Ralph BrinkhausCDU/CSU - Haftung bei Bankenschieflagen
Frau Bundestagspräsidentin! Vielleicht geht die Redezeit, die nicht ausgenutzt wird, ja an Sie über. Aber ich glaube, das ist nicht der Fall.
Herr Schick, Sie haben ganz richtig gesagt, dass der Zweck dieser Debatte wahrscheinlich nicht Ihre Anträge sind – sie halte ich nämlich für überflüssig –, sondern die Tatsache ist, dass sich die Welt zwischen Bundestagswahl und Koalitionsbildung weitergedreht hat. Während sich die Welt weitergedreht hat, haben sich auch die Finanzmärkte weitergedreht. Auch die europäische Gesetzgebung hat sich weitergedreht. Das heißt, es sind wichtige Entscheidungen getroffen worden. Wir sind bei dem für den Verbraucherschutz so wichtigen Thema MiFID weitergekommen. Wir sind bei dem für die Versicherungen so wichtigen Projekt Solvency weitergekommen. Wir sind bei der zweiten Etappe im Hinblick auf die Bankenunion auf der Zielgeraden. Insofern ist es gut und richtig, dass sich der Deutsche Bundestag hier und heute zu diesem Thema positioniert.
(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke für die Zustimmung!)
Wenn man in die 17. Legislaturperiode zurückblickt und sich die letzten vier Jahre vor Augen führt, stellt man fest: Wir haben mehr als 30 Gesetze und Initiativen auf den Weg gebracht, um die Finanzmärkte zwar nicht zu bändigen, sie aber ein wenig sicherer zu machen. Wir haben dafür gesorgt, dass die Finanzinstitutionen weniger Risiken eingehen. Wir haben dafür gesorgt, dass die Risikotragfähigkeit steigt. Wir haben dafür gesorgt, dass wir, zumindest auf nationaler Ebene, vernünftige Aufsichtsstrukturen bekommen. Wir haben einen Restrukturierungsmechanismus erarbeitet. Wir haben ziemlich viel für den Verbraucherschutz getan.
Meine Damen und Herren, wenn Sie sich ansehen, was im Koalitionsvertrag niedergelegt ist, stellen Sie fest, dass dieser Weg weitergegangen wird und sich eigentlich gar nicht schrecklich viel geändert hat. Wir werden damit leben müssen, dass unsere – wie hat es Paul Lehrieder eben genannt? – neue Lebensgefährtin – ich hoffe nicht, dass sie unsere neue Lebensrestbegleiterin ist –
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Lebensabschnittspartnerin! – Joachim Poß [SPD]: Nein! Nicht Lebensgefährtin, sondern Lebensabschnittsbegleiterin – das ist auch schon verdammt viel!)
– unsere Lebensabschnittsbegleiterin, genau – sicherlich auch beim Thema Bankenregulierung einige sozialdemokratische Akzente mit einbringen wird. Das heißt, die Regelungen werden ein bisschen anders ausgestaltet. Aber die Grundlinie wird gleich bleiben. In der letzten Legislaturperiode haben wir ja erkannt, dass die Unterschiede nicht so groß waren, und das ist auch gut so.
Im Rahmen der Regulierung haben wir festgestellt, dass der nationale Gesetzgeber an Grenzen stößt. Wir haben das festgestellt, als wir in einem nationalen Alleingang Leerverkäufe verboten haben; wir waren froh, dass man das auf europäischer Ebene nachvollzogen hat. Wir haben das festgestellt, als wir als eines der ersten Länder den Hochfrequenzhandel reguliert haben; es ist gut, dass das auch in der MiFID nachvollzogen wird. Wir haben das festgestellt, als wir als eines der ersten Länder ein Trennbankengesetz auf den Weg gebracht haben. Ich glaube, das wird unter Berücksichtigung der Liikanen-Vorschläge auf europäischer Ebene noch viel wirkmächtiger.
Wir haben festgestellt, meine Damen und Herren, dass das Restrukturierungsgesetz, das wir gemacht haben, bestenfalls für größere national tätige Banken reicht, aber nicht für international tätige Banken.
(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Inzwischen geben Sie es zu! Damals haben Sie mir noch widersprochen!)
Das ist auch ganz normal, meine Damen und Herren: weil Finanzmärkte an nationalen Grenzen nicht haltmachen. Die meisten Finanzinstitutionen agieren überregional und über nationale Grenzen hinweg. Selbst Finanzinstitutionen, die innerhalb nationaler Grenzen arbeiten, haben ein Schadenspotenzial, das über Landesgrenzen hinausreicht. Wir haben das in Spanien gesehen: Die Caixas – wahrlich nicht große Institute – hatten die Welt mit Produkten beglückt, die Schwierigkeiten machten. Das führte dazu, dass Spanien unter den ESM-Schirm schlüpfen musste.
