18.12.2013 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 5 / Tagesordnungspunkt 5

Roderich KiesewetterCDU/CSU - Regierungserklärung zum Europäischen Rat

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der bevorstehende Gipfel ist auch für die europäische Außen- und Sicherheitspolitik von großer Bedeutung. Stellen Sie sich vor: Erstmals seit 2008 beschäftigen wir uns wieder auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs mit europäischen außen- und sicherheitspolitischen Fragen. Es wäre ein hervorragendes Ergebnis dieses Gipfels, wenn der Europäische Rat bei all den Themen, mit denen sich die Staats- und Regierungschefs beschäftigen müssen, jährlich, wie der Kollege Hahn es eben ansprach, aber zumindest zweijährlich auch das Thema der Außen- und Sicherheitspolitik und der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik aufgreifen würde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte auf die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik eingehen und in einem weiteren Teil zwei Aspekte zu den Beitrittsverhandlungen nennen.

Ich glaube, wir alle sind uns einig, dass wir eine eigenständigere und glaubwürdigere europäische Außen- und Sicherheitspolitik brauchen. Aber wir wissen auch, dass die finanzpolitischen Spielräume dafür erheblich geschrumpft sind. Gerade deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine erheblich engere Zusammenarbeit erforderlich.

(Beifall des Abg. Thomas Stritzl [CDU/CSU])

Dazu brauchen wir politischen Willen.

Die engen Finanzspielräume: Das, was wir in der Wirtschafts- und Finanzpolitik erreicht haben, sollten wir auch auf die Außen- und Sicherheitspolitik übertragen. Warum? Wir haben 28 verschiedene Streitkräfteplanungsprozesse, wir haben 28 verschiedene zivile und militärische Konfliktbewältigungsstrategien, und wir haben 28 verschiedene nationale Interessen. Wie bringen wir das unter einen Hut? Jedenfalls so, wie wir es bisher erlebt haben, ist es auf Dauer nicht möglich. Es ist nicht bezahlbar und angesichts der Aufstellung der Europäischen Union im globalen Wettbewerb auch nicht sinnvoll.

Deshalb haben wir in unserem Koalitionsvertrag hier eindeutig Handlungsbedarf festgehalten. Unser neuer Bundesaußenminister wie auch unsere neue Bundesverteidigungsministerin haben bereits zum Amtsantritt betont, wie wichtig engere europäische Kooperation ist. Wir brauchen bessere Frühwarnsysteme, zivil wie militärisch. Wir brauchen verbesserte Reaktionsfähigkeiten, verstärkte strategische Transportmöglichkeiten, vor allen Dingen aber auch engere Vernetzung ziviler wie militärischer Instrumente. Dazu hat der Bundestag in der letzten Periode einiges an Vorleistungen erbracht. Wir brauchen weiter eine stärkere Kooperation in der Beschaffungsindustrie für die Sicherheit, aber auch für die Verteidigungssektoren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Heinz-Joachim Barchmann [SPD])

Meine sehr verehrten Damen und Herren, als Parlamentarier muss uns aber noch etwas anderes am Herzen liegen: Wir müssen erklären, wozu wir mehr Europa in der Außen- und Sicherheitspolitik brauchen. Notwendig ist bessere Kommunikation gegenüber der Bevölkerung, aber auch gegenüber unseren strategischen Partnern; denn wir müssen erklären: Was sind denn die Interessen und strategischen Ziele der Europäischen Union, welche Aufgaben wollen wir erfüllen und mit welchen zivilen und militärischen Instrumenten, und – die Kollegen Schockenhoff und Niels Annen haben es angesprochen – in welchen Regionen wollen wir aktiv sein? Dafür haben wir drei strategische Ansätze: die stärker vernetzte Sicherheit, die Anlehnungspartnerschaft, die im Koalitionsvertrag an prominenter Stelle genannt ist, und natürlich die Ertüchtigungsinitiative.

Erstens. Man kann viel über vernetzte Zusammenarbeit, vernetztes Handeln sprechen; man kann den Comprehensive Approach wie eine Monstranz vor sich hertragen; wir müssen ihn endlich in die Praxis umsetzen. In unserem Koalitionsvertrag ist sehr deutlich von der Stärkung einer ressortübergreifenden Zusammenarbeit die Rede. In der Außen- und Sicherheitspolitik müssen wir vernetzt denken und handeln. Es gilt, Krisenfrüherkennung, Krisenprävention, Ursachenbekämpfung und Konfliktbewältigung als integrale Bestandteile zivil und militärisch vernetzter Sicherheitspolitik mit konkreten Projekten umzusetzen.

Wir haben auch entsprechende Institutionen, die an prominenter Stelle aufgeführt sind. Ich nenne die Deutsche Stiftung Friedensforschung; ich nenne aber ganz besonders als Institution, die funktioniert und die ausbildet, die Bundesakademie für Sicherheitspolitik.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zweitens. Das strategische Konzept der Anlehnungspartnerschaft. Unsere Bundeskanzlerin hat dieses Konzept vor einem Jahr bei der Generalstagung in Strausberg an prominenter Stelle öffentlich erwähnt. Worum geht es da? Es geht schlichtweg darum, dass sich Gruppen europäischer Staaten in klar definierten Aufgabenfeldern enger zusammenschließen und ihre zivilen wie militärischen Krisenverhinderungsfähigkeiten aneinander anlehnen. Entscheidend ist dabei, dass alle Staaten gleichberechtigt sind – gleich wie groß sie sind, gleich wie lange sie schon in der Europäischen Union sind, gleich wie finanzstark sie sind.

