Lars KlingbeilSPD - NATO-Bündnisfall
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist sehr nett, dass ich mich in diese Auseinandersetzung zwischen Grünen und Linken einmischen und auch ein paar Dinge für uns erklären darf. Ich will mich ausdrücklich beim Kollegen Nouripour bedanken, der sich gerade sehr konstruktiv in die Diskussion eingebracht hat.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Der ist in einer Oppositionspartei, der Herr Nouripour!)
Ich glaube, das ist der Geist, den wir auch im Januar brauchen, wenn wir hier im Parlament über die Fortsetzung der Mission im Mittelmeerraum diskutieren werden.
Die Linke fordert in ihrem Antrag, den NATO-Bündnisfall zu beenden; die Bundesregierung soll bei der NATO dafür werben. Wenn das nicht erfolgreich ist, sollen wir den Bündnisfall einseitig als beendet erklären und umgehend jegliche deutsche Beteiligung an entsprechenden Einsätzen beenden. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, lassen Sie mich sagen: Ich verstehe die fachpolitische Motivation für den Antrag, den wir am heutigen Tag diskutieren, nicht. Das alte Mandat für die Operation Active Endeavour läuft aus; das haben wir hier vor wenigen Wochen in einer Debatte gemeinsam festgestellt. Wir waren uns einig, dass das Mandat in der bisherigen Form nicht aufrechterhalten werden soll. Im Januar wird das Kabinett über die Zukunft der Mission entscheiden, und dann werden wir uns als Parlament selbstverständlich wieder mit dieser Mission beschäftigen. Es stellt sich mir die Frage: Warum führen wir heute, im Dezember, diese Debatte, wo doch nichts vorliegt, wo die Diskussion läuft, wo wir erst seit zwei Tagen eine neue Regierung haben?
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht, weil bald Weihnachten ist!)
Für uns von der Sozialdemokratie war immer klar – das haben wir in den letzten Jahren deutlich gesagt –, dass zwölf Jahre nach 9/11 der Bündnisfall keine gerechtfertigte Rechtsgrundlage mehr für ein Mandat ist. Deswegen drängen wir auf Veränderungen. Das haben wir in den letzten Jahren immer wieder deutlich gesagt. Wir haben aber auch klargemacht, dass wir die Tätigkeit der Mission an sich, so wie sie seit Jahren praktiziert wird, also die Überwachung und Aufklärung im Mittelmeerraum, nicht ablehnen, sondern als sinnvoll empfinden; lediglich die Rechtsgrundlage ist für uns problematisch. Deswegen wird die neue Bundesregierung auf NATO-Ebene darauf drängen, dass es hier zu einer Änderung des Istzustandes kommt; das haben wir schon im November deutlich gesagt.
Ich will betonen, dass auch die alte Bundesregierung auf Veränderungen gedrängt hat. Gerade durch den Eintritt der Sozialdemokratie in die neue Bundesregierung wird dieses Drängen noch energischer werden. Geben Sie dem neuen Außenminister Steinmeier aber etwas Zeit; er ist erst seit zwei Tagen im Amt. Ich bin mir sicher, dass Punkt 1, den Sie in Ihrem Antrag aufgeführt haben, schon bald durch Regierungshandeln erledigt sein wird.
Sie fordern in Ihrem Antrag auch, notfalls Konsequenzen zu ziehen und den Bündnisfall einseitig zu beenden. Hier will ich Ihnen schon deutlich sagen – das hat der Kollege Nouripour bereits angesprochen –: Es hätte mit verantwortungsvoller Sicherheitspolitik nichts zu tun,
(Beifall bei der SPD)
wenn wir hier im Bundestag darauf drängen würden, einseitig Bündnisverpflichtungen aufzukündigen. Das, was Sie hier vertreten, führt zu einer Renationalisierung von Politik, was, wie ich finde, nicht mit dem Handeln des Bundestages in Übereinstimmung zu bringen ist. Ich halte nichts davon, zu einer Renationalisierung der Sicherheitspolitik zu kommen. Dies zeigt, dass Ihr Antrag unverantwortlich ist.
Herr Kollege Klingbeil, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Neu zu?
Sehr gern.
