Anita SchäferCDU/CSU - Jahresbericht 2012 des Wehrbeauftragten
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Wehrbeauftragter, namens meiner Fraktion möchte ich Ihnen und Ihren Mitarbeitern noch einmal ganz herzlich für die Arbeit an dem Jahresbericht 2012, den wir heute behandeln, danken. Wir schließen die Befassung noch ab, bevor der aktuelle Bericht in der übernächsten Woche vorgestellt wird. Angesichts der Bedeutung hoffe ich, dass wir es in dieser Wahlperiode schaffen, die künftigen Jahresberichte zügig zu behandeln.
Die vorherige Bundesregierung hat die größten Veränderungen seit Bestehen der Bundeswehr vorgenommen. Das war auch eine Reaktion darauf, dass die Truppe noch nie so großen Herausforderungen wie in den Einsätzen des letzten Jahrzehnts – nicht nur in Afghanistan, sondern auch in vielen weiteren, die wir hier im Deutschen Bundestag als deutschen Beitrag zur Konfliktregulierung im Rahmen der internationalen Gemeinschaft beschlossen haben – gegenübergestanden hat.
Mit der Strukturreform haben wir endlich eine grundlegende, tragfähige Antwort auf den Wandel der sicherheitspolitischen Aufgaben gefunden. Die Veränderungen haben allerdings auch Belastungen für die Soldatinnen und Soldaten mit sich gebracht. Deren Unsicherheit über die eigene Zukunft, die bei großen Reformvorhaben leider häufig auftritt, hat sich nicht zuletzt in den letzten Jahresberichten des Wehrbeauftragten niedergeschlagen und wird sich wohl auch im kommenden Jahresbericht wiederfinden. Keine Bundesregierung zuvor hat allerdings auch so schnell so viele Verbesserungen für die Truppe vorgenommen, von der Ausrüstung über die Versorgung einsatzgeschädigter Soldaten bis hin zur Vereinbarkeit von Familie und Dienst. Dafür möchte ich bei dieser Gelegenheit dem bisherigen Verteidigungsminister Thomas de Maizière und dem ausgeschiedenen Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung ganz herzlich danken.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die neue Bundesregierung wird hier mit Kraft und Engagement weitermachen müssen, und ich bin sicher, dass sie das auch tun wird. Der Koalitionsvertrag steht da für Kontinuität, was gerade hinsichtlich der Planbarkeit für die Soldatinnen und Soldaten wichtig ist. Ich begrüße ganz besonders das Bekenntnis der Koalitionspartner zur Verankerung der Bundeswehr und den Rückhalt in der Gesellschaft, wie sich das beispielsweise in der Unterstützung der Arbeit der Jugendoffiziere ausdrückt, für die ich mich selbst schon lange einsetze. Ich halte es für selbstverständlich, dass die Jugendoffiziere auch weiterhin einen Beitrag zur sicherheitspolitischen Bildung an Schulen und Universitäten leisten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die Bundeswehr ist kein Fremdkörper, vor dem man junge Menschen schützen muss, sondern eine Organisation mit Verfassungsrang in unserem demokratischen System. Sie ist gerade kein Staat im Staate, sondern besteht aus Staatsbürgern in Uniform.
Zur Verankerung der Bundeswehr in der Gesellschaft gehört aber auch die Festlegung auf eine fortgesetzte Präsenz in der Fläche, verbunden mit der Beibehaltung der Truppenstärke von 185 000 Mann. Das ist wichtig für die Attraktivität des Dienstes, zu der nicht zuletzt die Sicherheit von Standorten gehört, damit Soldaten heimatnah eingesetzt werden und ihre Familien ihr Leben planbar organisieren können. Zu Recht hat das Thema Attraktivität einen eigenen Unterabschnitt im Koalitionsvertrag erhalten.
Liebe Frau Ministerin von der Leyen, in Ihrem neuen Amt werden Sie sich sehr rasch mit dieser wie auch mit anderen Dauerbaustellen befassen müssen. Dabei baue ich auf die Fachkompetenz, die Sie aus Ihren vorherigen Ämtern mitbringen, gerade im Hinblick auf die zahlreichen sozialen Aspekte der Attraktivität des Dienstes. Es geht darum, die Sicherstellung der Einsatzbereitschaft mit der Vereinbarkeit von Familie und Dienst unter einen Hut zu bringen.
Die vorherige Bundesregierung hat mit dem Attraktivitätsprogramm einen guten Anfang gemacht; das muss nun konsequent weitergeführt werden. Zu den bereits eingeleiteten Maßnahmen gehören die Möglichkeit von Teilzeitbeschäftigung und Telearbeit, die Ausweitung der Familienbetreuung auf den Inlandsdienst der Streitkräfte und die Schaffung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten an den Standorten, entweder in Kooperation mit den Kommunen oder, wenn nötig, auch in eigener Verantwortung.
Frau Ministerin, Sie haben am Wochenende bereits einen begrüßenswerten Schwerpunkt auf diesen Bereich gelegt und dabei viele Punkte erwähnt, die an dieser Stelle immer wieder angesprochen worden sind. Ich habe es bereits in meiner ersten Rede zum aktuellen Jahresbericht gesagt: Wir werden den Widerspruch zwischen einem normalen Familienleben und den besonderen Anforderungen des Soldatenbetriebs niemals vollständig lösen können. Die militärische Auftragserfüllung steht auch in Zukunft an erster Stelle.
