehen, weil der eine Unternehmer sie zahlt, der andere aber nicht. Da haben wir eine ordnungspolitische Aufgabe vor uns. Das heißt auch, dass wir den Zoll, der dafür zuständig ist, entsprechend personell ausstatten müssen.
Wir müssen vor allem auch sicherstellen – das ist eine wichtige Sache –, dass wir die Branchen, die sich das momentan noch nicht vorstellen können und Probleme sehen, in den Dialog integrieren. Wir haben nur gesagt: Wir wollen mit den Branchen, in denen es Anpassungsschwierigkeiten gibt, für die wir Übergangsregelungen brauchen, ins Gespräch kommen und Lösungen suchen; denn das Ziel muss doch sein, dass es nachher funktioniert, und zwar so, dass alle gut damit leben können und es den Menschen nutzt. Das ist der Anspruch, den wir in diesem Koalitionsvertrag niedergelegt haben. Das werden wir auch hinbekommen. Da bin ich sehr sicher.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es ist ja schön, Herr Ernst, dass Sie Ihre Spielchen spielen und Gesetzentwürfe einbringen. Damit sind Sie von Ihrer Forderung nach einem Mindestlohn von 10 Euro ja sogar ohne Verhandlungen abgerückt. Sie schlagen ja in Ihrem Gesetzentwurf heute 8,50 Euro vor. Das finden wir klasse. Wir waren schon immer der Meinung, dass das eine vernünftige Lösung ist.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir vor allem haben kein Problem damit, dass das ein Kompromiss ist. Das ist nämlich etwas, was dazugehört, wenn man in einer Demokratie Mehrheiten bildet.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das ist nichts, was mich belastet; das ist etwas, was ganz normal ist. Kompromiss bedeutet, dass man aufeinander zugeht. Aber das Entscheidende ist: Es ist ein guter Kompromiss geworden, vor allem für die Menschen in Deutschland. Das ist der entscheidende Punkt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich möchte Ihnen sagen – das ist mir vor allem wichtig –, dass wir nicht nur den Mindestlohn regeln, sondern dass wir ein Gesamtpaket schnüren. Eine so deutliche Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung, wie wir es uns hier vorgenommen haben, bedeutet, dass in Zukunft viele ganz normale Arbeitnehmer in Deutschland vielleicht wieder Weihnachtsgeld bekommen, 30 statt 24 Urlaubstage haben. Bisher ist es so, dass Arbeitnehmer da, wo es keine Tarifverträge gibt, das nicht haben. Wenn wir die Möglichkeit der Allgemeinverbindlicherklärung verbessern, dann tun wir auch für ganz viele Arbeitnehmer etwas, die mehr als den Mindestlohn verdienen. Wir wollen aber, dass es auch denen am Ende besser geht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es kann nicht in unserem Interesse sein, dass die Tarifpartnerschaft in Deutschland immer mehr unterhöhlt und zum Flickenteppich wird. Warum? Gerade in der Krise, die wir vor einigen Jahren erlebt haben, hat sich die Tarifpartnerschaft als Stabilitätsfaktor und Stärke unseres Landes erwiesen. Die Vorschläge, die wir hier erarbeitet haben, werden einen riesigen Beitrag zur Fortsetzung dieser Entwicklung leisten.
Es wird ja öffentlich kritisiert, die Große Koalition stehe für viel Klein-Klein.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt ja auch!)
Mit der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro haben wir aber einen Durchbruch geschafft. Wenn das kein Meilenstein ist, dann frage ich mich: Was ist sonst ein Meilenstein?
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Keine Steuererhöhungen!)
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Danke, Frau Kollegin. – Ich erteile das Wort dem Kollegen Klaus Ernst zu einer Kurzintervention. Andrea Nahles, Sie haben anschließend die Möglichkeit, zu erwidern.
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 18 |
Session | 3 |
Agenda Item | Mindestlohngesetz |