28.11.2013 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 3 / Zusatzpunkt 3

Roderich KiesewetterCDU/CSU - Zukunft der Operation Active Endeavour

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Dr. Schmidt, ich glaube, einige Ihrer Fragen kann ich sogar so beantworten, dass Sie erstaunt und erfreut sein werden. Ich denke, dass wir noch genügend Zeit für eine ausreichende parlamentarische Befassung zu diesem Thema haben werden.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Was heißt denn das?)

Aber blicken wir kurz zurück: Es geht um das Mittelmeer. Wenn wir das Mittelmeer betrachten, so wissen wir, dass es eines der wichtigsten Transitrouten für den weltweiten Wirtschafts- und Handelsverkehr ist, dass es nicht nur aus handelspolitischer und wirtschaftspolitischer Bedeutung eine ganz entscheidende Region ist. Vielmehr geht es hier auch um den innereuropäischen und den transpazifischen Handel; es geht um den transatlantischen Handel.

Wir haben Anfang des letzten Jahrzehnts eine Entscheidung getroffen, den Terrorismus zu bekämpfen, seinerzeit in der Auffassung, hier Bündnisverteidigung leisten zu müssen, und haben Art. 5 des NATO-Vertrages als Begründung genommen.

Kollege Kiesewetter, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Gehrcke?

Ja, gerne, Herr Gehrcke. Wir haben ja Zeit.

Das hatten Sie ja bereits festgestellt, dass genügend Zeit zur Verfügung steht. – Könnten Sie Ihre Aussage etwas präzisieren? Dass noch genügend Zeit zur Verfügung steht, hat niemand bestritten – bis zum 31. Dezember. Kann ich Ihre Aussage so interpretieren, dass Sie als Teil der Mehrheitspartei der Koalition hier klarmachen: „Es wird einen Mandatsantrag der Bundesregierung geben, und er wird rechtzeitig dem Parlament vorgelegt“? Das heißt, noch im Dezember.

Ich will Ihnen ermöglichen, dass Sie sich wieder hinsetzen können. Ich werde im Laufe meiner Rede darauf eingehen. Sie bekommen eine Antwort.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Bestens!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Entscheidende ist, dass wir eine Weiterentwicklung dieser Operation erlebt haben. Diese Weiterentwicklung der Operation bedeutet: zusätzliche Lagebeurteilung, Kommunikation und Kooperation mit Mittelmeeranrainern. Deshalb ist unsere Bundesregierung seit einigen Jahren bemüht, in der NATO dafür zu werben, dass wir den Art.-5-Prozess überdenken.

Herr Kollege Gehrcke, Sie werden eine Antwort auf Ihre Frage bekommen, ich möchte aber zunächst auf den Antrag der Grünen eingehen.

Herr Schmidt, Sie haben mit Ihrem Antrag zwei zentrale Vorwürfe in den Raum gestellt, auf die ich eingehen möchte. Zum einen sprechen Sie davon, dass es zumindest 2012 keine Mehrheit für den Einsatz gab, und leiten daraus ab, dass das auch weiterhin so ist. Zum anderen äußern Sie den Vorwurf, dass die Bundesregierung oder die Mehrheitsfraktionen den Parlamentsvorbehalt umgehen möchten.

Zum ersten Punkt, zu den Mehrheiten, ist zu sagen, dass die parlamentarische Debatte 2012 durchaus anders verlaufen ist – Sie nicken –, als Sie es darstellen. Die Opposition, insbesondere SPD und Grüne, hat vor allem rechtliche Begründungen für das Abstimmungsverhalten vorgebracht. Sie haben sich nicht politisch gegen den Einsatz maritimer Streitkräfte im Mittelmeer im Rahmen der Operation Active Endeavour ausgesprochen. Sie haben die rechtliche Begründung abgelehnt. Mit der Feststellung des Bündnisfalls durch den Nordatlantikrat, damals im Sinne des Art. 5 NATO-Vertrag, war Deutschland im Rahmen der kollektiven Verteidigung aufgefordert, einen Beitrag zu leisten. Es gab auch entsprechende UNO-Resolutionen – die sind Ihnen bekannt – von 2001, nämlich die Resolutionen 1368 und 1373 des Weltsicherheitsrates.

Wir sind uns in Deutschland, glaube ich, mittlerweile einig, dass wir zu einer Weiterentwicklung über den Art. 5 NATO-Vertrag hinaus kommen müssen. Dafür setzen wir uns auch bei unseren NATO-Partnern ein. Denn wir sollten gerade den kooperativen Ansatz von Sicherheit ausdehnen, indem wir zum Beispiel verstärkt Anrainerstaaten wie Tunesien oder Algerien in diese Mission mit einbeziehen. Im Übrigen gibt es auch eine Parlamentarische Versammlung der Union für den Mittelmeerraum, wo wir solche Fragen diskutieren können.

