28.11.2013 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 3 / Tagesordnungspunkt 10

Joachim PoßSPD - Haftung bei Bankenschieflagen

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich zunächst an einen möglichen Lebensabschnittspartner richten, an meinen Vorredner Brinkmann.

(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Brinkhaus!)

– „Brinkhaus“, Entschuldigung. Das war jetzt wirklich keine Absicht.

(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Ich habe keinen weißen Kittel an!)

– Ach so, Sie haben gleich assoziiert. Nein, diese Assoziation wollte ich hier nicht in den Raum stellen. Ich will Ihnen aber Folgendes sagen:

Erstens. Sie haben über die Kaskadenregelung gesprochen. Eines der größten Probleme für unsere Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ist sicherlich, dass das nicht erst 2018, sondern schon 2015 kommt, um Risiken zu begrenzen. Das scheint mir eher das Thema zu sein, über das wir hier diskutieren sollten.

Zweitens. Frau Merkel, die demnächst ja auch eine mögliche Lebensabschnittspartnerin ist – je nachdem, was in meiner Partei dazu gesagt wird –

(Zuruf von der CDU/CSU: Chefin!)

– eine Chefin gibt es ja nicht; wir alle sind frei gewählte Abgeordnete –, hatte am 29. Juni 2012 eine schwache Minute. Das passiert ja jedem einmal. Sie hat damals eine Zusage gegeben, und wir versuchen jetzt gemeinschaftlich, das rückabzuwickeln – wenn wir hier ehrlich diskutieren wollen, dann müssen wir auch sagen, dass wir das mit dem Koalitionsvertrag in der vorliegenden Fassung ja versucht haben; Herr Schäuble hat das vorher im Grunde genommen auch schon versucht –, was durch die Zusage von Frau Merkel am 29. Juni 2012 ausgelöst wurde.

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Wir sind ja unter uns! Da kann man es ja offen sagen!)

Im laufenden Jahr sind die Finanzmärkte von dramatischen Verwerfungen verschont geblieben. Trotzdem sollte niemand davon ausgehen, dass jetzt bereits alles getan ist, um Crashs und Bank Runs für die Zukunft zu vermeiden. Noch steht die europäische Bankenunion nicht, noch sind erst Regeln für die europäische Aufsicht verabschiedet worden. Das Abwicklungsregime – Sie haben darauf hingewiesen – und die Einlagensicherung im europäischen Kontext sind noch nicht beschlossen, und die Zeit drängt.

Wir wissen: Im nächsten Jahr, 2014, wird ein neues Europäisches Parlament gewählt, und es wird eine neue EU-Kommission geben. Die Bankenunion sollte vorher in trockenen Tüchern sein, sonst drohen Verzögerungen, die wir nicht wollen. Darüber besteht, glaube ich, im Großen und Ganzen Einigkeit hier im Hohen Hause.

Wir werden es also nur dann schaffen, zeitnah zur europäischen Bankenaufsicht ein europäisches Abwicklungsregime zu etablieren, wenn das nicht mit einer Vertragsänderung einhergeht. Eine Änderung der europäischen Verträge braucht nach aller Erfahrung ihre Zeit und würde nicht über Nacht durchzusetzen sein. Im Ecofin, dem Rat der europäischen Wirtschafts- und Finanzminister, wird zurzeit noch darüber gestritten, was im Rahmen der bestehenden Verträge geht und was nicht geht. Da hat – warum sollte man das hier verschweigen – der geschäftsführende deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble eine spezielle Rechtsauffassung, die von vielen anderen seiner Kollegen und von der EU-Kommission nicht geteilt wird.

(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und von der SPD?)

– Von der EZB auch nicht.

(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, von der SPD!)

– Von der SPD wird diese Auffassung ebenfalls nicht geteilt. Es ist gut, dass Sie so nette Hinweise geben, Herr Kollege.

Wir erwarten, dass es hier bald zu einer einvernehmlichen Lösung kommt. Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD ist angesichts der Sachlage relativ klar formuliert, Herr Kollege Schick:

Wenn man sich Ihren Antrag zum Restrukturierungsmechanismus anschaut, dann muss man sagen: Er ist auch nicht ganz widerspruchsfrei. Im Großen und Ganzen haben wir, Grüne und SPD, in der Beurteilung dieses Politikbereichs, etwa bei der Euro-Raum-Stabilisierung und bei der Finanzmarktregulierung, in der Vergangenheit weitgehend übereingestimmt. Aber auch da scheint mir noch nicht alles ausformuliert zu sein. Ich will damit nur andeuten: Ich glaube, da sind noch alle Parteien, wenn man sich einmal bescheiden zurücknimmt, in einem Prozess.

Herr Kollege, lassen Sie eine Frage von Gerhard Schick zu?

Gerne.

Danke. – Gerhard Schick, bitte.

Herr Kollege, mich interessiert, was Sie denn von dem Vorhaben des Bundesfinanzministers halten, dass die nationalen Regierungen, deren Kompetenzen der Kollege Brinkhaus gerade noch einmal deutlich geschildert hat, gemeinsam über die Abwicklung einer Bank verhandeln sollen, und was Sie von dem Vorschlag des Bundesfinanzministers halten, dass es ein Netz von nationalen Fonds in nationaler Verantwortung geben soll, sodass im Zweifelsfall die Steuerzahler eines Landes herangezogen werden könnten.

Das war bisher nicht die Position der SPD, wenn ich das richtig verfolgt habe. Mich interessiert, was die neue Koalition, wenn sie dann mit Ihnen gebildet wird, auf europäischer Ebene verhandeln wird; denn es geht um die Verhandlungen jetzt und nicht darum, was perspektivisch zu erwarten ist.

Herr Kollege Schick, das kann zu diesem Zeitpunkt höchstens durch informelle Gespräche geschehen. Sie wissen ja, wie das geht. Wir führen diese informellen Gespräche mit dem geschäftsführenden Bundesfinanzminister und machen aus unseren Überzeugungen keinen Hehl. Dazu gehört, dass wir einen europäischen Ansatz einem Netzwerk auf nationaler Ebene vorziehen. Das haben wir auch zu verstehen gegeben. Wir sind mitten in einem Diskussionsprozess, soweit die Dinge nicht ganz eindeutig durch die Koalitionsvereinbarungen festgelegt sind.

Wir stimmen aber darin überein, auf einer starken Beteiligung der Bankengläubiger und Bankeneigner zu bestehen, bevor nationale staatliche Mittel oder vielleicht sogar ESM-Mittel zur Bankenrestrukturierung oder -abwicklung eingesetzt werden; das ist vollkommen richtig. Ich denke, dass wir hierfür insgesamt in der Koalitionsvereinbarung ein kluges Verständnis entwickelt haben.

Nachdem die Zusage am 29. Juni 2012 gemacht wurde, wollen wir eine direkte Bankenrekapitalisierung aus dem ESM nur unter äußerst restriktiven Bedingungen und als Ultima Ratio überhaupt möglich machen. Dies muss konditioniert geschehen, und zwar so, dass dieses Instrument vermutlich eher nicht genutzt werden wird. Gleichzeitig erhalten die Märkte das Signal, dass wir in Europa nichts ausschließen, um die Finanzmarktstabilität zu verteidigen und zu sichern.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Joachim Poß. – Jetzt kommt der nächste Redner – kein Lebensabschnittspartner –, Dr. Axel Troost.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/2904171
Wahlperiode 18
Sitzung 3
Tagesordnungspunkt Haftung bei Bankenschieflagen
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