Ein Anfang könnte sein, dass in diesen Staatengruppen eine Angleichung der Ausbildungs- und Beschaffungsprozesse erfolgt. Es könnten gemeinsame Projekte – das wurde vorhin schon von Florian Hahn angesprochen –, zum Beispiel zur Luftbetankung, durchgeführt werden. Es könnte außerdem – das ist das Wichtigste – ein gemeinsam abgestimmtes, verlässliches Vorgehen bei der Krisenbewältigung entwickelt werden.

Anlehnungspartnerschaft hilft auch bei den Sparanstrengungen in den entsprechenden Verteidigungshaushalten. Ich glaube, sie zeigt erstmals den Weg auf, der 2005 und 2009 in den Koalitionsverträgen nur erwähnt wurde. Die Vision einer europäischen Armee ist doch viel leichter zu erreichen und in der Praxis umzusetzen, wenn sich einzelne Staaten mit vergleichbaren Interessen zu Gruppen zusammenschließen und sich später eine europäische Armee aus den Kontingenten dieser einzelnen Staaten, die dann viel mehr Zusammenarbeit und Struktur geschaffen haben, zusammensetzt. Ich glaube, dieser Koalitionsvertrag kann europaweit ein Signal setzen.

Mein dritter Aspekt betrifft die Ertüchtigungsinitiative. Sie zielt darauf ab, Partnerländer und regionale Organisationen außerhalb der Europäischen Union zu stärken, indem wir Ausbildungsangebote leisten, Beratungsleistungen anbieten und natürlich durch die Zurverfügungstellung von Material unterstützen.

Im Übrigen hat sich Deutschland beim Europäischen Rat mit vielen Konzepten und Ideen eingebracht. Wenn dort bereits über unsere Ideen beraten wird, ist es viel einfacher, diese umzusetzen, als erst beim Gipfel eigene Ideen einzubringen. Deswegen danke ich allen, die bereits im Vorfeld intensiv daran mitgewirkt haben, unsere neue Bundesregierung und unsere Bundeskanzlerin gut aufzustellen, damit wir in Brüssel handlungsfähig sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Heinz-Joachim Barchmann [SPD])

Ich komme abschließend zur Beitrittsfrage betreffend Serbien und Albanien. Unser Bundestag hat am 27. Juni dieses Jahres eindeutige Bedingungen formuliert und gefordert, dass die vollständige und nachhaltige Umsetzung der Verpflichtung aus dem Implementierungsplan festzustellen ist. Ich halte fest: Diese Forderungen sind größtenteils umgesetzt. Man muss sich einmal vor Augen führen, was vor einem Jahr von Serbien geleistet wurde und was Serbien und Kosovo im vergangenen Jahr an Fortschritten erzielt haben. Ich glaube, da hat die aufmerksame Begleitung aus dem deutschen Parlament heraus geholfen. Das sollten wir fortsetzen.

Nicht erfüllt ist die Forderung nach einem Neuaufbau der Justizstrukturen im Nordkosovo. Allerdings haben wir mehr Transparenz bei der Bezahlung serbischer Einrichtungen im Kosovo. Wir haben mehr Transparenz beim Abbau der Parallelstrukturen. Wir haben endlich Klarheit, dass auch die kosovarische Polizei serbische Bewerber hat. Der Integrationswille wird also deutlich.

Wir sollten auf folgende drei Punkte achten:

Erstens. Es dürfen – im Gegensatz zum Fall Montenegro – keine andere Kapitel eröffnet werden als ausgemacht. Insbesondere betone ich, dass die Verhandlungen mit Kapitel 23 – die Grundrechte –, Kapitel 24 – die Justiz – und Kapitel 35 – die Beziehungen zum Kosovo – des Koalitionsvertrages beginnen sollten.

Zweitens. Die serbischen Gemeinden dürfen kein Staat im Staate Kosovo werden.

Drittens. Am Ende des Beitrittsprozesses muss eindeutig das Ziel einer rechtlich verbindlichen Vereinbarung, einer vollständigen Normalisierung der Lage und einer De-facto-Anerkennung durch Serbien für den Kosovo stehen.

Ich komme zu meinem letzten Punkt. Albanien hat berechtigte Hoffnungen, zum Juni nächsten Jahres den Kandidatenstatus zu erhalten. Wir in der CDU/CSU- Fraktion können uns sehr gut vorstellen, dass dies zum Juni nächsten Jahres erfolgt und die Beitrittsbemühungen dieses Landes im Vergleich zu anderen durchaus ehrgeiziger angegangen werden.

Meine Damen und Herren, unsere letzte Sitzungswoche fällt in eine bedeutende europäische Woche: Der Staats- und Regierungsgipfel findet statt. Das bedeutet, dass unser Bundestag Teil einer starken europäischen Gemeinschaft ist. Wir sollten die nächsten vier Jahre nutzen, um diese Gemeinschaft zu prägen, und zwar mit Transparenz, mit klaren Informationen an unsere Bevölkerung und mit der Bereitschaft, für eine stärkere zivil- militärische Vernetzung in der Außen- und Sicherheitspolitik aufgeschlossen zu sein.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Kollege Hellmich das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/2962095
Wahlperiode 18
Sitzung 5
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung zum Europäischen Rat
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