16.01.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 8 / Tagesordnungspunkt 5

Bernhard KasterCDU/CSU - Karenzzeit für ausscheidende Regierungsmitglieder

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal, Frau Kollegin Haßelmann: Wir müssen dieses Thema hier gar nicht in einer solchen Aufregung diskutieren. Es betrifft alle.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

Die Aufregung steht letztendlich auch im Widerspruch zu Ihrem Antrag.

Meine Damen und Herren, Politik und Wirtschaft, Wirtschaft und Politik brauchen eher mehr Austausch als weniger.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich denke, darüber besteht hier im Hause auch breiter Konsens, jedenfalls bei allen, die ein normales Verhältnis zur Wirtschaft und ein gesundes Politikverständnis haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Die anderen sind also unnormal und ungesund! Gute Worte!)

Punkt zwei. Bei einem Thema – es geht um die Mitglieder der Bundesregierung –, das alle Parteien betrifft, betroffen hat oder betreffen kann, können wir aufgeregte Forderungen nicht brauchen. CDU, CSU und SPD haben hierzu im Koalitionsvertrag sehr klug formuliert, dass wir für ausscheidende Mitglieder der Bundesregierung eine angemessene Regelung brauchen, die den Anschein von Interessenkollisionen vermeiden hilft,

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Was ist das?)

eine Handhabung mit Vernunft und Augenmaß. Für uns wäre eine Praxis wünschenswert, die in das Verhältnis von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft ein Stück Normalität bringt,

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na dann mal los!)

eine Normalität, der das Politikverständnis zugrunde liegt, dass die Bereitschaft zur Übernahme eines politischen Amtes, ob als Staatssekretär oder Minister, immer befristet ist, immer auf Zeit angelegt ist. Im Regelfall bedeutet politische Tätigkeit – das ist bei uns als Abgeordneten genauso – immer eine Unterbrechung der eigenen Berufs- und Lebensbiografie, um für die Politik zur Verfügung zu stehen. Im Normalfall gibt es in der Politik immer ein Davor und eben häufig auch ein Danach. Die Fallgestaltungen, meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sind immer unterschiedlich.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Leben ist bunt!)

Ich will jetzt nicht Äpfel mit Birnen vergleichen; dennoch müssen wir sehen, dass hier Differenzierungen notwendig sind. Sinnvoll wäre schlicht eine Handhabung, die dem Ansehen der Politik in der Öffentlichkeit, aber auch der Lebenswirklichkeit und einer Normalität im Verhältnis zwischen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft gerecht wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir können dieses Thema ja diskutieren; aber ein solches Thema im Wettstreit, ob ein Jahr, zwei Jahre, drei Jahre – es fehlt nur noch der Begriff „auf Bewährung“ –, zu diskutieren, damit tun wir uns bei dieser Debatte auch keinen Gefallen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir sollten in öffentlichen Debatten daher darauf achten, nicht zu schnell mit unterstellten Interessenkollisionen zu argumentieren. Es ist zwischenzeitlich zur Mode geworden, den Begriff „Lobbyismus“ aber auch in jedem Zusammenhang als Kampfbegriff zu benutzen. Dabei sitzen in diesem Hause im Prinzip über 600 Lobbyisten, Lobbyisten für ihren jeweiligen Wahlkreis, für die Menschen in ihrer Heimat, für die Arbeitsplätze dort, für die Wirtschaftsbranchen, für die Arbeitnehmer- und Sozialinteressen. Das ist schlicht Politik, und das ist die Aufgabe von Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Am 4. Januar erschien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Kommentar, in dem es hieß, dass „stillschweigend zwischen guten und schlechten Interessen“ unterschieden werde und für die „guten“ Interessen zwischenzeitlich der Begriff der „Nichtregierungsorganisationen“ erfunden worden sei. Ich fand diesen Beitrag nachdenkenswert. Warum sage ich das? Weil die Opposition in ihren Anträgen Bezug nimmt auf, ich sage einmal: Antilobby-Lobbyverbände oder -organisationen. Ich sage einfach einmal: Sie wissen es als Fraktionen eigentlich besser. Deswegen ist es auch nicht notwendig, sich da mit teilweise unrealistischen, praxisfremden Forderungen auf die Bäume jagen zu lassen. Sie selbst wissen es in der Praxis viel besser.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen einen Austausch, einen Austausch zwischen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft – und umgekehrt. Dabei muss es gelingen – das ist richtig –, Interessenkollisionen oder den Anschein von Interessenkollisionen zu vermeiden. Die Berufsfreiheit nach Art. 12 Grundgesetz gilt auch für Politiker. Dabei gibt es zahlreiche Fallgestaltungen. Wir sprechen hier fast ausschließlich vom Wechsel aus der Politik in Unternehmen: große Unternehmen, börsennotierte Unternehmen, private Unternehmen oder staatseigene Unternehmen. Aber auch andere Fälle sind denkbar. Was ist beispielsweise mit dem Gewerkschaftsvorsitzenden, der Arbeitsminister oder Staatssekretär wird und anschließend das Angebot bekommt, in seiner Gewerkschaft wieder an höchster Stelle einzusteigen? Was ist beispielsweise mit dem Anwalt aus einer großen Anwaltspraxis, der nach Beendigung seines politischen Amtes wieder in seine Kanzlei einsteigen will und große Unternehmen, Institutionen aus dem Sozialbereich oder was auch immer berät? Ich will damit nur zeigen, dass das Spektrum schon ein relativ großes ist.

Es gibt darüber hinaus Wechsel, die wir politisch begrüßen, weil sie unserem Land nützlich sind.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was denn zum Beispiel?)

Man könnte viele Fälle aufzeigen. Es handelt sich um Wechsel in Institutionen der unterschiedlichsten Art. Ich will nur die Spannbreite zeigen, über die wir hier sprechen.

Lassen Sie mich deswegen abschließend sagen: Wir dürfen einen Wechsel nicht so erschweren, dass er in der Lebenswirklichkeit sowie in der wirtschaftlichen und politischen Praxis im Grunde fast gar nicht mehr möglich ist. Das tut auch der Politik nicht gut. Wir wollen nicht, dass eine Entscheidung für die Politik immer eine Entscheidung zum lebenslangen Berufspolitiker ist. Das kann es nicht sein.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das liegt auch nicht in unserem Interesse. Deswegen wird die Bundesregierung eine angemessene und handhabbare Lösung zu diesem Thema finden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Danke, Herr Kollege Kaster. – Als Nächste spricht zu uns Halina Wawzyniak für die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3046814
Wahlperiode 18
Sitzung 8
Tagesordnungspunkt Karenzzeit für ausscheidende Regierungsmitglieder
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