Insofern ist es gut und richtig, zu sagen: Wir haben gelernt, wir brauchen internationale Regeln. – Die Regeln, die wir in den letzten vier Jahren eingeführt haben, waren gar nicht so schlecht. Wir brauchen aber auch internationale Aufsichtsstrukturen, und wir brauchen internationale Problemlösungsmechanismen. Das war genau der Punkt, an dem der Gipfel vom 29. Juni 2012 – es waren die Morgenstunden des 29. Juni 2012 – angesetzt hat mit dem Bekenntnis: Ja, wir brauchen eine Bankenunion.
Wir stehen zu dieser Bankenunion. Diese Bankenunion wird einen Überwachungsmechanismus, einen Aufsichtsmechanismus, und einen Abwicklungsmechanismus umfassen. Wir werden uns im Rahmen der Bankenunion auch noch mit einer dritten Säule beschäftigen müssen, nämlich einer harmonisierten Einlagensicherung.
Bei dem gemeinsamen Aufsichtsmechanismus sind wir sehr weit gekommen: Die Europäische Zentralbank wird das übernehmen; sie wird Mitte nächsten Jahres an den Start gehen. Es laufen schon jetzt vorbereitende Aktionen, Belastungstests; das ist auch gut und richtig so.
Es war nicht ganz einfach, das zu verhandeln, Herr Schick. Es gab große Probleme bei der Trennung der Geldpolitik von der Aufsichtspolitik im Rahmen der Europäischen Zentralbank. Wir waren auch nicht ganz einverstanden mit dem Vorschlag von Herrn Barnier, dass sich die europäische Aufsicht bis in die kleinsten Verästelungen des deutschen Finanzsystems erstrecken soll, dass die europäische Aufsichtsbehörde auch auf Sparkassen, Volksbanken und kleine Privatbanken direkten Zugriff bekommen soll. Wir haben uns erfolgreich dagegen gewehrt. Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass dies im Interesse der Menschen in Deutschland und im Interesse des Wirtschaftsstandorts Deutschland war.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Jetzt sind wir in der zweiten Etappe; da geht es um den Abwicklungsmechanismus. Es gibt eine große Übereinstimmung: Wir brauchen Abwicklungsregeln, wir brauchen Abwicklungsinstitutionen, und wir brauchen Geld für die Abwicklung, einen Abwicklungsfonds.
Wir sind uns bei den Abwicklungsregeln einig, dass wir eine Haftungskaskade brauchen. Wir wollen, dass zuerst die Eigentümer der Finanzinstitutionen haften. Wir wollen, dass danach die Gläubiger – diejenigen, die diesen Finanzinstitutionen Geld gegeben haben; Ausnahme: Kleinanleger – haften. Wir wollen, dass dann ein von Banken gefütterter Fonds für die ganze Sache haftet. Jetzt kommen wir zu einem Punkt, an dem wir unterschiedliche Vorstellungen haben: Wir wollen, dass die Nationalstaaten in der Verpflichtung bleiben, sich um ihre Banken zu kümmern.
(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und damit der Steuerzahler!)
Erst wenn das passiert ist, soll der europäische Steuerzahler eingreifen; das ist uns ganz wichtig.