Herr Kollege Klingbeil, teilen Sie meine Einschätzung, dass das Parlamentsbeteiligungsgesetz bei einer Verlängerung des Mandats – wie auch immer die Mission künftig heißen wird – auf jeden Fall Anwendung finden muss, sofern der Bündnisfall aufrechterhalten wird?
Vielen Dank für die Frage. Sie können sich setzen; denn zu dem Thema komme ich noch. Im nächsten Absatz hätte ich etwas dazu gesagt.
(Zuruf von der LINKEN: Ich hätte die Zeit genutzt, Herr Klingbeil!)
– Ich habe sieben Minuten Redezeit und glaube, dass das Thema ziemlich klar ist. Insofern vielen Dank für die Frage; ich gehe gleich darauf ein.
Sie fordern in Ihrem Antrag weiter, dass jegliche deutsche Beteiligung an Einsätzen, die mit dem Bündnisfall begründet sind, beendet werden soll. Das einzige Mandat, das wir im Moment haben, ist das für die Operation Active Endeavour. Wir haben schon am 28. November über diese Frage diskutiert. Die Sachlage hat sich in den letzten Wochen nicht geändert; das Mandat läuft Ende des Jahres aus.
Jetzt kommt das, was Sie, Herr Dr. Neu, interessiert. Für uns, die SPD, ist völlig klar, dass wir uns im Parlament damit beschäftigen werden, wenn wieder bewaffnete Streitkräfte ins Ausland geschickt werden. Natürlich gibt es eine Parlamentsbeteiligung. Wir werden zu dieser Parlamentsbeteiligung stehen und sie einfordern. Aber lassen Sie uns doch erst einmal schauen, was für eine Debatte wir im Januar führen werden. Wir werden uns dann hier im Parlament wieder fachpolitisch damit auseinandersetzen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir müssen uns aber in der Tat überlegen, wie wir als Deutscher Bundestag damit umgehen, wenn der Bündnisfall auf NATO-Ebene bestehen bleibt. Ich will Ihnen die Punkte nennen, die für uns, für die SPD-Bundestagsfraktion, in der Diskussion wichtig sind:
Erstens. Wenn der Bündnisfall gemäß Art. 5 des NATO-Vertrages weiter gelten sollte, dann muss – das ist für uns klar – das nächste Mandat, mit dem wir uns hier beschäftigen, ein klar definiertes Übergangsmandat sein.
Zweitens. Wenn es zu einem solchen Übergangsmandat kommt, dann darf es nicht länger als bis Ende 2014 gehen. Danach muss dann die Rechtsgrundlage „Bündnisfall“ wegfallen; es muss also eine reine Aufklärungs- und Beobachtungsmission werden.
Drittens. Wenn es ein Übergangsmandat gibt, dann muss es klar auf die Aufklärung und Überwachung des Seeraums im Mittelmeer begrenzt sein. Die aktuell bestehenden exekutiven Befugnisse der Gewaltanwendung dürfen nicht mehr Teil eines solchen Mandates sein.
Viertens. Der Einsatz sollte in Zukunft nur im Rahmen der ständigen Einsatzverbände der NATO erfolgen. Das heißt, nationale Schiffe sollen sich nicht mehr einmelden müssen, wenn sie das Mittelmeer passieren. Diese Verpflichtung sollte auf die vorgesehenen ständigen Einsatzverbände der NATO beschränkt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden im Januar diese Debatte führen. Wir als SPD-Bundestagsfraktion haben eine klare Vorstellung, was wir im Zuge dieser Diskussion erreichen wollen. Wir freuen uns darauf.
Den heute vorliegenden Antrag der Linken lehnen wir ab. Ich habe gerade begründet, warum das so ist.
Ich möchte die letzte Minute meiner Redezeit nutzen, um mich bei denen zu bedanken, die von uns ins Ausland geschickt wurden, bei den Soldatinnen und Soldaten und den Zivilbeschäftigten. Es gibt viele zivile Helfer, die im Ausland helfen, weil wir als Parlament sie geschickt haben bzw. sie gebeten haben, zu helfen. Ihnen allen und uns allen frohe Weihnachten!
Im Januar wird diese Diskussion weitergeführt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Herzlichen Dank, Herr Kollege Klingbeil. – Als abschließender Redner in dieser Debatte spricht der Kollege Dr. Reinhard Brandl, CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/2965010 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 6 |
Tagesordnungspunkt | NATO-Bündnisfall |