Ich möchte gerade bei den jüngeren Kolleginnen und Kollegen, die erstmals hier im Bundestag sind, Werbung für diese Parlamentarische Versammlung machen, die unsere südliche Nachbarschaft intensiv einbezieht.

Die sicherheitspolitische Notwendigkeit des Einsatzes im Mittelmeer wird – das werden wir sehen – im Januar vielleicht weiterhin von einer breiten Mehrheit des Parlaments getragen. Ich kann das auch aus den Koalitionsgesprächen bestätigen. In unserer Arbeitsgruppe „Außen, Verteidigung und Entwicklung“ haben wir intensiv darüber gesprochen. Wir wollen eine parlamentarische Absicherung.

Aber ich möchte gerade deshalb auf Ihren zweiten, viel gewichtigeren Vorwurf eingehen: die mangelnde Parlamentsbeteiligung.

Wir haben im Koalitionsvertrag – die Mitglieder der SPD müssen ja noch zustimmen – eindeutig klargemacht, dass eine Einschränkung des Parlamentsvorbehalts bei Mandatsentscheidungen nicht infrage kommt. Wir werden bestimmte Fragen der Beteiligung in internationalen Stäben über ein Jahr hinweg in einer unabhängigen Kommission beraten und dann über die Ergebnisse diskutieren.

Die Einsätze der Bundeswehr werden aber auch künftig vom Parlament entschieden. Die parlamentarische Beteiligung ist, glaube ich, unbestritten, und wir werden auch künftig dieses bewährte Mittel fortsetzen. Das Verfahren zur künftigen Fortführung des OAE-Mandats, das Sie ja angemahnt haben, Herr Dr. Schmidt, lässt an dieser Grundhaltung keinen Zweifel. Ich möchte das gerne näher erläutern und komme damit auch auf Ihre Frage, Herr Gehrcke, zurück.

Die Beteiligung deutscher Streitkräfte an der Operation Active Endeavour wird in ihrer bisherigen Form am 31. Dezember enden und wird im Jahre 2014 in geänderter Form fortgesetzt. Wie sieht das im Einzelnen aus? Die künftige Beteiligung deutscher Streitkräfte wird sich nur noch auf den bündnisgemeinsamen Beitrag im Rahmen der schwimmenden Verbände der NATO, also im ständigen maritimen Einsatzverband und im Minenabwehrverband, und der fliegenden Verbände, bei AWACS, beschränken. Die bisherige Beteiligung im Rahmen des sogenannten Transits im Mittelmeer wird entfallen.

Was bedeutet das? Künftig werden deutsche Schiffe außerhalb der ständigen Verbände keine Aufgaben der Operation Active Endeavour mehr übernehmen. Bisher war es so, dass Schiffe, sobald sie ins Mittelmeer einfuhren, quasi die Flagge der OAE, der Operation Active Endeavour, gehisst haben und sich die deutschen Soldaten auf den deutschen Schiffen gewissermaßen den Mantel der Operation Active Endeavour angezogen haben.

(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Das hat Sinn gemacht!)

Diesen Mantel werden sie abstreifen; er wird bei Einfahrt künftig in der Kajüte bleiben. Früher wurde er erst bei Ausfahrt wieder abgelegt.

Generell ist also festzuhalten, dass es bei der deutschen Beteiligung an den ständigen Einsatzverbänden bleiben wird und wir in der NATO darauf hinwirken werden, dass die Operation modifiziert wird. Der Operationsplan und die damit verbundenen Einsatzregeln sehen keine Maßnahmen mit irgendwelchen Eingriffsbefugnissen vor. Das hat sich gegenüber den ersten Mandaten der Jahre von 2001 bis 2003 deutlich geändert. Es kommt hinzu, dass im Januar 2014, also im übernächsten Monat, keinerlei deutsche Einsätze bei NATO-integrierten maritimen und fliegenden Verbänden unter dem Mandat der OAE vorgesehen sind. Im Januar wird also kein deutsches Schiff an einem ständigen Einsatzverband der NATO teilnehmen.

Über die Notwendigkeit einer Parlamentsentscheidung kann deshalb nach dem Beschluss des Kabinetts im Januar entschieden werden. Also wird es im Januar nach einer Kabinettsentscheidung um die Frage gehen: Muss man das Parlament noch beteiligen oder nicht? – In jedem Falle hört es auf, dass sich deutsche Schiffe der Marine, wann immer sie das Mittelmeer befahren, den Mantel der Operation Active Endeavour überstreifen. Ich denke, liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, damit ist Ihr Antrag in weiten Teilen obsolet.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend drei Punkte zum Einsatz im Rahmen der Operation Active Endeavour ansprechen: zur Bedrohung, zu den Partnern und zur strategischen Bedeutung.