An diesem Punkt gibt es einen Bruch, an dem wir momentan verhandeln. Sie sagen, die Nationalstaaten müssten aus der Haftungskaskade herausgenommen werden, weil, wenn wir eine europäische Regulierung haben, auch eine europäische Verantwortung besteht, also auch europäische Haftung nötig ist. Ich will Ihnen drei Beispiele nennen, die diesen Gedanken widerlegen: Der Erfolg einer Bank hängt nicht allein davon ab, ob die Regulierung erfolgreich ist. Wenn es, wie in Griechenland, keine funktionierende Administration gibt, dann schadet das den lokalen Banken und erhöht das Insolvenzrisiko. Wenn, wie bei den Immobilien in Spanien, zugelassen wird, dass Blasen entstehen, dann schwächt das die Banken. Es gibt also eine nationale Verantwortung. Wenn, wie in Frankreich, eine verfehlte Steuer- und Haushaltspolitik gemacht wird, dann schwächt das die dortigen Banken und führt dazu, dass Risiken entstehen. Deswegen, meine Damen und Herren, ist es wichtig, dass wir die Nationalstaaten bei der Rettung bzw. Abwicklung von Banken nicht komplett aus der Verantwortung entlassen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Sie haben behauptet, wir würden uns bei unserer Ablehnung eines europäischen Abwicklungsfonds hinter rechtlichen Begründungen verschanzen. Rechtlich, das hört sich für die Öffentlichkeit technisch an, so als ob jemand das Richtige wolle, ihm aber irgendwelche Leute mit rechtlichen Bedenken einen Strich durch die Rechnung machten. Fakt ist: Für einen gemeinsamen europäischen Abwicklungsfonds fehlt uns in den europäischen Verträgen momentan die Rechtsgrundlage. Jetzt kann man sagen: „Das ist nicht schlimm“; aber wir haben hier in Deutschland andere Erfahrungen gemacht. Wir haben einige Kollegen hier im Haus – es gibt da auch einige Professoren –, die alle Regelungen gerne daraufhin überprüfen, ob sie auch im Einklang mit dem Recht stehen. Sehen Sie es uns also bitte nach, dass wir beim Thema europäischer Abwicklungsfonds sehr vorsichtig sind und sagen: Solange wir dafür keine Rechtsgrundlage haben, brauchen wir ein System aus verschiedenen nationalen Fonds, die einander ergänzen.
Wir haben aber noch ein weiteres Problem mit dieser Bankenunion. Als diese Veranstaltung am 29. Juni 2012 zu Ende war, haben einige Staatschefs aus südeuropäischen Ländern und auch der von Irland gesagt: Prima, ich muss jetzt nur ganz schnell unterschreiben, dass ich mich einem Aufsichtsmechanismus unterwerfe, dann habe ich eine Restmülldeponie für alle meine mit den Banken verbundenen Probleme gefunden. Alles, was ich früher in die Bankenrefinanzierung gesteckt und wofür ich Schulden gemacht habe, kann ich jetzt dorthin verlagern. Dann habe ich genug frisches Geld zur Verfügung, um meine unterkapitalisierten Banken zu stärken, und dann habe ich gegebenenfalls auch Geld, um die Abwicklung von Banken zu organisieren.
Genau das wollen wir nicht. Wir wollen eine Bankenunion, die nach vorne gerichtet ist und in die „saubere“ Banken aufgenommen werden. Deswegen ist es auch wichtig, dass jetzt der Belastungstest erfolgt, bevor wir damit starten. Das halte ich für gut und richtig.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Diese Punkte diskutieren wir auf europäischer Ebene.
Jetzt komme ich aber noch einmal zurück zu dem Antrag der Grünen. Der Antrag der Grünen steht in einer weniger guten Tradition der letzten vier Jahre.
(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einer guten!)
Es wird nämlich ein Bruch konstruiert, den es wahrscheinlich auch gibt. Die Grünen sagen: Wir wollen als aufrechte Europäer möglichst europäische Lösungen, wir wollen den europäischen Institutionen ganz viel Kompetenz geben und ihnen die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen, während ihr von der CDU hier immer zurückhaltend seid. „ Ihr bremst“, sagen Sie.
Ganz ehrlich: Wir sind zurückhaltend, weil wir abwägen, ob es dem Subsidiaritätsgedanken entspricht, dass wir Dinge an die europäische Ebene abgeben,
(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie merken, dass es Quatsch war!)
und weil wir glauben, dass wir einige Dinge national besser regeln können. Wir wägen ab, indem wir uns fragen: Was kostet das unseren Steuerzahlern? Welche Bedeutung hat das industriepolitisch? Was bedeutet das für unsere Sparkassen, für unsere Volksbanken und für unsere Mittelständler? Schließlich wägen wir ab, was das für die Menschen in diesem Land bedeutet, die das Ganze nicht nur verstehen, sondern auch bezahlen müssen. Wenn sie das nicht verstehen und nicht mitgenommen werden, dann geben sie ihre Wählerstimmen – das haben wir sehr deutlich gesehen – Rechtsradikalen, anderen Radikalen, Euro-Skeptischen und sonstigen Parteien, was wir alle nicht wollen. Daher sind wir zögerlich und bremsen manchmal gerne.
Wir freuen uns auf die Auseinandersetzung in dieser Wahlperiode. Ihre Anträge lehnen wir ab.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Danke, Herr Kollege Brinkhaus. – Als nächster Redner spricht für die SPD Joachim Poß.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/2904170 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 3 |
Tagesordnungspunkt | Haftung bei Bankenschieflagen |