16.01.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 8 / Tagesordnungspunkt 5

Helmut BrandtCDU/CSU - Karenzzeit für ausscheidende Regierungsmitglieder

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Hier ist heute sehr viel – das ist der Ausgangspunkt der Debatte – über den Kollegen Ronald Pofalla gesprochen worden. Auch ich möchte das tun, Herr von Notz. Der Kreisverband Kleve fürchtet zu Recht, dass er einen erwiesenermaßen guten Abgeordneten verlieren könnte, wenn Herr Pofalla tatsächlich in die Privatwirtschaft wechselt. Auch ich persönlich tue das. Ich habe den Kollegen als jemanden kennengelernt – vom ersten Tag meines Abgeordnetendaseins an –, zu dem ich immer gehen konnte, der mich angehört hat, der mir Ratschläge gegeben hat. Das hat sich auch nicht geändert, als er als Staatsminister ins Kanzleramt gegangen ist. Man muss eine solche Persönlichkeit doch auch einmal positiv erwähnen dürfen, statt sie nur als negativen Ausgangspunkt für eine solche Debatte zu wählen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Frau Haßelmann, Sie melden sich hier ja dauernd zu Wort. Sie haben mit Ihrer Rede den Ausgangspunkt dafür gesetzt, auf frühere Zeiten zurückzublicken. Wenn man Ihre Rede verfolgt hat, konnte man den Eindruck gewinnen, dass die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland erst 2005 begonnen hat. Das ist aber nicht richtig. Wir hatten vor 2005 eine mehrjährige rot-grüne Mehrheit in diesem Hause, und ich habe nicht feststellen können, dass Sie sich in dieser Zeit dadurch ausgezeichnet hätten, die Anträge einzubringen, die Sie heute vorlegen. Das mag Gründe gehabt haben, die ich nicht kenne. Aber es wirft doch ein bezeichnendes Licht auf die Qualität dieser Debatte. Auf ausgeschiedene Regierungsmitglieder aus den eigenen Reihen lenkt man den Blick nicht, auf andere umso mehr.

Insofern, Herr von Notz, habe ich auch eine ganz andere Wahrnehmung als Sie, wenn es darum geht, wann und von wem solche Debatten losgetreten werden. Ich habe eher den Eindruck, dass eine solche Debatte immer dann, wenn einmal Unionspolitiker von einem Regierungsamt in die Wirtschaft wechseln, hochgezogen wird. Ich will deshalb auch weder auf Herrn Fischer noch auf Herrn Berninger eingehen; das haben die Redner vor mir schon hinreichend getan.

Aber eins ist mir wichtig – und das ist in der heutigen Debatte zum Glück auch von mehreren Kollegen angesprochen worden; ich danke insofern Herrn Kollegen Özdemir, aber auch Herrn Kaster und Herrn Uhl –: den Blick darauf zu werfen, dass es bei der Debatte und bei der Lösung des Problems – es ist sicherlich ein Problem – nicht nur darum geht, ob jemand aus der Regierung in die Wirtschaft wechselt, sondern auch um den Fall, dass jemand – ein Beispiel ist eben erwähnt worden; das hat es in unserer Geschichte schon gegeben – aus der Wirtschaft in ein Regierungsamt berufen wird. Soll man dann diesem Mann oder dieser Frau dann die Perspektive zumuten, nach wie viel Jahren auch immer beim Arbeitsamt vorstellig werden zu müssen, weil er oder sie keine Möglichkeit hat, in die Wirtschaft zurückzuwechseln, weil es eine wie auch immer geartete Karenzzeit gibt? Das ist nach meiner Auffassung, wenn man das Problem einmal vom Ende her betrachtet, ein Punkt, über den wir dringend reden müssen.

Genauso müssen wir über die Frage – die auch schon angeklungen ist – sprechen, ob es einen Unterschied macht, ob jemand wie Herr Ernst, ehemaliger Parteivorsitzender der Linken, früher bei der Gewerkschaft tätig war oder ob jemand aus einem anderen Berufsverband kommt. Man kann nicht so handeln, dass dieser Umstand in einem Fall vernachlässigt wird und in einem anderen Fall skandalisiert wird.