Wenn wir die Bundeswehr in der Fläche und in der Gesellschaft präsent halten wollen, dürfen wir sie nicht auf wenige Großstandorte konzentrieren, was zumindest die Zahl der Versetzungen reduzieren würde. Ich bin aber außerordentlich dankbar, Frau Ministerin, dass sie mit unbefangenem Blick das System der automatischen Versetzung in seiner bisherigen Form infrage gestellt haben. Da haben Sie uns von der Arbeitsgruppe Verteidigung der Unionsfraktion voll auf Ihrer Seite. Dieses Problem haben wir schon vor drei Jahren in unserer Unterarbeitsgruppe zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr erörtert. In einem Antragsentwurf haben wir den Vorschlag gemacht, dass Soldaten im Regelfall ihre gesamte Dienstzeit, mit Ausnahme von Aus- und Fortbildungskommandierungen sowie Einsätzen, an einem Standort verbringen können, sofern sie auf eine Beförderungsmöglichkeit verzichten, die eine Versetzung erforderlich machen würde.
Ich würde mich freuen, wenn noch weitere Ideen aufgegriffen würden, die während der damaligen intensiven Befassung entstanden sind. Zu nennen ist etwa das Pilotprojekt „Zu Hause in der Bundeswehr“, welches neben attraktiven Wohnmöglichkeiten für die ganze Familie ein umfassendes Familienbetreuungsprogramm nebst Kindertageseinrichtungen bieten würde.
Meine Damen und Herren, ein besonders wesentlicher Punkt, der sich regelmäßig in den Berichten des Wehrbeauftragten wiederfindet, ist die Planbarkeit von Auslandseinsätzen. Unsere Soldaten wissen um die Risiken und Belastungen, die damit verbunden sind, und sie stellen sich darauf ein, wenn bei einem Einsatz alles vorher klar ist, auch wenn der vorgesehene Zyklus von Stand- und Ruhezeiten nicht immer eingehalten wird, weil der Bedarf an besonderen Fähigkeiten es erfordert. Viel belastender ist es, erst kurzfristig von einem Einsatz zu erfahren, weil sich irgendwo eine Lücke aufgetan hat. Über die Feiertage habe ich wieder von dem einen oder anderen Fall erfahren müssen. Wenn wir es schaffen würden, die Eventualitäten lang dauernder Einsätze weitgehend mit vorausschauender Personalplanung abzudecken, wäre nach meiner Ansicht schon viel gewonnen. Dazu zählt übrigens auch die Besetzung von Leerstellen im Inlandsdienst, die durch Auslandseinsatz, aber auch familienbedingte Abwesenheit entstehen, um Mehrbelastungen des übrigen Personals zu vermeiden, gerade in Truppengattungen mit regelmäßigen Aufgaben im Inland wie im Sanitätsdienst und bei den Feldjägern. Auch dazu liegen Vorschläge auf dem Tisch, einschließlich des Vorschlags einer effektiveren Heranziehung der Reservisten.
Darüber hinaus gibt es weitere Punkte, die im weitesten Sinne zur Attraktivität des Dienstes gehören. So wollen wir die Nachversicherung für ausgeschiedene Zeitsoldaten neu regeln und endlich die Hinzuverdienstgrenze bei Anschlusstätigkeiten von Versorgungsempfängern aufheben.
Meine Damen und Herren, Attraktivität und Vereinbarkeit von Familie und Dienst sind wichtig für die Zukunft der Bundeswehr, aber kein Selbstzweck. Auftrag der Bundeswehr ist die Gewährleistung der Sicherheit unseres Landes im Bündnis. Die Sicherheit der Kinderbetreuung für Soldatenfamilien ist nur ein Beitrag, um die Auftragserfüllung durch motivierte Soldaten zu gewährleisten.
Auch bei anderen Aspekten muss in dieser Wahlperiode dringend ein tragfähiges Ergebnis erreicht werden. Wir haben im Koalitionsvertrag unter anderem vereinbart, die politischen, ethischen und juristischen Fragen um die Beschaffung und den Einsatz bewaffneter Drohnen zu klären. Diese Debatte muss dann aber auch zu einer klaren Entscheidung führen. Eine der ethischen Fragen ist zum Beispiel: Dürfen wir unseren Soldaten das Mehr an Sicherheit vorenthalten, das diese Systeme bedeuten können? Das wird eine notwendigerweise kontroverse, sicherlich auch emotionale Debatte werden. Aber wir dürfen uns nicht davor drücken, erst recht nicht vor den Antworten, die am Ende stehen können. Egal ob Attraktivität oder Ausrüstung: Ein Mehr wird auch mehr Geld kosten.
(Beifall des Abg. Bernd Siebert [CDU/CSU])
Wie wir alle wissen, werden die entscheidenden Schlachten letztlich bei den Haushaltsverhandlungen geschlagen. Frau Ministerin, ich wünsche Ihnen für die Bewältigung der mit Ihrem neuen Amt verbundenen Aufgabe viel Kraft. Wir im Verteidigungsausschuss – das kann ich sagen – werden Sie dabei bestmöglich unterstützen. Unser gemeinsames Interesse muss das Wohl unserer Soldatinnen und Soldaten sein, und dafür – da bin ich sicher – werden wir uns in den nächsten vier Jahren auch gemeinsam engagieren.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank, liebe Kollegin Schäfer. – Nächste Rednerin für Bündnis 90 ist Doris Wagner.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3046754 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 8 |
Tagesordnungspunkt | Jahresbericht 2012 des Wehrbeauftragten |