Michael KretschmerCDU/CSU - Pisa-Studie 2012
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ergebnisse der PISA-Studie 2012 stimmen hoffnungsfroh. Wer gestern bei der Übergabe der Präsidentschaft der Kultusministerkonferenz dabei war, dem wird eines in Erinnerung bleiben, nämlich die Beschreibung des Generalsekretärs der Kultusministerkonferenz, dass es in den vergangenen zehn Jahren immer wieder so war, dass viele deutsche Bildungspolitiker nach Skandinavien gependelt sind, um zu erfahren, warum diese Länder in den PISA-Studien erfolgreich waren.
Seit einiger Zeit pilgert man in die andere Richtung, nämlich aus Schweden und anderen skandinavischen Ländern nach Deutschland mit der Frage: Wie ist es möglich, dass ihr in so kurzer Zeit so sehr aufholt, so weit nach vorn kommt? Was ist das Erfolgsrezept der deutschen Bildungspolitik? Das ist etwas, das beachtlich ist. Es zeigt: Wenn man sich auf das Wesentliche konzentriert, Bildungspolitik nicht hinter ideologischen Scheuklappen betreibt, sondern als Wissenschaft – was Bildung ja auch ist –, kann man große Erfolge erzielen.
Meine Damen und Herren, bei Mathematik sind wir in der Spitzengruppe; das Leseverständnis hat deutlich zugenommen. Das sind natürlich ganz wesentliche Voraussetzungen für eine gute Zukunft in unserem Land. Genauso positiv ist, dass der Zusammenhang von Bildungserfolg und sozialer Herkunft deutlich abgenommen hat. Ich finde, es ist jetzt an der Zeit, auch von dieser Stelle immer wieder die Erwartung an die junge Generation, an die Kinder, an die Jugendlichen, an die Eltern zu formulieren, sich anzustrengen. Bildung ohne eigene Anstrengung funktioniert nicht. Das muss auch eine Erwartungshaltung der Gesellschaft an die junge Generation sein.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karamba Diaby [SPD])
Zu keiner Zeit hatten junge Menschen in der Bundesrepublik Deutschland so große Chancen, so viele Möglichkeiten. Es liegt im Wesentlichen an ihnen selbst, ob sie diese ergreifen und realisieren oder nicht. Bildungspolitik eben nicht hinter ideologischen Scheuklappen zu betreiben, sondern pragmatisch und an der Sache orientiert, das ist der Grund dafür, warum wir so deutlich nach vorn gekommen sind. Frühkindliche Bildung hatte schon in den vergangenen Jahren ganz klar Priorität, und sie wird auch in der Zukunft Priorität haben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Man muss natürlich kritisch hinterfragen, ob es richtig ist, die Priorität in diesem Bereich auf kostenfreie Kinderbetreuung im dritten Kindergartenjahr oder noch früher zu legen, oder ob es sinnvoller ist, in die Qualität von Kindergärten zu investieren. Letzteres ist der richtige Weg; das sollte Priorität in den deutschen Bundesländern haben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Daniela De Ridder [SPD]: Beides!)
Ein großes Thema, das vor uns liegt, ist das Thema Inklusion. Auch hier wird sich sehr deutlich zeigen, wer das Thema ernst nimmt, wer in diesen Bereich investiert und welche Bundesländer sich damit zufriedengeben, Inklusion als Ziel ihrer Bildungspolitik zu definieren, statt die notwendigen Voraussetzungen zur Umsetzung dieses Ziels zu schaffen.
Inklusive Bildung benötigt nicht weniger Ressourcen, sondern mindestens die gleichen, wenn nicht sogar mehr, aller Voraussicht nach aber andere Voraussetzungen. Deswegen hat die frühere Bundesregierung ebenso wie diese Koalition gesagt: Wir wollen eine eigene „Exzellenzinitiative Lehrerbildung“ auf den Weg bringen, deren Schwerpunkt darauf liegt, Lehrerinnen und Lehrer zu befähigen, auch mit dieser neuen Herausforderung der Inklusion umzugehen. Unsere Erwartung an die deutschen Bundesländer muss sein, die Lehrerinnen und Lehrer bei der großen Aufgabe „inklusive Bildung“ nicht alleinzulassen, sondern die Voraussetzungen für ihre Bewältigung zu schaffen und mit einem vernünftigen Augenmaß dieses wichtige Anliegen zu betreiben.
