16.01.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 8 / Tagesordnungspunkt 5

Armin SchusterCDU/CSU - Karenzzeit für ausscheidende Regierungsmitglieder

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren! Vielleicht ist es für Sie spannend, wenn ich Ihnen sage: Ich versuche eine Rede zu halten, ohne den Namen eines sehr verdienten nordrhein-westfälischen Bundestagskollegen zu nennen. Denn ich glaube, dass das gar nicht der Sinn dieser Debatte ist.

Herr Dr. Uhl, ich bin sehr froh, dass hier Rechtsanwälte neben Ärzten, Gewerkschaftsvertreter neben Beamten und Vertreter der Wirtschaft ihrerseits neben Gewerkschaftern sitzen. Das ist genau der vielfältige Austausch, den ich mir wünsche. Das sollte möglichst so weitergehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Frau Wawzyniak, da sich unsere Regierungsvertreter aus diesen Menschen hier rekrutieren, müssen wir an dieser Stelle über Parlamentarier reden, die keine dauerhafte Funktion haben und auch nicht haben sollen.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das ist richtig! Da sind wir einer Meinung!)

Ich kam selber erst vor fünf Jahren mitten aus dem Leben hierher. Ich finde das sehr spannend, möchte aber nicht in eine Einbahnstraße oder Sackgasse geraten. Ein Zeitraum von vier Jahren, für den man vom Wähler legitimiert wird, ist sehr kurz, mir übrigens zu kurz, Herr Hartmann; darüber sollten wir noch einmal sprechen. Das gilt auch für Regierungsämter. Deshalb finde ich es äußerst legitim, dass sich ausscheidende Regierungsvertreter – zumeist vor dem 67. Lebensjahr – Gedanken über ihre Zukunft machen.

Wahrscheinlich würde jeder Mitarbeiter einer Arbeitsagentur sagen: Wer nach einem politischen Mandat in eine lange Ruhephase geht, ist selber schuld. Bitte schnellen Anschluss finden! – Insofern muss die Politik dafür sorgen, dass flexible Menschen eine Tätigkeit in der Politik attraktiv finden und nicht das Gefühl bekommen, sie gerieten in eine Einbahnstraße oder gar Sackgasse.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aus meiner Sicht sind die beiden Anträge der Grünen und der Linken eine Navigation in genau diese Sackgasse. Mich stört nicht der Gedanke, dass wir etwas sensibel regeln sollten; aber die hohen Mauern, die Sie hier aufbauen, stören mich ganz gewaltig.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Welche „hohen Mauern“?)

Union und SPD haben längst erkannt, übrigens ohne ein aktuelles Problem und ohne Anträge von Grünen und Linken, dass es angemessene Regelungen braucht. Deshalb steht es im Koalitionsvertrag, und deshalb wird die Regierung das jetzt angehen. Das ist nun Sache der Regierung.

(Zuruf von der LINKEN: Nein!)

Ich möchte einen verdienten hessischen Kollegen zitieren, der sagte: Daraus ein Gesetz zu machen, ist blanker Unsinn. – Dem ist nichts hinzuzufügen.

Was hier veranstaltet wird, meine Damen und Herren, ist Hysterie. Ich spreche immer, wenn es um Transparenz und Lobbyismus und so etwas geht, meistens zusammen mit Kollegen Hartmann, und sage immer das Gleiche: Wir schädigen unseren Ruf fortgesetzt selbst, wenn wir nicht aufhören, zu skandalisieren. Sie werden nicht erleben, dass ich das Verhalten von Joschka Fischer oder das Verhalten eines Ex-Kanzlers skandalisiere, auch wenn das Unternehmen, für das er arbeitet, ein bisschen zweifelhaft ist; er hat einen Weg gewählt, und ich finde das okay.

Ich möchte aber sagen – das ist ein Argument, das vielleicht noch nicht gebracht wurde –: Unternehmen leiden aus meiner Sicht – ich traue mich mal, das zu sagen – an einem gehörigen Defizit an gesellschaftspolitischer Kompetenz jenseits betriebswirtschaftlicher Erwägungen. Die Bundesregierung hat deshalb 2010 einen Aktionsplan CSR – Corporate Social Responsibility – ins Leben gerufen, um die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen zu fördern. Ich sehe es positiv, dass es mittlerweile mehr Unternehmen gibt, die diesen Weg gehen und die nicht ausschließlich Politikprofis für Political-Affairs-Aktivitäten suchen. Es geht ihnen vielmehr darum, mehr sozial-, gesellschafts- und umweltpolitische Kompetenz in ihre Unternehmen zu transferieren. Das ist gut und dringend notwendig.

Jetzt möchte ich Ihnen ein Beispiel dafür nennen. Die Deutsche Bahn AG, die heute schon öfter angesprochen wurde, beobachte ich aus bestimmten Gründen sehr genau. Die neue Unternehmensleitung unter Herrn Dr. Grube verfolgt intensiv das Ziel, die gesellschaftspolitische Kompetenz des Unternehmens zu erweitern. Aufgrund der Erfahrung in meinem Wahlkreis weiß ich – ich habe mit dem Ausbau der Rheintalbahn als Teil des Korridors Rotterdam–Genua ein Großprojekt in meinem Wahlkreis –: Es gibt sehr geschätzte ehemalige Kollegen, ohne deren sensibles politisches Gespür – sie arbeiten heute für die Deutsche Bahn AG – es niemals möglich gewesen wäre, Entscheidungen im Sinne unserer Region, der Bürger und der Gemeinden zu treffen. Insofern glaube ich, dass die Menschen, die den Weg aus der Politik in die Wirtschaft gehen, im Hinblick auf das Verständnis politischer Entscheidungsprozesse, die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger und das Interesse des Gemeinwohls eine neue Qualität schaffen.

(Beifall des Abg. Bernhard Kaster [CDU/ CSU])

Deshalb halte ich dieses Engagement trotz der vorhandenen betriebswirtschaftlichen Kompetenzen in diesem Unternehmen für einen echten Gewinn.

Das Thema wird durch die Bundesregierung geregelt werden; so steht es im Koalitionsvertrag. Insofern hätten wir hier gar nicht diskutieren müssen.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um eine gesetzliche Regelung!)

Ich sehe, dass in der Bundesregierung durchaus eine Sensibilität hierfür vorhanden ist; wir haben es schon im Koalitionsvertrag festgestellt. Deshalb glaube ich, dass wir, wenn die Regelung vorliegt, genau das erreichen, Herr Hartmann, was wir beamtenpolitisch schon lange gemeinsam als Ziel haben: einen flexibleren Austausch zwischen Wirtschaft und Verwaltung. Diesbezüglich ist uns schon einiges gelungen. Diese Arbeit werden wir – hoffentlich – fortsetzen. Wir brauchen diesen flexibleren Umgang und dürfen ihn nicht verhindern, wie das die Grünen und die Linken mit ihren Anträgen erreichen wollen.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, na, na!)

Ich glaube, dies tut Wirtschaft, Verwaltung, Politik und letztendlich auch den Menschen in diesem Land gut.

Ich danke Ihnen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3046903
Wahlperiode 18
Sitzung 8
Tagesordnungspunkt Karenzzeit für ausscheidende Regierungsmitglieder
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