Rüdiger VeitSPD - Staatsangehörigkeitsrecht
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Frieser, ich muss, damit kein falscher Eindruck aufkommt, vorsorglich einer Ausführung von Ihnen widersprechen. Das von Ihnen angesprochene Aufblühen der guten, engen Beziehungen zwischen CDU/CSU und SPD wird möglicherweise sogar länger als vier Jahre, länger als diese Koalition, dauern.
(Michael Frieser [CDU/CSU]: Vernunftehe war der Begriff! – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Zwangsehe!)
– Vernunftehe, na ja. Darf ich das wiederholen, was Frau Kollegin Jelpke eben schon gesagt hat? Sie benutzte in Erinnerung an einen anderen Debatteninhalt – Stichwort „Spracherwerb vor Ehegattennachzug“ – den Begriff „Zwangsehe“.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Politisch jedenfalls haben wir uns das alle nicht gewünscht, aber wir machen das jetzt so. Wir müssen uns natürlich immer noch ein bisschen daran gewöhnen. Ich bitte um Nachsicht, wenn ich hier und da noch Zwischenrufe gegenüber Vertretern unseres Koalitionspartners mache und mehr oder weniger begeistert das eine oder andere Mal klatsche, wenn Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen oder der Linkspartei etwas sagen, das mir im Prinzip aus dem Herzen spricht.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Bei uns kann man immer klatschen! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Damit haben wir kein Problem!)
Gestern hat der Bundesinnenminister gesagt, ein Gesetzentwurf, wie er dieser Koalitionsvereinbarung entspricht, werde unverzüglich vorgelegt. Er hat das dann juristisch völlig korrekt kommentiert und übersetzt, indem er sagte: Unverzüglich heißt ohne schuldhaftes Zögern. Ich würde mir wünschen, dass ein solcher Gesetzentwurf auch ohne jedes unverschuldete Zögern möglichst bald kommt. Aber wenn Kollege Helmut Brandt sagt, dass es in ein paar Wochen so weit ist, dann bin ich da ganz optimistisch.
Eines ist doch völlig klar – das brauchen Sie uns nicht immer wieder zu sagen; das wissen wir selber –: Wir wollten – das war schon 1998 so – die generelle Hinnahme von Mehrstaatigkeit. Das ist ja nun wirklich kein Geheimnis. Übrigens bestand hier in unserer gesamten Partei ein Konsens in einer Breite, wie es bei anderen Themen durchaus nicht immer selbstverständlich ist.
(Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Darf ich daran erinnern, Volker Beck, dass die FDP uns damals nicht ein Hindernis in den Weg gelegt hatte, sondern dass sie versucht hatte, zu helfen.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ihr Preis für die Zustimmung!)
Denn aufgrund der veränderten Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat hieß es damals: Wenn wir keine Zustimmung im Bundesrat bekommen, ist die gesamte Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, die wir uns vorgenommen hatten, im Eimer.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es war ein Preis!)
– Es war ein Preis. – Es war ein Kompromissvorschlag des damaligen rheinland-pfälzischen Justizministers Caesar, der uns dann diese Situation eingebrockt hat.
Wir wissen doch ganz genau, dass der Wegfall des Optionszwanges bestenfalls nur 50 Prozent von dem darstellt, was wir uns eigentlich wünschen. Aber mehr war in den Koalitionsverhandlungen eben nicht durchsetzbar. Ich bedaure das außerordentlich, aber ich kann es nicht ändern. Ich kann ja niemanden prügeln und sagen, dass er seine Überzeugung gänzlich aufgeben und uns in der Weise entgegenkommen muss, in der wir es für richtig halten. Wir werden weiter Überzeugungsarbeit leisten.