(Beifall der Abg. Anette Hübinger [CDU/ CSU])
Wir werden an dieser Stelle in wenigen Jahren darüber diskutieren, wo das gelungen ist und wo nicht. Es kann nicht sein, dass die deutschen Bundesländer, die sich jetzt einen schlanken Fuß machen und nicht die Voraussetzungen dafür schaffen, in einigen Jahren den Bund auffordern, mehr Geld für Schulsozialarbeit, Schulpsychologen oder Ähnliches bereitzustellen. Nein, Bildung ist eine Länderaufgabe. Gerade beim Thema Inklusion wird sich zeigen, wer das ernst nimmt und wer nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der LINKEN: Das müssen die jetzt schon tun! Völlig falscher Ansatz!)
Wir haben trotz des Kooperationsverbots und allem anderen in den vergangenen acht Jahren so viel Geld in die Bildung investiert wie zu keiner anderen Zeit in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Wir haben die deutschen Bundesländer bei ihren Bildungsanstrengungen in einem Maße unterstützt, wie es zu keiner anderen Zeit stattgefunden hat. Insofern ist das Gerede über das Kooperationsverbot wieder nur eine ideologische Scheuklappe. Wir haben das Mögliche getan, und wir werden das auch in der Zukunft tun. Die Zahlen sind ganz eindeutig. Wir werden diesen Weg auch in Zukunft fortsetzen.
Ein großer Schwerpunkt in den kommenden Jahren wird die Berufsorientierung sein. Es geht darum, jungen Leuten die Begeisterung für Mathematik, Naturwissenschaften und Technik zu vermitteln und ihnen die Chance zu geben, in diesem Bereich, der für die deutsche Volkswirtschaft, für unser Gemeinwesen, für unseren Wohlstand auch in den kommenden Jahrzehnten so wichtig sein wird, einen Beruf zu ergreifen. Das setzt aber voraus, dass man in Gesamtdeutschland, von St. Wendel im Saarland bis Seifhennersdorf bei mir im Wahlkreis, auch tatsächlich einen vernünftigen Unterricht in Mathematik, Naturwissenschaften und Technik im Lehrplan verankert. Das ist auch wieder eine Aufgabe der Bundesländer, die gar nicht mit mehr Geld zu tun hat, sondern mit einem Verständnis davon, was notwendig ist.
Jugendliche, die in der elften oder zwölften Klasse keinen oder einen Physik- oder Mathematikunterricht von minderer Qualität hatten, werden nie Ingenieure werden. Deswegen müssen wir in diesen Bereich investieren, und wir müssen dies auch von den deutschen Bundesländern fordern.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir haben in der Vergangenheit mit dem „Haus der kleinen Forscher“ eine großartige Initiative gestartet und werden sie auch in der Zukunft fortsetzen. Derzeit gibt es in der Bundesrepublik Deutschland 26 000 Krippen, Kitas und Horte und 230 lokale Netzwerke, die sich darum bemühen, jungen Leuten die Begeisterung für Mathematik, Naturwissenschaften und Technik zu vermitteln. An vielen Stellen gibt es großartige Initiativen. Wettbewerbe wie „Jugend forscht“ wollen wir fortsetzen. Die Erfolge sind sichtbar, gerade bei den jungen Frauen, bei den Mädchen. Der Anteil derer, die ein naturwissenschaftliches Studium aufnehmen, ist kontinuierlich von 35 Prozent im Jahr 2000 auf 41 Prozent im Jahr 2010 gestiegen. Es geht also in die richtige Richtung. Machen wir weiter.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht in die falsche Richtung! 14 Prozent weniger sind kein Erfolg!)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Daniela De Ridder für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3044953 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 8 |
Tagesordnungspunkt | Pisa-Studie 2012 |