Anette KrammeSPD - Sachgrundlose Befristung in Arbeitsverträgen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Linnemann und liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, die Große Koalition, die im Raum steht, wird leider nichts daran ändern, dass wir in der einen oder anderen Frage dennoch unterschiedlicher Meinung sind.
(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Schade!)
Das wird sich natürlich auch nicht so ohne Weiteres ändern.
Ich muss ausnahmsweise der Frau Krellmann von den Linken recht geben, dass uns das angesprochene Thema befristete Beschäftigung sehr am Herzen liegt. Dabei geht es um die prekäre Beschäftigung insgesamt. Um wieder zum Koalitionsfrieden zurückzukommen: Ich finde, wir haben gemeinsam in dem möglichen Vertrag eine Menge erreicht, was dazu führen wird, dass die Zahl der prekären Beschäftigungsverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland abnehmen wird.
(Beifall bei der SPD)
Da haben wir das Thema Mindestlohn. Ab dem 1. Januar 2015 werden wir bundesweit einen flächendeckenden, einheitlichen Mindestlohn einführen. Ich finde, das ist ein großer Erfolg für Deutschland. Das ist geradezu ein historisches Ereignis.
(Beifall bei der SPD)
Wir gestatten es den Tarifvertragsparteien sogar, darüber hinauszugehen, zu sagen: Dieser gesetzliche Mindestlohn ist uns nicht hoch genug. Wir wollen über einen eigenen Mindestlohntarifvertrag einen noch höheren erreichen. – Auch das ist eine gute Geschichte.
Dann haben wir ein Thema aufgegriffen, von dem ich behaupte: Es war in den letzten 20 oder 30 Jahren in diesem Raume nicht einmal diskussionsfähig. Wir haben gesagt: Wir gehen das Tarifvertragsgesetz an und reformieren die Allgemeinverbindlicherklärung. Für diejenigen, die es nicht so genau wissen: Die Allgemeinverbindlicherklärung soll bewirken, dass in einer Branche ein Tarifvertrag wie ein Gesetz wirkt. Damit sollen mögliche Missstände in einem Bereich beseitigt werden.
Wir kümmern uns auch um das Thema Leiharbeit. Die Höchstüberlassungsdauer soll künftig bei lediglich 18 Monaten liegen. Das ist eine prima Geschichte. Wir ändern auch Kleinigkeiten – sie sind leider nicht hinreichend – beim Thema Equal Pay. Ich kann weitere Dinge nennen, beispielsweise bei der Entgeltgleichheit, die insbesondere Frauen betrifft. Ich finde es einen Skandal, dass Frauen in dieser Republik im Schnitt immer noch wesentlich weniger verdienen als Männer.
(Beifall bei der SPD)
Wenn den Frauen künftig ein Auskunftsanspruch hilft, um Entgeltgleichheit durchzusetzen, dann ist das eine großartige Geschichte.
Meine Damen und Herren von der Union, lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit für die Art und Weise danken, in der diese Koalitionsverhandlungen verlaufen sind. Meine Erfahrung war: Es waren konstruktive und fachkundige Gespräche, und das ist richtig gut gelaufen.
Aber jedem Vertrag ist immanent, dass ein Kompromiss damit einhergeht. Ein Kompromiss beinhaltet gegenseitiges Nachgeben. Es gibt sogar den gängigen Spruch: Ein guter Kompromiss liegt dann vor, wenn beide Seiten heftig über denselben schimpfen. Ich kann Ihnen sicher sagen, dass wir als SPD dies an der einen oder anderen Stelle tun.
Wenn wir über das Thema Maut reden, dann wird mir ganz anders. Wenn wir über die Fortsetzung des Betreuungsgeldes reden, bin ich auch nicht gerade erfreut. Wir wären auch der Auffassung gewesen, dass wir für dieses Land Steuererhöhungen gebraucht hätten. Aber wir haben diese nicht durchsetzen können. So ist auch das Thema sachgrundlose Befristung eines, das uns leider nicht zufriedenstellt.
Es gibt eine Menge Fakten, die dafür sprechen, die sachgrundlose Befristung zu streichen. Fast 50 Prozent aller Neueinstellungen erfolgen befristet, wie erwähnt, gerade im öffentlichen Dienst, wobei meine persönliche Haltung zu dem Thema ist, dass gerade der öffentliche Dienst eine Vorbildfunktion einnehmen müsste, was Beschäftigungsverhältnisse angeht.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN)
Daran können an sich alle hier im Raum mitwirken. Alle sind in irgendwelchen Landesregierungen vertreten und haben natürlich auch die Möglichkeit, mit den Kommunen zu reden. Ich finde, wir sollten dieses Thema gemeinsam angehen.
Leider sind mittlerweile fast 10 Prozent aller Arbeitsverhältnisse insgesamt befristet. Dabei gibt es einen Aspekt, der, finde ich, besonders betroffen macht. Es sind gerade die jungen Menschen, die von Befristungen betroffen sind. 19 Prozent aller jungen Menschen bis 34 Jahre haben einen befristeten Arbeitsvertrag. Das ist eine Gruppe von Menschen, die in ihrer Lebensplanung eingeschränkt sind, und das in einem Alter, in dem an sich jede Menge Entscheidungen zu treffen sind, etwa ob man eine Familie gründet, ob man Investitionen größerer Art tätigt usw. Es geht also um die Lebensplanung.
Befristete Beschäftigung hat auch etwas mit der Durchsetzung von Rechten zu tun. Umso häufiger sind befristet Beschäftigte deshalb überdies von Niedriglöhnen betroffen.
Meine Damen und Herren von der Union, vielleicht überlegen Sie sich das Ganze noch einmal. Sie haben jetzt jede Menge gute Argumente geliefert bekommen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend Folgendes sagen: Der Koalitionsvertrag als solcher ändert nichts an unserer Haltung zu befristeter Beschäftigung, wobei wir weitergehend der Auffassung sind, dass man auch über die Sachgrundbefristung nachdenken müsste. Ein Beispiel sei an dieser Stelle genannt.
In meinem Wahlkreis gibt es ein Klinikum mit über 2 000 Beschäftigten. Dort gibt es auch immer wieder Erziehungszeitvertretungen. In einem solchen großen Krankenhaus gibt es jede Menge identischer Stationen: mehrere internistische Stationen, mehrere chirurgische Stationen, mehrere Intensivstationen usw. Statt jeweils mit Sachgrundbefristungen zu arbeiten, könnte man auch wunderbar Springer einsetzen. Alle gemeinsam müssen also auf allen Ebenen mitwirken, damit auch das besser wird.
Unsere Position ist nicht verändert. Deshalb sagt auch unsere Fraktion Ja zu diesem Koalitionsvertrag. Ich bin mir sicher, unsere Mitglieder werden es auch tun. In dem Sinne hoffe ich, dass sich in den nächsten vier Jahren tatsächlich etwas positiv für die Menschen in diesem Lande wendet.
Ganz herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Beate Müller-Gemmeke das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/2904294 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 3 |
Tagesordnungspunkt | Sachgrundlose Befristung in Arbeitsverträgen |