16.01.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 8 / Tagesordnungspunkt 5

Hans-Peter UhlCDU/CSU - Karenzzeit für ausscheidende Regierungsmitglieder

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Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr von Notz, ich möchte Ihnen zunächst einmal empfehlen, ein Interview im Deutschlandfunk zu ebendiesem Thema und zur Causa Pofalla nachzulesen, gegeben von einer gewissen Autorität im deutschen Parlamentarismus, nämlich Heiner Geißler. Lesen Sie es einmal durch!

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe es sogar gehört!)

Dann erkennen Sie, dass Sie mit Ihrer Rede das Thema völlig verfehlt haben. Sie wollen eine gesetzliche Regelung, fordern sie mit Inbrunst, unternehmen aber nicht den Hauch eines gedanklichen Ansatzes für den Wortlaut einer solchen gesetzlichen Regelung; denn Sie wissen, dass ein solcher Sachverhalt per Gesetz nicht regelbar ist.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist nicht einfach, aber ich habe Vertrauen in Sie!)

Das heißt nicht, dass wir an dieser Stelle kein Problem haben können. Es ist durchaus denkbar, dass Missbrauch möglich ist und dass wir diesem Missbrauch vorbeugen müssen. Aber einer gesetzlichen Regelung ist dieser Sachverhalt kaum zugänglich.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Kühne These!)

Warum? Sie sagen anlässlich des ins Gespräch gebrachten Wechsels von Kanzleramtsminister Pofalla zur Bahn, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität staatlichen Handelns sei in Gefahr. Kein Gesetz schützt einen Politiker, der einen solchen oder einen anderen Wechsel vorhat, vor Verleumdung,

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh Gott! Nicht auf dieser Ebene! Nicht auf diesem Niveau!)

Neiddebatten und verwirrten Geistern, die alles durcheinanderbringen.

(Beifall bei der CDU/CSU) – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: KV Kleve! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Verwirrte Irrlichter!)

Der Wechsel von einem Regierungsamt in ein Amt bei der Bahn ist ein Wechsel vom Bund zum Bund. Das ist überhaupt kein Wechsel. Man setzt sich in der Regierung für die Allgemeinheit ein, man setzt sich bei der Bahn für die Allgemeinheit ein, in einem speziellen Fall.

(Widerspruch bei der LINKEN)

Der Unterschied ist ein anderer. Das verstehen Sie von der Linken nicht. Da geht es um privatwirtschaftliche Strukturen. Das ist auch der Grund, warum die Linke eine grenzenlose Karenzzeit fordert.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Sie haben es nicht gelesen!)

Die Linken laufen nämlich nicht Gefahr, irgendwann von irgendeinem Wirtschaftsunternehmen übernommen zu werden. Mit einem linken Vorstandsmitglied kann man ein Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht allenfalls möglichst zügig in den Konkurs führen, man kann aber nicht kreativ tätig sein.

Erlauben Sie eine Frage vom Kollegen von Notz?

Nein, ich gehe gleich auf den Kollegen von Notz ein. Dann kann er seine Fragen sammeln, Frau Präsidentin.

Also keine Frage, gut.

Ich möchte Sie von den Grünen ermahnen,

(Lachen des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

sich die Fälle auch in Ihrer Partei noch einmal vor Augen zu führen.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind selbstkritisch, Herr Uhl!)

Da gab es diesen bereits zitierten Parlamentarischen Staatssekretär Berninger, der unter anderem für gesunde Ernährung zuständig war. Er wechselte unmittelbar in den Vorstand des Nahrungsmittelkonzerns Mars.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat von Notz doch angesprochen!)

Ich stelle anheim, ob wir das unter „gesunde Ernährung“ subsumieren sollten.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat damit nichts zu tun! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist das jetzt von Pofalla und von Klaeden?)

Ich habe hier eine Liste von allen grünen Politikern, die ich aber nicht alle der Reihe nach aufzählen will.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Ihre Art, Politik zu machen!)

Wir hätten noch unseren Freund Rezzo Schlauch, seinerzeit eine Frohnatur im Deutschen Bundestag, der dann bei EnBW für sein persönliches Fortkommen gesorgt hat.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sorgen Sie für Klarheit, und machen Sie eine Regelung!)