Ich persönlich bin übrigens der Auffassung: Wenn klar ist, dass nach jetzt geltendem Recht sowieso über 50 Prozent aller Einbürgerungen unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit erfolgen
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Legal!)
und dass alle, die hier geboren werden und dadurch die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben, zwei Staatsbürgerschaften behalten können, dann ist es hoffentlich nur eine Frage der Zeit, bis diejenigen, die das bisher verneinen, ein Einsehen haben und die generelle Hinnahme von Mehrstaatigkeit akzeptieren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, nach einem Bericht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge – im letzten Jahr herausgekommen – wissen wir, dass zwei Drittel aller potenziellen Einbürgerungsbewerber bzw. des Potenzials derer, die Bürger werden könnten, sagen: Nein, ich stelle keinen Antrag auf Einbürgerung, weil ich meine Staatsbürgerschaft nicht aufgeben möchte. – Zwei Drittel! Bei einem Drittel all derer, die das gemacht haben, ist das Bedauern, dass sie ihre ausländische Staatsbürgerschaft aufgeben mussten, überdeutlich.
(Michael Frieser [CDU/CSU]: Das sind aber nicht diejenigen, die unter diese Regelung fallen!)
Das heißt also, es handelt sich dabei um ein Einbürgerungshindernis. Einbürgerungshindernisse können wir alle nicht wollen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir wollen, dass alle, die hier dauerhaft leben, an diesem Staatswesen und seiner Gestaltung mit allen bürgerlichen Rechten und Pflichten teilhaben können. Das setzt nun einmal auch die deutsche Staatsbürgerschaft voraus. Daran sollten wir weiterarbeiten. Wir brauchen im Verfahren allerdings keine weitere Mithilfe. Denn wir haben sofort erkannt, dass in der Übergangszeit, die es bis zum Inkrafttreten des neuen Rechts zwangsläufig geben wird, die Situation eintreten kann, dass Antragsteller womöglich Gefahr laufen, ihre ausländische Staatsbürgerschaft oder aber ihre deutsche, wenn sie nichts tun, zu verlieren, was im Lichte des neuen Rechts nicht geschehen müsste.
Deswegen ist die Methode der Wahl, das zu tun, was schon jetzt im Gesetz steht, nämlich eine Beibehaltungsgenehmigung zu beantragen.
(Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Dabei ist allerdings Folgendes zu beachten – gleich, Herr Kollege Beck –: Schon jetzt steht im Gesetz – ich sage im Nachhinein, obwohl ich daran beteiligt war, dass das ein Webfehler gewesen sein mag –, dass die Ausschlussfrist – dieses Wort steht ausdrücklich in Klammern im Gesetzestext –, die Vollendung des 21. Lebensjahres –
Herr Kollege Veit, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Beck?
– wenn ich den Satz beendet habe, ja –, dazu führt, dass Menschen, die in der Tat Anspruch auf Beibehaltung ihrer ausländischen Staatsbürgerschaft hätten, diesen Anspruch nicht mehr geltend machen können, wenn sie diese Frist versäumt haben. Kluge Einbürgerungsbehörden, unter anderem das Darmstädter Regierungspräsidium, raten daher vorsorglich schon jetzt wie auch in den vergangenen Jahren jedem, der dafür infrage kommt, rechtzeitig einen Antrag auf Beibehaltungsgenehmigung zu stellen. Das muss nämlich vor Vollendung des 21. Lebensjahres passiert sein; sonst ist der betreffenden Person nicht mehr zu helfen.
Insoweit stimme ich mit Ihnen überein. Ich finde allerdings, es wäre Aufgabe des Bundesinnenministers wie der Landesinnenminister, die Ausländerbehörden auf dieses Verfahren so hinzuweisen, dass es zu keinen Entzugsentscheidungen mehr kommt.
Ist Ihnen bekannt, dass sowohl Bundesinnenminister Friedrich nach der Bundestagswahl als auch Bundesinnenminister de Maizière auf eine schriftliche Frage von mir geantwortet haben, das gegenwärtige Recht gelte und man habe es gefälligst so zu vollziehen, wie es gilt, und damit gemeint haben, dass die Optionspflicht weiterhin zum Entzug der Staatsangehörigkeit führen soll, bis der entsprechende Gesetzentwurf verabschiedet ist?