Wir in Deutschland haben dahin gehend bislang keine Regelung; das ist zutreffend und ist hier bereits gesagt worden. Deshalb hat man sich im Rahmen der Koalitionsverhandlungen auch damit beschäftigt. Es wäre sehr schwierig, es gesetzlich so zu regeln, ohne dass es nachher wieder zu Diskussionen kommt.

Es ist schon auf die Regelungen, die es auf EU-Ebene gibt, hingewiesen worden. Wir haben in der Vergangenheit in Zeiten einer rot-grünen Regierung immer darauf Wert gelegt, deutlich zu machen: Karenzzeit ist ein heikles Thema; denn sie schafft mehr Ungerechtigkeiten als tatsächlich Klarheit. Der Hauptgrund war und ist, dass das Amt als Mitglied der Bundesregierung – anders als das viel erwähnte Beamtenverhältnis – eben nur eine befristete Tätigkeit ist.

Folgendes muss ich für die Zuhörerinnen und Zuhörer sagen, da es in der Bevölkerung manchmal falsch gesehen wird: Jemand, der ein Ministeramt innehat, hat keinen Ruhegeldanspruch ab dem Tag, an dem er ausscheidet. Das ist erst dann der Fall, wenn er 65 Jahre und älter ist. Das heißt, er muss doch dafür Sorge tragen können, dass er nach dem Ausscheiden seinen Lebensunterhalt entsprechend verdienen kann.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Er kriegt doch Übergangsgeld!)

– Das Übergangsgeld ist auch nicht die Lösung. Darüber werden wir aber vielleicht im Einzelnen noch zu reden haben.

Um den Anschein von Interessenkonflikten zu vermeiden, haben wir – ich habe es gerade schon gesagt – im Koalitionsvertrag vereinbart, dass für ausscheidende Kabinettsmitglieder, Parlamentarische Staatssekretäre und politische Beamte eine angemessene Regelung angestrebt wird. Wie groß die Probleme sind, haben wir heute hier im Ansatz bereits diskutiert. Das werden wir in den nächsten Monaten sicherlich auch noch weiterdiskutieren.

Die Regierung ist hier aufgefordert und arbeitet sicherlich auch schon daran, eine Regelung zu finden und vorzuschlagen, die dann auch unsere Zustimmung findet. Das sollten wir abwarten. Es gibt überhaupt keinen Grund, diese Debatte, wenige Wochen nachdem sich die Regierung gebildet hat und dies im Koalitionsvertrag festgelegt worden ist, loszutreten. Die Antragssteller hatten dabei nur eines im Sinn: etwas zu skandalisieren, was keinen Skandal darstellt. Da kann ich auf die Ausführungen des Kollegen Dr. Uhl verweisen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich möchte noch einmal – Herr Özdemir hat es zu Recht getan – Art. 12 unseres Grundgesetzes, die Berufsfreiheit, ansprechen. Das ist nämlich etwas, was hier nicht hinreichend gesehen wird.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Doch!)

Ausgerechnet die, die in der Vergangenheit immer gegen vermeintliche Berufsverbote waren, wollen jetzt eine Regelung Platz greifen lassen, die ein echtes Berufsverbot darstellt. Denn wenn jemand, der nur kurzfristig ein Regierungsamt innehatte, den Beruf, den er früher über Jahre hinweg ausgeübt hat, nicht wieder ergreifen darf, dann ist das ein klassisches Berufsverbot. Das wird unsere Zustimmung nie finden.

Besten Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Einmal überlegen, dann reden! Das würde helfen!)

Jetzt hat der Kollege Armin Schuster das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3046894
Wahlperiode 18
Sitzung 8
Tagesordnungspunkt Karenzzeit für ausscheidende Regierungsmitglieder
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