Armin SchusterCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu den No-Spy-Verhandlungen
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es wäre jetzt nicht besonders originell, wenn ich gerade hier im Parlament sagen würde: Mir fehlen die Worte.
(Heiterkeit)
Aber dieses „Ich bin sprachlos“ beschreibt vielleicht ein wenig das Gefühl mancher Landsleute von uns angesichts dessen, was wir in dieser Geschichte erleben.
Wir sprechen von einer tiefen deutsch-amerikanischen Freundschaft. Ich finde gut, Herr Klingbeil, was Sie gesagt haben: Diese Freundschaft verlangt auch nach kraftvollen Worten, wo es notwendig ist.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach Taten verlangen sie, Herr Schuster, nach Taten!)
Der Vertrauensbruch ist erheblich, und unter Freunden schafft man so etwas eigentlich schnell und konsequent aus der Welt.
Symbolische Gesten reichen uns nicht aus. Das ist, glaube ich, das, was man im Moment anbietet. Es stellt sich nämlich die ernsthafte Frage, wenn wir es bei Symbolik belassen würden, wie wir uns künftig vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Partnern in einem Bündnis vorzustellen haben. Wie wir Deutsche uns das seit Jahrzehnten vorstellen, kann ich ganz leicht beschreiben, etwa beim Thema Spionage: In Pullach und Köln sucht man vergeblich nach Referaten, Abteilungen oder Operationen gegen unsere Freunde.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Das ist das, wie Deutschland sich Auslandsaufklärung und Spionageabwehr vorstellt – unter Freunden ein No-go. So verstehen wir es, und so halten wir es auch für richtig.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir verhandeln so lange wie möglich und so intensiv wie möglich um dieses Abkommen, weil es uns etwas wert ist.
(Jan Korte [DIE LINKE]: Alles klar!)
Leider ist dieser Wert den Amerikanern noch nicht ganz klar; da haben wir noch nachzulegen. Ein Weiter-so kann es für uns nicht geben. Das ist ganz einfach: Die Bundesregierung und das Parlament haben die Pflicht, unsere Bürgerinnen und Bürger zu schützen und auf die Einhaltung unserer Gesetze zu achten. Insofern ist es auch nur folgerichtig, dass die Bundesanwaltschaft prüft, ob sie ein Ermittlungsverfahren einleitet.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie ist schon längst zu einem Ergebnis gekommen!)
Deutsches Recht auf deutschem Boden – da gibt es keinen Ermessensspielraum. Das muss in einem Abkommen deutlich werden. Da setze ich nicht auf amerikanische Geheimdienstchefs. Es gibt nämlich noch mehr Chefs als Keith Alexander,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: 16 Dienste!)
und die sind noch schwieriger. Ich setze – das sage ich ganz offen – auf Obama und Kerry. Ich glaube, dass die amerikanische Präsidentschaft unsere Chance ist, und ich vertraue einmal darauf, dass das, was Obama am Freitag vortragen wird, uns einen großen Schritt weiterbringt.
Bei der bekannt gewordenen Intensität der NSA- Datensammlungen haben die – das kann man sagen – den lohnenden Punkt an Sicherheitsgewinn längst überschritten. Wer in die Vergangenheit von Nachrichtendiensten guckt, weiß eigentlich, dass ein unbegrenztes „Nice to have“ noch nie einen Dienst effektiver gemacht hat.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
All unseren Partnern muss klar sein, was hier auf dem Spiel steht: Schaffen wir kein „No spy“, spioniert jeder gegen jeden und ermitteln wir künftig strafrechtlich gegen alle.
Meine Damen und Herren, dieses Szenario wollen wir verhindern und damit gleichzeitig die Zukunft des Internets schützen. Ich zitiere ungern Sascha Lobo, aber mit seinem Gedanken von gestern – ich meine, ihn verstanden zu haben –
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Das ist schon was!)
hat er recht. Wir – das ist jetzt kein direktes Zitat – gefährden das Internet und seine Zukunft, wenn wir dieses Problems nicht Herr werden. Das ist für uns – das sage ich noch einmal in Richtung der Amerikaner – der große Wert dieses Abkommens: erstens Freiheit im Internet und zweitens Sicherheit, aber bitte unter Freunden auch auf die richtige Art und Weise.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Herr Korte, Sie haben, glaube ich, gegenüber der Presse gesagt, die Regierung stehe nackt da. Gerade eben haben Sie, Herr von Notz, gesagt, die Regierung stehe blank da. Alles Quatsch! Wir stehen allenfalls alleine da.
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch kein Widerspruch: nackt und allein!)
Es wäre sehr schön, Herr Ströbele, bei aller Wertschätzung für Ihre Person, wenn Sie den Kollegen aus Österreich, aus Island oder woher auch immer die Adresse unserer Regierung durchgeben würden. Wir würden uns freuen, wenn weitere im Gleichschritt mit uns marschieren würden und verhandeln. Das möchte ich auch als Grußadresse an die Europäische Union schicken. Ich glaube, dass wir nur so eine starke Verhandlungsposition einnehmen können.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)
Bitte nicht drohen und blockieren! Das ist verhandlungstaktisch wirklich Unsinn.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind total konstruktiv, Herr Schuster! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen uns beteiligen!)
Die Europäische Union hat sehr wertvolle Verhandlungsoptionen; diese sollte man geschickt nutzen. Aber dafür, meine Damen und Herren, müssten wir erst einmal mit den Engländern klarkommen. Oder ist der GCHQ etwa auf einem anderen Weg als die NSA?
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, überhaupt nicht! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)
Ich glaube nicht, dass das der Fall ist. Das heißt, wir, die Parlamente wie die Regierungen, haben die Aufgabe, überhaupt erst einmal in Europa festzustellen, was denn Privatsphäre heißt, was denn Spionage unter Freunden heißt etc. Das ist für uns der aus meiner Sicht wichtigste Ansatzpunkt. Das würde auch Druck auf die USA erzeugen. Wir haben sie ja immerhin öffentlich in der Defensive; und dabei soll es auch bleiben. Ich bin dem Staatssekretär sehr dankbar, dass er das deutlich gemacht hat.
Meine Damen und Herren, das No-Spy-Abkommen, wenn wir es denn hätten, reicht nicht.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das ist wahr!)
Denn das Vorgehen der USA stellt ja nur die Spitze des Eisbergs dar. Wir diskutieren hier überhaupt nicht darüber, was die Chinesen können. Wir diskutieren nicht darüber, was die Russen können und was sie tun. Machen wir uns also bitte nichts vor.
(Michael Brand [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Worum geht es? Wir müssen unsere Nachrichtendienste stärken und dürfen sie nicht abschaffen, Herr Korte und meine Damen und Herren von der gesamten Linksfraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Diese Meinung ist ja geradezu grotesk. Wir müssen vielmehr dafür sorgen, dass wir unsere Bürger schützen.
(Jan Korte [DIE LINKE]: Mit den Geheimdiensten?)
Das heißt, nicht über unsere Dienste herziehen, sondern sie stark machen. Das BSI stark machen, das ist die kommende Pflicht.
Noch einmal: Ich bin nicht für jeder gegen jeden. Aber wenn die USA uns keine andere Chance ließen, wäre das dummerweise der Worst Case. Dann müssten wir unsere Dienste noch einmal ganz anders betrachten. Das möchte ich nicht. Wir glauben, unter Freunden leben wir sicher. So wie es jetzt ist, so soll es bleiben. Deswegegen bitte mit größter Hartnäckigkeit und Ausdauer dieses Abkommen verhandeln!
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3044081 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 7 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu den No-Spy-Verhandlungen |