Ich finde, diese Aussage ist unmöglich. Damit blamieren sich der Gesetzgeber und auch die Exekutive ein Stück weit. Sind Sie wie ich der Meinung, dass es besser wäre, der Bundesinnenminister würde einen Hinweis an die Länder geben, dass sich durch das Verfahren, das Sie beschrieben haben, ein Entzug der Staatsangehörigkeit bei Optionspflichtigen vermeiden lässt?
(Michael Frieser [CDU/CSU]: Darf er gar nicht! – Gegenruf des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich darf er das! – Gegenruf des Abg. Michael Frieser [CDU/CSU]: Er kann einen Brief schreiben!)
Selbstverständlich, Herr Kollege Frieser, darf der jeweils amtierende Bundesinnenminister die Länderbehörden darauf hinweisen, dass sie das geltende Recht zu beachten haben. Er darf auch auf diese Möglichkeit, die die Vorschriften schon jetzt eröffnen, hinweisen.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Die Kollegen wissen das zum Teil; aber man kann darauf noch einmal ausdrücklich hinweisen. Ich habe mir erlaubt, im Kreise der A-Länder-Innenminister schon einmal vorsorglich den Hinweis zu geben: Achtet darauf, dass eure Behörden entsprechend verfahren! – Dann kann bei Beachtung des geltenden Rechts die von uns beiden beklagte Rechtsfolge, dass jemand jetzt noch seine deutsche Staatsbürgerschaft verliert oder aber die ausländische – aus unserer Sicht: unnötigerweise – abgeben muss, vermieden werden. Vielleicht gibt es auch den einen oder anderen, der das, was wir hier besprechen, verfolgt; das sollen öffentliche Bundestagsdebatten ja so an sich haben. Der kann das dann vielleicht auch entsprechend weitergeben. Ich jedenfalls kann nur dringend dazu raten.
Ich weiß aus der Praxis, zum Beispiel von dem Leiter der Darmstädter Behörde, dass es höchstärgerlich ist, wenn die Behörde sieht, dass jemand problemlos die ausländische Staatsbürgerschaft behalten könnte, man ihn vor Vollendung des 21. Lebensjahres aber nicht erreicht, sodass er diesen Antrag nicht stellen kann. Es gibt bei vielen anderen Fristen nach allgemeinen Vorschriften die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand. Diese Möglichkeit gibt es hier nicht. Wir haben sogar – ich habe das schon gesagt – in das Gesetz geschrieben: Klammer auf, Ausschlussfrist, Klammer zu. Deswegen ist eine vorbeugende Beratung der Ausländerbehörden jetzt unbedingt angezeigt. Ich bin aber zuversichtlich, dass sie entsprechend flexibel sein werden.
Unter Ausnutzung der letzten mir verbleibenden Sekunden Redezeit will ich noch sagen: Natürlich werden wir uns gemeinsam auch Gedanken darüber machen, wie Menschen, die auf der Grundlage des alten Rechtes eine Staatsbürgerschaft verloren haben, möglicherweise wieder bessergestellt werden können. Ob wir mit unserem Koalitionspartner in dieser Hinsicht weiterkommen, werden wir sehen. Was ich eben andeutungsweise gehört habe – wir würden mit dem Gesetzentwurf die Voraussetzungen für die hier geborenen Kinder nur erleichtern; es sind mittlerweile übrigens 460 000 Optionskinder –, hat mich ein bisschen alarmiert.
Herr Kollege Veit, Sie haben gesagt, Sie kommen jetzt zum Schluss Ihrer Rede.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3047279 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 8 |
Tagesordnungspunkt | Staatsangehörigkeitsrecht |