19.12.2013 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 6 / Tagesordnungspunkt 14

Volker BeckDIE GRÜNEN - Eheschließung gleichgeschlechtlicher Personen

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin erstaunt, dass Herr Silberhorn so viel über die Befindlichkeit der in Lebenspartnerschaften Lebenden in diesem Land weiß.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Offensichtlich ist er der neue Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre auch mal was! – Gegenruf des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Glück nicht!)

Ich sage Ihnen: Die Lesben und Schwulen wollen in dieser Gesellschaft auf Augenhöhe mit den heterosexuellen Bürgerinnen und Bürgern leben, und sie wollen deshalb die Öffnung der Ehe; denn sie ist der Ausdruck der Gleichberechtigung und der Gleichheit vor dem Gesetz. Alles andere als Gleichberechtigung ist Diskriminierung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie kommen hier mit der Verfassung. Wie viele Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, angefangen von 2001 mit der Klage der Bayerischen Staatsregierung gegen das Lebenspartnerschaftsgesetz, haben Sie in dieser Frage denn schon verloren? Ihre Rechtsauffassung von der Ungleichheit der Homosexuellen wird von dem Bundesverfassungsgericht, das die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger schützt, eben nicht geteilt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich will Ihnen einmal etwas sagen: Traditionelles Eheverständnis war – es ist richtig – die lebenslange Verbindung von Mann und Frau in einer Ehe. Dieses traditionelle Rechtsverständnis wurde aber vom Bundesverfassungsgericht selbst infrage gestellt. Das Bundesverfassungsgericht hat die ersten gleichgeschlechtlichen Ehen mit seiner Entscheidung zum Transsexuellengesetz geschaffen und wir das Ganze – diese Entscheidung – nachvollzogen. Wir, der Gesetzgeber, hätten Transsexuellen nach der Geschlechtsumwandlung gemäß der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine Lebenspartnerschaft mit völlig gleichen Rechten und Pflichten wie in der Ehe anbieten können. Wir sind das nicht angegangen, und damit haben wir hingenommen, dass es in Deutschland erstmals mit allen Rechten versehene Ehen von Mann und Mann oder Frau und Frau im Sinne des Personenstandsrechtes gibt. Damit ist Ihre ganze verfassungsrechtliche Argumentation in sich zusammengefallen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Schauen wir uns an, was unsere Bevölkerung denkt: Über 60 Prozent der Bevölkerung sagen Ja zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Man spricht auch heute schon davon, dass ein gleichgeschlechtliches Paar, das zum Standesamt geht, heiratet. Die Bevölkerung vollzieht die bestehende Differenzierung, an der Sie sich seit Jahren festklammern und die Sie einbetonieren wollen, nicht nach.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Einbetonieren wird Ihnen aber am Ende des Tages nicht gelingen. Da bin ich mir sicher.

Schauen Sie sich die internationale Rechtsentwicklung an. Als 1993 das Verfassungsgericht die Verfassungsbeschwerden zur Aktion Standesamt abgelehnt hat, gab es weltweit noch keine Ehe von gleichgeschlechtlichen Paaren. Heute gibt es sie von Brasilien bis Norwegen und Schweden,

(Johannes Kahrs [SPD]: England!)

von Südafrika bis Dänemark. Überall gibt es Staaten, die die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet haben. In der Mehrheit der Staaten in Westeuropa gibt es die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, von Portugal bis zu den Niederlanden. Das zeigt doch: Die Rechtsentwicklung ist auf unserer Seite. Wir werden durch Ihre rechtliche Haltung näher an Länder wie Russland und die Ukraine gerückt als an Frankreich,

(Thomas Silberhorn [CDU/CSU]: Da kennen Sie die Lage in Frankreich aber nicht!)

Großbritannien, Spanien oder Portugal, die alle die Öffnung der Ehe beschlossen haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Sie behaupten hier so vollmundig, eigentlich sei ja schon fast alles gleichgestellt: In den letzten vier Jahren, seitdem Sie von der Union mit der FDP zusammen regiert haben, wurde aber auch nicht ein Jota zugunsten der Lebenspartnerschaft verändert, ohne dass es ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes gab.

Vielleicht meinen Sie, Sie hätten Ihre Arbeit getan – ich habe Herrn Kauder gerade versprochen, ihm nachher die entsprechende Liste zu geben –: Es gibt 27 Gesetze, in denen die eingetragene Lebenspartnerschaft anders behandelt wird als die Ehe. Das geht vom Bundeskindergeldgesetz über das Versammlungsrecht über das Sprengstoffgesetz über Approbationsordnungen für Ärzte bis hin zur Höfeordnung, einer Sonderrechtsregelung im Erbrecht. In einer Zeit von „Bauer sucht Mann“ ist es notwendig, dass das Erbrecht für Bauern in dem Maße angepasst wird, wie Sie die Ehen schützen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Das ist überfällig. Ich gebe Ihnen gern die Hausaufgaben mit.

