18.12.2013 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 5 / Tagesordnungspunkt 5

Gunther KrichbaumCDU/CSU - Regierungserklärung zum Europäischen Rat

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Brinkhaus hat gerade der Bundeskanzlerin und dem Bundesfinanzminister gratuliert und ihnen alles Gute gewünscht. Ich möchte von meiner Seite die guten Wünsche und Gratulationen an den neuen alten Bundesaußenminister, Herrn Steinmeier, nachholen. Wir freuen uns, wenn ich das so für die Europapolitiker sagen darf, auf eine gute und fruchtbare weitere Zusammenarbeit und wünschen alles Gute.

Viele Themen, die jetzt beim Europäischen Rat eine Rolle spielen werden, wurden schon angeschnitten, namentlich auch die Situation in Irland.

In der Tat – ich glaube, wir sagen das nicht zu häufig, sondern noch zu selten –: Die Rettungspolitik, die die Europäische Union und die Euro-Zone an den Tag gelegt haben, ist überaus erfolgreich. Das gilt insbesondere für die Arbeit, die Klaus Regling als Chef des ESM geleistet hat, indem er kompetent und im Stillen sehr vieles beeinflusst hat.

Die Bürger haben in den letzten Jahren zunehmend den Eindruck gewonnen, als müsse jedes Land noch irgendwie unter einen Rettungsschirm passen, bis man sich am Ende gemeinsam in einer Höhle befindet. Nein, es ist Licht am Ende dieses Tunnels. Dass Irland den Rettungsschirm als erstes Land verlassen kann, ist ein ermutigendes Signal für alle weiteren Länder; Portugal wurde schon erwähnt. Hier sind wir auf einem guten Weg.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Auf dem Europäischen Rat werden natürlich nicht nur Albanien und Serbien eine große Rolle spielen; hierzu hat Kollege Kiesewetter das Erforderliche gesagt. Nur ganz kurz: Ja, wir können es begrüßen, dass Albanien zum 1. Juli 2014 den Kandidatenstatus bekommen wird. Es werden damit aber noch keine Entscheidungen darüber getroffen – das muss man in der Öffentlichkeit immer wieder sagen –, wann Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden. Aber es gilt, auch dieses Land an die Standards der Europäischen Union heranzuführen.

Auch die Entscheidung, am 1. Januar 2014 mit Beitrittsverhandlungen mit Serbien zu beginnen, ist vertretbar. Wenn ich „vertretbar“ sage, dann deswegen, weil die dicken Brocken am Anfang der Verhandlungen weggeräumt werden müssen. Das betrifft die Kapitel 23 und 24, in denen es um die Bereiche „Justiz und Grundrechte“ sowie „Sicherheit, Freiheit und Recht“ geht, aber auch das Kapitel 35, das unter anderem die gutnachbarschaftlichen Beziehungen beinhaltet. Was die gutnachbarschaftlichen Beziehungen betrifft, müssen wir darauf achten, dass sich aus dem Abkommen, das jüngst zwischen Serbien und dem Kosovo unterzeichnet wurde, auch gute nachbarschaftliche Beziehungen entwickeln.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es reicht nicht aus, dieses Thema in ein einziges Kapitel zu packen und zu denken, damit sei alles erledigt. Nein, der Gedanke der gutnachbarschaftlichen Beziehungen muss sich vielmehr wie ein roter Faden durch die Beitrittsverhandlungen ziehen. Denn wenn ein Land Mitglied der Europäischen Union werden will, dann muss es grenzüberschreitend denken und auch grenzüberschreitend handeln. Auch hierzu eine persönliche Bemerkung meinerseits: Mir fehlt in der serbischen Politik bisweilen eine kritische Selbstreflexion im Hinblick auf die eigene Geschichte.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Erst wenn diese erfolgt, ist eine Gesellschaft für weitere Entwicklungen offen.

Die Östliche Partnerschaft, namentlich die Partnerschaft mit den sechs Ländern Aserbaidschan, Armenien, Weißrussland, Georgien, Moldau und Ukraine, wurde 2008 in dem Bewusstsein, aber auch mit dem Ziel initiiert, dass wir diese Länder gezielt an die Standards der Europäischen Union heranführen wollen, ohne allerdings eine Aussage darüber zu treffen, ob es ihnen eines Tages möglich sein wird, Mitglied der Europäischen Union zu werden.

Die Europäische Union hat ein großes Interesse daran, zu verhindern, dass es an ihren Außengrenzen ein großes Gefälle gibt, sei es ein Gefälle wirtschaftlicher Art, sei es eines im Bereich von Demokratie und Rechtsstaatswesen. Ein solches Gefälle würde automatisch zu Spannungen führen, und solche Spannungen sind nie zu unserem Vorteil. Das sehen wir gerade auch bei den Umbrüchen in den nordafrikanischen Ländern.

