Johannes KahrsSPD - Eheschließung gleichgeschlechtlicher Personen
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Vergangenheit habe ich hier immer die gleiche Rede halten dürfen – jahrein, jahraus.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt gibt es eine neue Rede!)
Jetzt habe ich ein kleines Problem, aber, ich glaube, das kriege ich hin.
Zum einen, zu der Linken: Man sollte schon einen eigenen Entwurf vorlegen. Der Kollege Beck hat es ja gesagt. Abschreiben ist wirklich keine Meisterleistung.
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Was gut ist, kann man auch übernehmen!)
In der Sache – das muss ich aber zugeben – ist der Entwurf gut; er ist ja auch mit von uns, und deswegen kann er nicht schlecht sein. Also, in der Sache ist der vorgelegte Entwurf richtig, wichtig und gut.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Dann können Sie ja zustimmen!)
– Wir stimmen heute nicht ab, Herr Kollege.
Zum anderen: Im Koalitionsvertrag steht auf Seite 105:
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
(Beifall bei der SPD)
Dann heißt es:
Dass dieser Satz da steht, liegt daran, dass es bei der CDU in der Vergangenheit mit der Umsetzung von Urteilen des Verfassungsgerichts schwierig war. Da wollten wir sichergehen.
(Beifall bei der SPD)
Wenn man das liest, stellt man fest, dass CDU/CSU und SPD sich einig sind, bestehende Diskriminierungen abzubauen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Jetzt diskutieren wir also mit den Kollegen von der Union die Frage: Was ist eine Diskriminierung? Der Kollege Silberhorn hat seine geschätzte Interpretation ja zum Besten gegeben.
Ich sehe das anders: Wenn man nicht gleichbehandelt, diskriminiert man. Das ist eigentlich eine ganz einfache Geschichte.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das betrifft die Bereiche Ehe, Adoption und – Art. 3 Grundgesetz – sexuelle Identität. Das sind die drei Punkte, mit denen wir uns beschäftigen müssen. Alles andere haben wir im Koalitionsvertrag geregelt.
Was die Ehe angeht, gibt es verschiedene Interpretationen, die man hier auch vortragen kann. Ich möchte aber anmerken, Herr Silberhorn, dass auch Koalitionsverträge nicht vor der Wirklichkeit schützen. Wir werden in den nächsten vier Jahren dieses Thema Diskriminierung auf die Tagesordnung setzen, weil im Koalitionsvertrag steht, dass bestehende Diskriminierungen abgebaut werden sollen. Das heißt, wir gehen erst einmal davon aus, dass wir in den nächsten Jahren alles das, was eine rechtliche Nichtgleichbehandlung von Lebenspartnerschaften darstellt, beseitigen werden.
(Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD])
Erst danach streiten wir uns um den Begriff der Ehe.
Herr Kauder, wir haben das hier ja häufiger diskutiert. Sie haben einmal gesagt, dass es keinen Koalitionsvertrag geben wird, der die Öffnung der Ehe enthält. Ich muss sagen: Sie haben sich durchgesetzt. Leider Gottes muss man bei Koalitionsverträgen Kompromisse machen. Dieser ist mir ganz besonders schwergefallen. Für mich als Sozialdemokrat ist das einer der Punkte, bei dem man sagen muss: Das ist schwierig. Das will ich nicht. Das mag ich nicht. – Aber man muss es in der Gesamtheit betrachten.
Deswegen möchte ich hier darauf hinweisen, dass wir als Sozialdemokraten der Meinung sind und uns auch dafür einsetzen werden, die eben angesprochenen Punkte – Art. 3, Ehe und Adoption – in dieser Legislaturperiode mit diesem, von uns neuerdings geschätzten Koalitionspartner umzusetzen.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Dazu wollen und werden wir vorschlagen, die Abstimmung zu diesem Punkt freizugeben, weil es eine Gewissensfrage ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn man die Abstimmung freigeben würde, würden auch Sie, Herr Kauder, und die Union merken, dass ein Großteil der Kollegen von CDU und CSU dem zustimmen würde. Denn es ist ja nicht so, dass das, was Sie hier vertreten, eine allgemeine Meinung innerhalb der Union ist. Zwar hat es dazu einen Beschluss auf dem Bundesparteitag der CDU gegeben, aber es gibt ja in Ihren Reihen ein Fähnlein Aufrechter.
Man muss sehen, dass das Leben sich weiterentwickelt. Das Problem, das wir immer wieder haben, ist, dass bei den Diskussionen hier im Deutschen Bundestag von einer Lebenswirklichkeit ausgegangen wird, die es im realen Leben nicht gibt. Bei den Menschen gibt es eine andere Empfindung. Da ist es so, dass Menschen heute diskriminiert werden. Da ist es so – das kann man vielleicht nachvollziehen –, dass sich im Arbeitsleben viele nicht outen, weil sie Nachteile befürchten. Da ist es so, dass viele, die lesbisch oder schwul sind, auf Schulhöfen ein Problem haben, sich zu outen, weil das eines der am häufigsten gebrauchten Schimpfwörter ist. Da ist es so, dass es in Familien Probleme beim Outing gibt.
Dass dann über die Fernseher auch noch vermittelt wird, dass die Bundeskanzlerin sich in den Reden im Wahlkampf hinstellt und sagt: „Die Gleichbehandlung von Lesben und Schwulen ist kein Anliegen. Wir werden die Öffnung der Ehe verhindern“, ist für junge Menschen natürlich eine Katastrophe, ist etwas, was nicht geht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir als Sozialdemokraten werden – ich mache das hier im Deutschen Bundestag seit 1998; wir haben hier alle Konstellationen erlebt – weiterhin für die Gleichstellung von Lesben und Schwulen kämpfen, weil Gleichstellung etwas damit zu tun hat, wie man mit Menschen in diesem Land umgeht und ob man sie achtet.
(Beifall des Abg. Burkhard Lischka [SPD])
Es genügt nicht, dass man respektiert, dass einige vielleicht ein bisschen anders sind, sondern es ist wichtig, dass man akzeptiert, dass sie so sind. Wer die gleichen Pflichten hat, der hat auch die gleichen Rechte zu haben.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich glaube, das ist einer der Punkte, für den wir als Sozialdemokraten in der 150-jährigen Geschichte unserer Partei immer gekämpft haben. Ich glaube auch, dass es stimmt, was der Kollege Petzold von der Linken am Anfang gesagt hat. Er hat ein Schild hochgehalten: Vollständige Gleichstellung gibt es nur mit der SPD. – Daran hat sich nichts geändert.
Glück auf!
(Beifall bei der SPD)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Elisabeth Winkelmeier-Becker, CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/2964865 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 6 |
Tagesordnungspunkt | Eheschließung gleichgeschlechtlicher Personen |