Ich meine, wir sollten in aller Ruhe die Fälle auseinanderhalten

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Mit „e“ oder mit „ä“?)

und keinesfalls eine Neiddebatte führen,

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat niemand gemacht!)

von wegen „Es müssten hochdotierte Anschlussverwendungen verhindert werden“ – das ist eine Forderung, die ich bei Ihnen nachgelesen habe.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Haben Sie überhaupt die Anträge gelesen, Herr Uhl?)

Es gibt Fälle, da wechselt ein Politiker in eine Nichtregierungsorganisation. Ist das schlimm?

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Uhl, wir reden von Regierungsmitgliedern!)

Es gibt Fälle, da wechselt ein Politiker in eine Gewerkschaft oder kommt von derselben. Ihre Posten sind zum Teil hochdotiert, und diese Personen haben viele Aufsichtsratsmandate. Ist das schlimm? Es gibt Fälle, da wechselt ein Politiker in die Spitze der Caritas oder des Roten Kreuzes. Soll man hier mit Karenzzeiten arbeiten? Natürlich hat die Caritas neben dem gemeinnützigen Tätigkeitsfeld auch ein Tätigkeitsfeld mit Gewinnerzielungsabsicht,

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Darum geht es doch nicht!)

und der Politiker setzt seine Arbeit in einem Dienstwagen mit Chauffeur fort wie zuvor als Minister. Ist das schlimm?

Herr Kollege Uhl, erlauben Sie eine Zwischenfrage – diesmal nicht von Herrn von Notz, sondern von Frau Haßelmann?

Ja, gut.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, dass Sie die Frage gestatten. Das geht im Übrigen nicht von Ihrer Redezeit ab. Das sage ich für die Kolleginnen und Kollegen, die neu sind. Daher wundert es mich immer, wenn man keine Fragen zulässt.

Ich möchte Sie zu Folgendem fragen: Sie haben eben gesagt, es gebe einen Wechsel vom Bund zum Bund. Deshalb sei das Ganze gar kein Problem. Sie wissen aber schon, dass uns im Parlament und insbesondere den Mitgliedern des Verkehrsausschusses sämtliche Auskunftsrechte, was die Deutsche Bahn AG angeht, verweigert werden, und zwar mit dem Hinweis darauf, dass die Bahn ein Konzernunternehmen, also ein ganz eigenständiges Unternehmen ist. Damit ist das kein Wechsel von der einen Seite der Regierungsbank auf die andere. Vom Bund zum Bund würde bedeuten, dass wir hier alle in einem Haus sind.

Die Regeln für die Deutsche Bahn AG sind vollkommen klar. Die Deutsche Bahn AG ist ein Konzern, und wir als Deutscher Bundestag haben nicht einmal ausreichende Kontrollrechte, Eingriffsrechte und Informationsrechte. Das alles haben wir sogar rechtlich prüfen lassen. Deshalb stimmt doch Ihre Analyse an diesem Punkt nicht. Dazu möchte ich gerne von Ihnen eine Aussage haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nähern Sie sich doch einmal dem Art. 87 e mit seinen fünf Absätzen in der Verfassung. Ich gebe zu, dass es ein komplexes Rechtsverhältnis ist, das zwischen der Bahn, Bereich Schiene, und der Bahn, Bereich Verkehr, besteht. In Abs. 3 steht, dass das Ganze privatwirtschaftlich organisiert wird, in Abs. 4 ist aber die Gemeinwohlabsicht dokumentiert. Das heißt, auch die privatwirtschaftlich organisierte Bahn darf sich nicht am Gemeinwohl vorbei entwickeln. Da ist es Ihre Aufgabe, im Verkehrsausschuss dafür zu sorgen, dass eine solche Fehlentwicklung verhindert wird.