Wenn wir die Östliche Partnerschaft weiterhin ernst nehmen, dann müssen wir in diesem Bereich mehr tun. Die Östliche Partnerschaft ist, obwohl es ernsthafte Rückschläge gibt, nicht tot, wie manche vielleicht befürchten. Die Eurasische Zollunion wurde angesprochen, und auch die Situation in Russland wurde schon erwähnt; das muss ich an dieser Stelle nicht weiter vertiefen. Die betreffenden Länder haben allerdings unsere Rückendeckung verdient. Ich meine damit zum einen die Ukraine, zum anderen Moldau. Georgien ist auf einem durchaus respektablen Weg. Aber die Entwicklungen in anderen Ländern sind wohl eher ernüchternder Natur, als dass sie ermutigend wären.

Gleichwohl: Für Moldau wünsche ich mir persönlich mehr Aufmerksamkeit hier im Deutschen Bundestag. Dieses Land ist oft eher im toten Winkel der Europapolitik, als dass es im Zentrum stünde. Mit dem Transnistrien-Konflikt haben wir einen sogenannten Frozen Conflict mitten in Europa. Die russische Regierung hat abermals verkündet, dass moldauischer Wein – eines der Hauptexportgüter der Republik Moldau – den technischen Standards, die für den Export nach Russland gelten, nicht entspreche. Europa hat reagiert: Die Europäische Union hat die Bedingungen für den Import moldauischen Weins gelockert. Das ist wichtig; aber die moldauische Regierung braucht unsere Unterstützung. Iurie Leanca hat nach schwierigen Monaten in der Vergangenheit jetzt als Premierminister das Zepter in der Hand. Er geht entschlossen den Weg nach Europa und ist sich der Risiken – gerade des Risikos russischer Repressionen – voll bewusst.

Ein Wort auch noch zur Ukraine. Ich glaube, wir sollten die Ukraine, vor allem die Regierung der Ukraine, nicht nur in einer Opferrolle sehen; das würde der Regierung Janukowitsch, mit Verlaub, nicht gerecht. Ich habe in diesen Tagen öfters gelesen, die Ukraine-Politik der Europäischen Union sei gescheitert. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die Europapolitik der Regierung Janukowitsch ist gescheitert. Ein Beispiel aus jüngster Vergangenheit: Janukowitsch hat die Ausreise Julija Timoschenkos zunächst bejaht; anschließend hat er sie in der Rada, dem ukrainischen Parlament, jedoch wieder hintertrieben, sodass das Parlament sie eben nicht mehr gutgeheißen hat. Ich könnte viele andere Beispiele nennen. Die Ukraine muss sich entscheiden, welchen Weg sie gehen möchte. – Die Ukraine ist ein Land, das innerlich fast zerrissen ist zwischen dem östlichen Teil – der Region Donezk, dem ganzen Donbass-Becken –, in dem ausschließlich Russisch gesprochen wird, und dem westlichen Teil – um Lemberg und andere Städte herum –, wo Ukrainisch gesprochen wird und man sich schon seit vielen Jahren der Europäischen Union annähern möchte. Deswegen werden wir das beherzte weitere Vorgehen der Ukraine auf diesem Weg unterstützen. Aber es ist wichtig, darauf hinzuweisen: Ein Land, das sich der Europäischen Union annähern möchte, muss auch dazu bereit sein, die Standards der Europäischen Union und die Werte der Europäischen Union zu teilen – wie Frieden, wie Freiheit, wie Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Punkt ansprechen: Ich denke, es ist wichtig, dass wir – wir alle in unseren Fraktionen und Parteien – die Arbeit unserer eigenen Stiftungen, die mit ihren Rechtsstaatsprogrammen vor Ort eine hervorragende Arbeit machen, stärken.

Ich habe in diesen Tagen einer sozusagen Brandmail der Bundestagsverwaltung entnommen, dass sich noch zu wenige Kolleginnen und Kollegen bereit erklärt haben, IPSler – die Kollegen wissen, wovon ich rede – aufzunehmen. Ich glaube, es wäre an der Zeit, noch einmal zu überlegen, ob die Büros in dieser Zeit nicht noch den einen oder anderen Praktikanten, besonders aus diesen Ländern, aufnehmen können. Jeder von uns kann hier seinen persönlichen Beitrag leisten.

Herzlichen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/2962140
Wahlperiode 18
Sitzung 5
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung zum Europäischen Rat
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