Sie haben sich im Koalitionsvertrag etwas vorgenommen. Da steht, Herr Silberhorn:

Wenn Sie diese Beseitigung bei allen solchen Regelungen vornehmen würden, würde ich Ihnen schon konzedieren: Da machen Sie einen Fortschritt. Aber im nächsten Satz im Koalitionsvertrag wird der vorherige Satz gleich völlig aufgehoben:

Das ist aber freundlich, dass Sie ein Urteil des Verfassungsgerichtes, das unmittelbar Rechtskraft erlangt hat, auch tatsächlich umsetzen werden. Das ist dann Ihre gleichstellungspolitische Meisterleistung? Nein, das ist eben nicht die Beseitigung aller Benachteiligungen von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften. Wenn Sie diese Benachteiligungen beseitigen wollen, dann müssen Sie auch die gemeinsame Adoption für gleichgeschlechtliche Paare einführen; denn das Verfassungsgericht hat in seinem Urteil zur Sukzessivadoption unter Randziffer 104 festgestellt: Es gibt keine Rechtfertigung für eine unterschiedliche Behandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft bei der Adoption. –

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Schreiben Sie sich das hinter die Ohren, und setzen Sie das gemeinsam mit der SPD um!

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften mittels Gerichtsurteilen keine politische Option ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

– Jetzt erwarte ich Applaus von Ihnen; das ist aus Ihrem Wahlprogramm.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Sie haben versprochen, Sie würden die Ehe öffnen, Sie würden nicht auf das nächste Urteil zur Adoption warten, und Sie würden hier jetzt endlich klar Schiff machen. Das haben Sie im Koalitionsvertrag aber leider nicht durchgesetzt. Da haben Sie den Mund zu voll genommen.

Es gibt eine Mehrheit hier im Haus für die Öffnung der Ehe. Wenn Sie sich mit Ihrem Koalitionspartner an diesem Punkt nicht einigen können, dann geben Sie die Abstimmung frei,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

lassen Sie nicht nur eine Handvoll Abgeordnete dissentierend abstimmen, sondern realisieren Sie die Mehrheit in der Bevölkerung und die Mehrheit im Deutschen Bundestag für die Öffnung der Ehe! Das wäre der richtige und konsequente Weg. Die Union darf hier nicht immer die Sperrminorität haben. Gleichheit vor dem Gesetz – dazu gibt es keine Alternative. Das ist ein verfassungsrechtliches Gebot.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schließen Sie sich uns und den Linken in dieser Position an!

(Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Herr Petzold, Sie haben eine Frage?

Eigentlich, Herr Kollege Beck, haben Sie die Redezeit bereits gut ausgeschöpft. Aber wenn Sie noch eine Zwischenfrage annehmen wollen, dann gestatte ich die selbstverständlich. – Herr Kollege Petzold.

Nach der Jungfernrede kann man es ihm nicht abschlagen.

Vielen Dank, Herr Präsident, dass ich die Frage stellen darf. – Herr Kollege Beck, ich wollte Sie noch fragen, ob denn jetzt unter Schwarz-Grün in Hessen

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

mit einer Initiative aus diesem Bundesland zu rechnen ist, die uns hier vonseiten des Bundesrats noch Unterstützung zuteilwerden lassen wird.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich kenne den Koalitionsvertrag nicht. Ich habe allerdings gesehen, dass bei queer.de stand: Die Forderungen der Lesben- und Schwulenverbände in Hessen wurden von den Grünen im Koalitionsvertrag mit der CDU alle durchgesetzt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das nehme ich erst einmal wohlwollend zur Kenntnis. Ansonsten können Sie Priska Hinz, die verhandelt hat und da viel sachkundiger ist als ich, fragen, ob auch eine Bundesratsinitiative geplant ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Hessen so etwas am Ende nicht mittragen würde.

(Lachen des Abg. Burkhard Lischka [SPD])

Aber das müssen Sie die Hessen bei uns fragen. Ich war nicht dabei.

Noch eine Sache zu Ihrem Gesetzentwurf: Den fand ich total gut. Den kannte ich. Der war nämlich von mir. Den haben wir in der letzten Wahlperiode zweimal, einmal allein und einmal zusammen mit den Sozialdemokraten, eingebracht. Aber Sie hätten sich die Mühe machen können, die Sachen, die sich seither ergeben haben – wie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Einkommensteuer –, aufzunehmen, den Entwurf upzudaten

(Beifall des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

und zur Kenntnis zu nehmen, dass weitere fünf US-Bundesstaaten und Brasilien inzwischen die Ehe geöffnet haben. Das alles fehlt in Ihrer Begründung. Also: Wenn schon Copy-and-paste, dann immer noch mal kontrollieren, ob alles noch so ist, wie es der Autor geschrieben hat, von dem man abschreibt!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Burkhard Lischka [SPD]: Fußnote! Genau!)

Ich erteile jetzt das Wort als Nächstes dem Kollegen Johannes Kahrs, SPD.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/2964840
Wahlperiode 18
Sitzung 6
Tagesordnungspunkt Eheschließung gleichgeschlechtlicher Personen
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