Deswegen habe ich Ihrem Kollegen von Notz empfohlen, das Interview mit Herrn Geißler zu lesen;

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe es gehört!)

denn darin arbeitet er genau den Punkt heraus, der Ihnen am Herzen liegt. In diesem Interview wird der Vorgänger von Herrn Grube von Herrn Geißler gerügt, weil er das Allgemeinwohl der Deutschen, die mit der Bahn befördert werden wollen, aus dem Auge verloren habe und aus der Deutschen Bahn einen internationalen Logistikkonzern habe machen wollen. Das können Sie verhindern, wenn Sie im Verkehrsausschuss aufpassen, unter Bezug auf Art. 87 e Abs. 4 Grundgesetz.

Ich gebe aber zu – ich gebe Ihnen recht –: Das Rechtsverhältnis ist kompliziert. Aber es muss möglich sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Grünen sagen, dass eine möglichst lange Karenzzeit das Problem löst.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen wir nicht! Nicht eine möglichst lange!)

– Nicht, gut. Dann werden Sie sich dazu ja noch äußern können.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie unseren Antrag!)

Wir haben gemeinsam – anscheinend auch die Grünen – das Ziel, dass ein Wechsel von der Wirtschaft in die Politik und umgekehrt möglich sein soll. Wenn Sie aber eine Karenzzeit durchsetzen – und zwar per Gesetz geregelt, abstrakt, generell; ohne vorher zu definieren, wo die Ausnahmen sein sollen; dazu habe ich von Ihnen überhaupt nichts gehört –, dann kommen wir in eine Situation, wo es einen Wechsel faktisch nicht mehr geben wird.

Stellen Sie sich den Manager eines großen Konzerns vor, der von der Bundesregierung gebeten wird, für vielleicht vier Jahre ein Ministeramt zu übernehmen. Und jetzt soll ein Gesetz auf den Weg gebracht werden, in dem steht: Wenn die vier Jahre Ministerzeit vorbei sind, entscheidet über die Frage, ob dieser Manager in sein altes Unternehmen zurückkehren oder in ein anderes Unternehmen gehen kann, eine Ethikkommission. Sie soll darüber entscheiden, ob er seinen Beruf fortsetzen kann. Dieser Manager sagt: Ihr spinnt ja wohl. Ich mache für einen Bruchteil meines bisherigen Gehaltes für vier Jahre Dienst an der Allgemeinheit, weil ihr das so wünscht; ich bin bereit dazu – in Amerika gibt es ja die One Dollar Men –; aber nach vier Jahren bin ich nicht mehr Herr meines Berufslebens, sondern dann entscheidet eine Ethikkommission, die das Parlament einberufen hat. – Meine Damen und Herren, das ist doch grober Unfug.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das muten Sie auch Beamten zu!)

– Nein.

Ich möchte, dass wir mehr Wechsel haben. Es wird doch immer wieder gerügt, dass dieses Parlament falsch zusammengesetzt sei. Da ist doch etwas dran. Es wird gerügt, dass zu viele Beamte, zu viele Juristen, zu wenig Sachverstand aus der Wirtschaft in diesem Parlament vertreten sind.

(Beifall des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deswegen sollten wir darauf Wert legen, dass dieses Ziel nicht aus dem Auge verloren wird.

(Beifall der Abg. Gisela Manderla [CDU/ CSU])

Also werden wir versuchen, der Koalitionsvereinbarung gemäß eine Regelung zu finden, die keine gesetzliche Regelung, keine starre Regelung sein wird, die aber Missbrauch verhindern sollte,

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Na, dann können Sie unserem Antrag ja auch zustimmen!)

die soziale Kontrolle ausübt, mehr appellierenden Charakter hat, die aber die Vielfalt der Fälle im Auge hat und nicht starr und damit falsch regelt.

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Dr. Uhl. – Es gab gerade körpersprachlichen Protest von den Juristen hier im Haus, als Sie von mangelndem Sachverstand gesprochen haben.

(Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Ich bin doch selber Jurist!)

– Ich gebe ja nur wieder, was ich hier gesehen habe. – Vielen Dank für Ihre Rede.

Die nächste Rednerin ist Kollegin Sabine Leidig für die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3046854
Wahlperiode 18
Sitzung 8
Tagesordnungspunkt Karenzzeit für ausscheidende Regierungsmitglieder
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