Peter WeißCDU/CSU - Erwerbsminderungsschutz
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu den großartigen Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung, die Sie sich privat übrigens kaum irgendwo in der gleichen Größe einkaufen können,
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das stimmt!)
gehört: Wenn jemand leider Gottes nicht bis zum Rentenalter durcharbeiten kann, sondern wegen eines Unfalls oder einer Krankheit früher aus dem Erwerbsleben aussteigen muss, obwohl er gerne länger gearbeitet hätte, dann gibt es Rente, und zwar Erwerbsminderungsrente. Das, finde ich, ist eine der großartigsten Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung, die wir für die Zukunft erhalten und stärken wollen. Deswegen ist es auch Inhalt des Rentenpakets der Großen Koalition: Wir wollen die Leistungen der Erwerbsminderungsrente für die Zukunft verbessern. Das ist eine wichtige Botschaft an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wie wollen wir das machen? Bislang ist es so, dass ausgerechnet wird, wie viel Rentenanspruch man erwerben würde, wenn man bis zum 60. Lebensjahr durchgearbeitet hätte. Das war übrigens nicht immer so. Bei der letzten Reform der Erwerbsminderungsrente haben wir diese sogenannte Zurechnungszeit von 55 Jahren – früher wurde nur bis 55 gerechnet – auf 60 hochgesetzt. Jetzt wollen wir mit einem Schlag diese Zeit auf das 62. Lebensjahr hochsetzen. Das ist schon eine bemerkenswerte Verbesserung bei der Erwerbsminderungsrente.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Zweitens. Alle Lebenserfahrung zeigt, viele, die einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente stellen – manchmal wird der erste Antrag abgelehnt und ein zweiter Antrag notwendig –, haben in den letzten Jahren vor Eintritt in die Erwerbsminderungsrente schon schlechter verdient, konnten nicht mehr so viel wie in früheren Jahren oder gar nicht mehr arbeiten. Deswegen wollen wir eine ganz neue Regelung einführen, nämlich dass wir die letzten vier Jahre vor Eintritt in die Erwerbsminderungsrente dann für die Berechnung nicht mitzählen, wenn in dieser Zeit schlechter verdient worden ist. Wir wollen die Erwerbsminderungsrente vom besten Verdienst aus berechnen. Auch das bewirkt eine zusätzliche Verbesserung bei der Erwerbsminderungsrente, die notwendig ist, um mit der Erwerbsminderungsrente seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Das ist ein zweiter, wichtiger Reformschritt, den wir in der Großen Koalition verabredet haben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Dass es notwendig ist, zu handeln, sieht man daran, dass Rentnerinnen und Rentner, die bis zum Renteneintrittsalter arbeiten konnten, in der Regel von ihrer Rente leben können. Gerade einmal 2,5 Prozent müssen Grundsicherung im Alter, also staatliche Stütze, beantragen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aus der Armut sind sie damit nicht heraus!)
Bei den Erwerbsminderungsrentnern sieht das schon ganz anders aus. 12 Prozent – Stand heute – derer, die eine Erwerbsminderungsrente beziehen, können davon nicht leben, sondern müssen zusätzliche staatliche Unterstützung in Form von Grundsicherung beantragen. Deshalb ist diese Reform von so großer Bedeutung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke, dass wir noch vor einer zweiten Herausforderung stehen. Wenn wir uns anschauen, warum heute Erwerbsminderungsrenten beantragt werden, dann sehen wir, dass es eine bemerkungswerte Veränderung gegenüber früher gibt. Früher standen vor allen Dingen Erkrankungen des Skeletts und der Muskeln im Vordergrund. Schwere körperliche Arbeit hat die Leute also krank gemacht. Dank der Humanisierung in der Arbeitswelt und moderner Technik ist das Gott sei Dank zurückgegangen. Aber so wie die Zahl dieser Erkrankungen zurückgeht, steigt die Zahl psychischer Erkrankungen dramatisch an. Bereits heute werden über 40 Prozent aller Anträge auf Erwerbsminderungsrente wegen psychischer Erkrankungen gestellt.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, da muss man was tun!)
Deswegen geht es bei der Frage: „Wie organisieren wir einen guten Erwerbsminderungsschutz?“, nicht nur darum, was wir zahlen, sondern die allerwichtigste Frage lautet: Wie vermeiden wir, dass Menschen wegen psychischer Erkrankungen vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden müssen?
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das eine tun, ohne das andere zu lassen!)
Dazu haben wir im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie, bei der der Bund, die Länder und die Sozialversicherung zusammensitzen, schon wichtige Schritte eingeleitet, und wir haben in der Koalitionsvereinbarung miteinander verabredet, für diesen Bereich zusätzliche Mittel einzusetzen und zusätzlich aktiv zu werden. Dabei geht es um die Fragen: Wie stärken wir das betriebliche Gesundheitsmanagement? Wie stärken wir die Prävention? Wie stärken wir die Beratung und Begleitung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern?
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie verändern wir Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen?)
Wir haben eine tolle „Initiative Neue Qualität der Arbeit“ auf den Weg gebracht, bei der es gerade für kleine und mittlere Unternehmen gute Beratung gibt. Um beim Thema „Psychische Erkrankungen im Arbeitsumfeld“ aktiv zu werden, wollen wir auf diesem Gebiet einen Akzent setzen.
Ich glaube, die große Herausforderung besteht für uns darin, dass wir, wenn Sie so wollen, einen zweiten Schub, einen zweiten Auftakt der Humanisierung der Arbeitswelt herbeiführen müssen, indem wir nämlich die Voraussetzungen dafür schaffen, dass in unserer Arbeitswelt die notwendige Aufmerksamkeit und die notwendige Hilfe da sind, um psychische Erkrankungen zu vermeiden. Ich finde, eine hochentwickelte Gesellschaft wie die deutsche mit einem tollen Gesundheitssystem darf es nicht hinnehmen, dass psychische Erkrankungen der Hauptgrund für Erwerbsminderungen werden. Wir sollten alle Anstrengungen unternehmen, um da eine Trendumkehr hinzubekommen. Ja, wer psychisch gefährdet ist, muss Hilfe bekommen und in die Lage versetzt werden, wieder ins Arbeitsleben zurückzukehren. Das ist unsere große Herausforderung.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Linke sagt natürlich: Schuld an allem sind die Abschläge bei der Erwerbsminderungsrente.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist ein Großteil der Lösung!)
Dazu nur ein Wort: Wenn es Abschläge bei vorzeitigem Renteneintritt gibt, dann kann man sie bei der Berechnung der Erwerbsminderungsrente nicht einfach weglassen; Punkt eins.
Punkt zwei. Der Ausgleich für die Einführung der Abschläge war damals die Erhöhung der sogenannten Zurechnungszeit – bis zu welcher Zeit wird also gerechnet, bis zu der man hätte Beiträge zahlen können? – von 55 auf 60 Jahre. Jetzt erhöhen wir die Zurechnungszeit um zwei weitere Jahre. Damit gleichen wir, verglichen mit dem alten Recht, einen guten Teil der Abschläge aus.
Ich finde, wir sind auf dem richtigen Weg. Die Zurechnungszeit wird erhöht, und schlechte Zeiten beim Verdienst werden nicht mitgerechnet. Das führt im Schnitt zu einer um monatlich etwa 45 Euro höheren Erwerbsminderungsrente; das ist für einen Erwerbsminderungsrentner etwas.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Erwerbsminderungsrenten sind im Sinkflug! Das steht sogar in Ihrem Gesetzentwurf!)
Gleichzeitig unternehmen wir neue, konzentrierte Anstrengungen, um psychische Erkrankungen im Arbeitsumfeld zu vermeiden und Erwerbsminderungsfälle erst gar nicht aufkommen zu lassen. Das muss unser politisches Ziel sein. Das haben wir in der Großen Koalition verabredet. Das wollen wir in den kommenden vier Jahren hinbekommen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Amen!)
Es spricht jetzt für Bündnis 90/Die Grünen Markus Kurth.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3047184 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 8 |
Tagesordnungspunkt | Erwerbsminderungsschutz |