16.01.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 8 / Tagesordnungspunkt 11

Michael GerdesSPD - Erwerbsminderungsschutz

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unsere soziale Absicherung ist ein hohes und auch notwendiges Gut. Wer arbeitsunfähig wird, braucht die Hilfe der Solidargemeinschaft. Erwerbsgeminderte Menschen können in der Regel nichts für ihre Situation und sind daher in besonderem Maße auf die Solidargemeinschaft der Versicherten angewiesen. Die Hilfe für die Versicherten muss allerdings so gestaltet sein, dass sie auch Armut verhindert. Ich sehe parteiübergreifend – das habe ich der Debatte hier entnommen – viele Übereinstimmungen in der Argumentation. Ich hoffe, dass das nachher bei der Umsetzung des Gesetzes auch so sein wird.

Wir haben schon gehört: Jeder vierte Arbeitnehmer muss aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig seinen Beruf aufgeben oder kann gar nicht mehr arbeiten. Und die Zahl derer, die auf Erwerbsminderungsrente angewiesen sind, ist relativ groß. Jährlich werden fast 400 000 neue Anträge auf Erwerbsminderungsrente gestellt. Die Bewilligungsquote – auch das haben wir gehört – liegt bei knapp über 50 Prozent. Aktuell können wir also mit dem Schutz von Erwerbsgeminderten in Deutschland nicht zufrieden sein.

Wenn man dann noch weiß, dass die Mehrheit der Bezieher von Erwerbsminderungsrenten aus Tätigkeiten mit geringen Einkommen kommen, dann wird klar, dass auch mit der späteren Altersrente keine großen Sprünge zu machen sind. Schließlich wirken sich schlechtere Entgeltpunkte auch unmittelbar auf die Absicherung im Alter aus. Ich erspare es mir, hier die Zahlen zu nennen. Hinzu kommt, dass eine private Altersvorsorge nicht möglich ist, weil mit einem geringen Erwerbseinkommen eben nicht für eine weitere Absicherung, entweder hinsichtlich der Altersvorsorge oder in Form einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung, Sorge getragen werden kann.

Meine Damen und Herren, das Problem ist erkannt. Deshalb hat die Koalition vereinbart, Erwerbsgeminderte besser abzusichern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir werden die Zurechnungszeiten von 60 auf 62 Jahre anheben. Das stellt eine klare materielle Verbesserung für die Versicherten dar. Eine weitere Verbesserung bringt auch die Günstigkeitsprüfung bei der Rente. Längere Zurechnungszeiten sind ein Schritt in die richtige Richtung. Das sagt auch die Präsidentin des VdK, Frau Mascher. Allerdings – auch das sagt der VdK – dürfen Erwerbsminderungsrentner nicht weiter mit bis zu 10,8 Prozent rentenmathematischen Abschlägen bestraft werden.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist das!)

Diese Aussage ist aus meiner Sicht richtig. Es ist schließlich ein Unterschied, ob jemand aus gesundheitlichen Gründen früher in Rente geht oder weil es seiner persönlichen Lebensplanung entspricht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Nun stehen wir am Anfang der Legislaturperiode. Die Baustellen sind erkannt. Neben der Verlängerung der Zurechnungszeiten ist mir der Präventionsgedanke wichtig. Unser Ansatz ist, nicht erst aktiv zu werden, wenn es um die Verrentung geht. Wir wollen den Schutz und die Stärkung der psychischen und physischen Gesundheit in belastenden Tätigkeiten deutlich verbessern. Durch adäquate Bedingungen können wir arbeitsbedingte Verschleißerkrankungen, psychische Erkrankungen und damit verbundenes Ausscheiden aus dem Arbeitsprozess deutlich verringern.

Ganz auszuschließen, meine Damen und Herren, ist das Erwerbsminderungsrisiko allerdings auch durch noch so gute Arbeitsbedingungen nicht. Deswegen müssen wir uns gemeinsam mit den Unternehmen fragen, wie wir die Arbeitnehmer vor Berufsunfähigkeit bewahren können. Dabei – das haben wir heute auch schon gehört – ist zwischen physischen und psychischen Belastungen zu unterscheiden. Insbesondere die Zahl der psychischen Erkrankungen ist enorm gestiegen. Das liegt auch daran, dass der Leistungsdruck der Arbeitswelt von heute ebenfalls enorm ist. Das Gesundheitsmanagement der Betriebe und die Eingliederung nach langer Krankheit sind daher große Herausforderungen. Das kann Politik alleine nicht schaffen; das können wir nur gemeinsam mit den handelnden Personen und Akteuren schaffen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Auch zum Grundsatz „Reha vor Rente“ hat die Große Koalition eine Aussage gemacht: Das Rehabudget der Rentenversicherung muss an den Bedarf der Versicherten angepasst werden. Es geht darum, Rehamaßnahmen zu verstärken, damit die Betroffenen nicht zwangsläufig auf eine Rente angewiesen sind, sondern weiterhin für ihren Lebensunterhalt sorgen können. Allerdings müssen wir auch bedenken, dass es bei der Verweisbarkeit auf andere Tätigkeiten gewisse Grenzen gibt. Der Arbeitsmarkt ist für Menschen mit gesundheitlichen Problemen vielerorts verschlossen.

Zudem macht auch eine Debatte über die Definition von voller und teilweiser Erwerbsminderung, die sich an der möglichen Zahl der Arbeitsstunden orientiert, Sinn; denn diese Unterscheidung ist durchaus umstritten. Die Kritik am Zugang zur Erwerbsminderungsrente dürfen wir nicht außer Acht lassen.

Aus Sicht der Betroffenen gibt es viel zu tun. Herr Kurth, wir werden keine Päckchen packen, sondern Pakete schnüren, schnüren müssen. Wir, die SPD, sind dazu bereit. Wir haben, wie ich glaube, die richtigen Konzepte. Wir hätten uns vielleicht an der einen oder anderen Stelle etwas mehr versprochen. Wir sind in einer Großen Koalition. Da muss man auch einmal Kompromisse eingehen. Ich denke, wir werden uns nach vier Jahren daran messen lassen können, was wir für die Betroffenen getan haben. In diesem Sinne: Herzlichen Dank und Glück auf!

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Es spricht jetzt der Kollege Uwe Lagosky, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3047190
Wahlperiode 18
Sitzung 8
Tagesordnungspunkt Erwerbsminderungsschutz
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