Zunächst zur Bedrohung. Ich glaube, es ist auch aus sicherheitspolitischen Gründen wichtig, dass es weiterhin eine internationale Präsenz der NATO im Mittelmeer gibt. Die Bedrohungen und Ereignisse sind bekannt: Es geht um den internationalen Terrorismus, um Fragen der Proliferation, um den Chemiewaffeneinsatz in Syrien; es gibt weitere negative Beispiele. Diese Bedrohungen und Ereignisse sind real.

Kollege Kiesewetter, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Keul?

Ja, gerne.

Herr Kollege Kiesewetter, es ist eine sehr interessante Wendung, die Sie hier in den letzten 24 Stunden vollzogen haben. Nur zum besseren Verständnis – damit wir wissen, was Sie uns gerade erklärt haben –: Was heißt das für den Operationsplan, der nach wie vor exekutive Bestandteile enthält? Wird der Operationsplan durch nationale Vorbehalte eingeschränkt, oder wird er gar nicht mehr Grundlage des Einsatzes der deutschen Streitkräfte sein?

Frau Keul, es gibt keinen Grund, den Operationsplan zu ändern, weil wir unseren Beitrag bisher im Rahmen einer NATO-Mission leisten.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber er enthält exekutive Bestandteile, die bislang dazu führten, dass Sie selbst es für mandatspflichtig erklärt haben!)

– Das ist richtig; das ändert sich auch nicht. Der Operationsplan ändert sich nicht dadurch, dass sich deutsche Schiffe nicht mehr als allein fahrende Schiffe an der Operation beteiligen; der Operationsplan bleibt unverändert. Es ist eine Frage der Kabinettsentscheidung, ob sich Deutschland weiter daran beteiligt. Diese Entscheidung fällt im Januar, und dann sehen wir weiter. – Vielen Dank, Frau Keul.

Viel wichtiger aber ist, dass der Einsatz im Rahmen der Operation Active Endeavour in den anderen NATO- Mitgliedstaaten unumstritten ist. Das heißt, es kommt darauf an, dass wir innerhalb der NATO für eine Fortentwicklung werben. Wir wollen verlässliche Partner innerhalb der NATO sein; das haben wir heute auch bei den Diskussionen über UNAMID und UNMISS gezeigt. Hier können wir uns entsprechend einbringen.

An das Thema Partner möchte ich anknüpfen. Deutschland kann aktuelle und auch künftige sicherheitspolitische Herausforderungen nur in enger Abstimmung mit den europäischen und transatlantischen Partnern meistern. Die Verlängerung der OAE ist bei uns in der Diskussion, bei unseren Partnern insgesamt aber unumstritten. Wir setzen auf Verlässlichkeit und Kontinuität und versuchen seit einigen Jahren, innerhalb der NATO dafür zu werben, den Anteil der Einsätze nach Art. 5 des NATO-Vertrages zu verändern. Wir werden sehen, was die nächsten Jahre bringen.

Letztlich aber – das ist mein abschließender Punkt – geht es natürlich auch um die strategische Bedeutung nicht nur der Operation Active Endeavour, sondern der Mittelmeerregion insgesamt. Die Operation Active Endeavour, die wir deutlich abgeschwächt haben und die ja wenig exekutive Anteile hat, ist ein Instrument zur Vertrauensbildung und zur Kooperation mit unseren Partnern geworden. Wir dürfen die Lage vor Ort nicht unterschätzen, auch mit Blick auf die Beteiligung der Staaten in der südlichen Nachbarschaft. Mit dem Schwerpunkt auf Aufklärung, Seeraumüberwachung und Lagefeststellung leistet die Operation Active Endeavour nun einmal einen wesentlichen Beitrag. Die Frage ist: Wie können wir das, was diese Operation leistet, in einer fortentwickelten Operation erhalten? Es ist der Kooperationsgedanke, der hier, wie ich glaube, ganz wesentlich ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam darüber nachdenken, wie man diese Operation weiterentwickeln kann. Ich denke, dass wir uns zumindest in den beiden möglicherweise bald regierenden Parteien einig sind, dass dies nur in ganz enger Abstimmung mit der NATO geschehen kann.

Lieber Herr Kollege Bartels, ich bin auf Ihren Beitrag gespannt. Ich weiß, wie sehr die SPD gerungen hat. Ich glaube aber, dass wir nun gemeinsam eine Lösung gefunden haben, mit der wir nicht nur gut leben können, sondern mit der wir auch in Brüssel unsere deutsche Position sehr gut vertreten und dafür werben können, dass die Operation Active Endeavour eine zunehmend kooperative Mission zur Beteiligung von Partnern in der südlichen Nachbarschaft wird.

Aus diesen sehr nachvollziehbaren Gründen werden wir den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen ablehnen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Wort hat der Kollege Dr. Hans-Peter Bartels für die SPD-Fraktion.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/2904325
Wahlperiode 18
Sitzung 3
Tagesordnungspunkt Zukunft der Operation Active Endeavour
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta