28.11.2013 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 3 / Tagesordnungspunkt 12

Paul LehriederCDU/CSU - Sachgrundlose Befristung in Arbeitsverträgen

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Sehr gehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Einmal mehr beschäftigen wir uns heute mit der sachgrundlosen Befristung, einem arbeitsrechtlichen Instrument, das sich bewährt hat und dessen Abschaffung unseren Arbeitsmarkt belasten würde; Vorredner haben bereits darauf hingewiesen.

Die Lage auf dem hiesigen Arbeitsmarkt ist so gut wie noch nie. Wir haben so hohe Beschäftigungsquoten wie nie zuvor, mit Abstand die geringste Jugendarbeitslosigkeit innerhalb der EU, und unserer Wirtschaft geht es ausgesprochen gut. Wir haben – das besagen die aktuellen Zahlen – über 300 000 mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse im Vergleich zum Vorjahresniveau. Wir haben insgesamt so viele sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse wie noch nie auf deutschem Grund und Boden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Aber die Armut steigt! Das kann man überall nachlesen! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Lesen Sie keine Zeitung, oder was?)

Großen Anteil an diesem Erfolg haben unsere flexiblen Beschäftigungsformen; das gehört zur Wahrheit. Frau Kollegin Müller-Gemmeke, es war die rot-grüne Bundesregierung, die das Teilzeit- und Befristungsgesetz, das zum 1. Januar 2001 in Kraft getreten ist, eingeführt hat. Das war angesichts des damaligen verkrusteten Arbeitsmarkts richtig.

Jetzt kommt Frau Kollegin Krellmann und sagt: Wir haben aber jetzt Fachkräftemangel; es schaut wieder ganz anders aus. – Frau Kollegin Krellmann, es gibt keinen Grund dazu, jetzt schon übermütig zu werden. Wir drehen das, was damals an Lockerung auf dem Arbeitsmarkt gemacht worden ist, nicht zurück. Wir fahren unsere Volkswirtschaft nicht mutwillig an die Wand, wie es unsere westlichen Nachbarn in Frankreich derzeit im Begriff sind zu tun.

Lassen Sie uns nicht übermütig werden. Lassen Sie uns die probaten, die richtigen Instrumente, die Rot- Grün sinnvollerweise eingeführt hat, nutzen und nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Wir sollten diese Instrumente tatsächlich weiterentwickeln. Frau Kollegin Kramme hat darauf hingewiesen: Entsprechend sind wir bei der Leiharbeit vorgegangen; wir haben trotz unterschiedlicher Vorstellungen Equal Pay eingeführt. Wir haben etliches Gute, etliches Sinnvolle zur Einschränkung von Missbräuchen bei flexiblen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten auf den Weg gebracht. Aber ein kompletter Verzicht auf die sachgrundlose Befristung würde den Arbeitsmarkt absolut kontraproduktiv belasten. Deshalb ist dieser Verzicht auch nicht im Koalitionsvertrag enthalten.

Meine Damen und Herren, die aus diesen Instrumenten resultierende Flexibilisierung des Arbeitsmarktes hat zu einem beachtlichen Beschäftigungszuwachs geführt. Darauf können wir zu Recht stolz sein. Daran haben mehrere Bundesregierungen über mehrere Legislaturperioden mitgearbeitet. Wir sollten uns auch hüten, jetzt an diesen Bedingungen zu rütteln.

Ihr Entwurf, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, ist aber genau solch ein Versuch. Mit der Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen würde ein bewährtes Instrument ersatzlos gestrichen, das für viele Unternehmen Anreize bietet, mehr Personal einzustellen, und das für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine wichtige Brücke in eine unbefristete Beschäftigung ist.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die können doch befristet einstellen!)

– Frau Kollegin Müller-Gemmeke, Sie haben doch sicher dem Kollegen Linnemann aufmerksam zugehört. Er hat gesagt: Wenn 40 Prozent aus einem befristeten Arbeitsverhältnis fest übernommen werden, dann sind das 40 Prozent Chancen, dann erhalten 40 Prozent der Menschen für ihre Lebensplanung eine Perspektive.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was ist mit den anderen?)

Das gehört zur Wahrheit dazu.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das heißt, 60 Prozent der Leute haben keine Perspektive! Das findest du gut! 60 Prozent der Menschen ohne Perspektive!)

Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung wäre ein Nachteil für die Beschäftigungssituation in Deutschland. Deshalb lehnen wir den Entwurf ab, meine Damen und Herren.

Selbstverständlich würde auch ich mir wünschen, dass alle Menschen in unserem Land von Anfang an einen unbefristeten Arbeitsvertrag erhalten. Das ist der Idealfall. Auf diesen arbeiten wir mit ganzer Kraft hin. Allerdings gibt es durchaus Situationen, in denen eine Befristung nicht nur sinnvoll, sondern geradezu geboten ist. Nur durch diese Flexibilisierung können wir mehr Menschen erfolgreich in Arbeit bringen. Das muss letztlich unser aller vorrangiges Ziel sein.

Befristete Verträge haben hier eine wichtige Funktion und schaffen Anreize für Unternehmen, bei vorübergehend guter Auftragslage mehr Arbeitnehmer zu beschäftigen. Das schafft Jobs,

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Auftragslage schafft Jobs! Toll!)

die viele Firmen nicht vergeben würden, wenn es die Möglichkeit der Befristung nicht gäbe. Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer birgt dies zugleich die Chance, sich zu beweisen und nach guter verlässlicher Arbeit einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu erhalten.

Ja, es ist richtig: Wir müssen schauen, was im öffentlichen Dienst passiert. Frau Kollegin Kramme, wir beide kommen aus Bayern. Wir wissen: Das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz sieht vor, dass Eltern bei den Kindergärten immer nur jahresweise buchen können. Dass da unbefristete Arbeitsverhältnisse für den Träger schwierig sind, liegt in der Natur der Sache. Wir werden sehen müssen, dass wir für qualifizierte Jugenderzieherinnen in stärkerem Maße unbefristete Arbeitsverhältnisse hinbekommen und mit Springern bzw. mit anderen flexiblen Arbeitsverhältnissen trotzdem etwas mehr Flexibilität erreichen können.

Gerade in Zeiten, in denen es auf dem Arbeitsmarkt so gut geht wie jetzt, sollten wir diese Instrumente – ich habe es vorhin bereits ausgeführt – nicht verwerfen, sondern uns darauf besinnen, warum wir derzeit so wenig Arbeitslose haben.

Sicherlich stimme ich mit Ihnen überein, dass sich an der konkreten Ausgestaltung weiter feilen lässt, um Ungerechtigkeiten weitestgehend zu vermeiden und eventuellem Missbrauch wirksam entgegenzuwirken.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Unsere Lebensabschnittsgefährtin von der SPD hat bereits darauf hingewiesen, dass sie nicht locker lassen werden, dass sie aufpassen werden, dass wir die richtigen Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt machen. Aber ich warne davor, zum jetzigen Zeitpunkt das Kind mit dem Bade auszuschütten, übermütig zu werden und die sinnvollen rot-grünen Reformen der Agenda 2010 in Bausch und Bogen zu verdammen und über Bord zu werfen. Liebe Frau Müller-Gemmeke, ihr habt das damals richtig gemacht. Wir machen richtig weiter. Helfen Sie in der Legislaturperiode mit! Dann kriegen wir etwas Gescheites hin.

Herzlichen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/2904317
Wahlperiode 18
Sitzung 3
Tagesordnungspunkt Sachgrundlose Befristung in Arbeitsverträgen
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