Jens KoeppenCDU/CSU - Vergünstigungen für stromintensive Unternehmen
Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Krischer, Sie haben am Anfang und auch zum Schluss Ihrer Rede den Konsens beschworen. Das fand ich sehr gut. In der Tat, wir haben einen breiten Konsens in diesem Haus, nämlich dass wir die Umstellung der Energieversorgung in Deutschland vorantreiben wollen. Dazu brauchen wir – auch das haben Sie gesagt – die Akzeptanz der Menschen. Wir dürfen aber mit dem Umbau der Energieversorgung in Deutschland – auch das haben Sie gesagt – den Wirtschaftsstandort Deutschland nicht gefährden.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann sind wir ja einer Meinung!)
Wir sind ebenfalls einer Meinung, dass Strom kein Luxusgut werden darf, weder für die Familien noch für die Rentnerinnen und Rentner noch für die Studenten, aber schon gar nicht für die Unternehmen. Der Anteil der Industrie an der Wertschöpfung in Deutschland beträgt nun einmal 23 Prozent. Das ist immerhin doppelt so viel wie zum Beispiel in Frankreich, in Großbritannien oder den Vereinigten Staaten von Amerika.
Ich finde es gut, dass Sie in Ihrem Antrag eindeutig geschrieben haben, dass Sie die besonderen Ausgleichsregelungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz nicht angreifen wollen. Sie wollen es auch dabei belassen. Sie haben sogar geschrieben – ich zitiere –, dass es eine „sinnvolle ordnungspolitische Maßnahme“ ist. Das begrüßen wir außerordentlich. Das sind ja auch Maßnahmen, die Sie auf den Weg gebracht haben.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, eben!)
– Das haben Sie in Ihrem Antrag geschrieben. – Dennoch häufen sich, Frau Lemke, wie schon in der 17. Wahlperiode die Widersprüche in Ihren Anträgen. Der Antrag ist ja auch bloß ein bisschen „refreshed“; sie haben ihn schon mehrmals vorgelegt. Wir haben bereits mehrmals darüber gesprochen. Sie haben den Antrag jetzt ein bisschen aufpoliert. Das ist völlig in Ordnung.
(Zuruf des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Sie schreiben, dass die hohen Kosten für die EEG- Umlage und der fortlaufende Anstieg der Kosten den besonderen Ausgleichsregelungen für energieintensive Unternehmen angelastet werden muss. Das ist eine Behauptung. Sie behaupten auch – das können wir so nicht stehen lassen –: Mit der EEG-Novelle 2012 wurde die Regelung massiv ausgeweitet.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt die EU-Kommission!)
Machen wir doch einmal einen Faktencheck. Sie beschreiben es als überbordend und ausufernd; das haben Sie auch in Ihrer Rede so zitiert. Die Kriterien, Herr Krischer, sind genau die gleichen geblieben wie bei Ihnen:
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)
die Strommenge – dazu komme ich gleich noch genauer –; es muss produzierendes Gewerbe sein, und es muss ein Unternehmen sein, das im internationalen Wettbewerb steht. Wir haben in der Novelle 2012 lediglich eine Mittelstandskomponente hinzugefügt. Wir haben gesagt: Die Strommenge sinkt von 10 Gigawattstunden auf 1 Gigawattstunde.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Unterschied!)
– Ich komme dazu. – In der Tat sind es mehr Unternehmen geworden. Das ist doch Sinn und Zweck der Übung gewesen. Aber, wie Herr Kollege Bareiß schon gesagt hat, die Strommenge ist in vier Jahren, vom Jahre 2010 bis zum Jahre 2013, um 10 Prozent gestiegen: von genau 86,6 Gigawattstunden auf 95,3 Gigawattstunden. Das heißt, die Novelle 2012 hatte eine Erhöhung der EEG- Umlage von 0,2 Cent zur Folge. Das sind für einen Durchschnittshaushalt im Monat 60 Cent. Dafür bekommen wir aber einen international wettbewerbsfähigen Mittelstand und sichern die Arbeitsplätze in Familienunternehmen. Das sollte es uns wert sein.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine absurde Milchmädchenrechnung!)
Jetzt kommen wir zu Ihrer zweiten Behauptung. Sie sagen, die Novelle von 2012 hätte völlig neue Branchen, insbesondere die böse Braunkohleindustrie, in diese Liste gespült.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht da nicht drin!)
– Das haben Sie so geschrieben; ich kann das zitieren. – Machen wir einmal den Faktencheck: Vor 2012, vor der Novelle, standen sechs Unternehmen der Braunkohleindustrie auf dieser Liste. Jetzt dürfen Sie raten, wie viele es heute sind! Sechs. Sie beklagen, dass diverse Unternehmen der Fleischindustrie plötzlich dort auftauchen. Vor 2012 waren genau die gleichen Unternehmen auch drin.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch überhaupt nicht!)
Sie beklagen außerdem, dass vor 2012 49 Schienenbahnen dort auftauchten. Heute sind es 53; das sind 4 mehr.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht alles nicht in unserem Antrag, was Sie da erzählen!)
Wieso können Sie sagen, dass neue und überbordend viele Unternehmen in diese Liste gespült worden sind? Das ist nicht der Fall.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer sind denn dann die 100 Unternehmen, die dazugekommen sind?)
Kommen wir zu Ihrer dritten Behauptung; wir sind bereits darauf eingegangen. Sie sagen: Alle Betriebe zahlen lediglich 0,05 Cent pro Kilowattstunde, und die besonderen Ausgleichsregelungen sind schuld an der Höhe der Umlage von 6,24 Cent.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Unter anderem!)
Machen wir auch hier den Faktencheck: Es gibt eine eindeutige Staffelung. Bis zu 1 Gigawattstunde wird von allen Betrieben die volle Höhe bezahlt. Bis 10 Gigawattstunden sind es 10 Prozent, und bis 100 1 Prozent. Erst ab 100 Gigawattstunden kommen die 0,05 Cent zum Tragen. Das heißt: Die Summe der besonderen Ausgleichsregelungen macht zurzeit 1,35 Cent aus. Das sind 4 Euro pro Monat pro Durchschnittshaushalt.
Herr Krischer, lassen Sie uns das einmal durchrechnen. Sie sagen, das ist eine Milchmädchenrechnung, aber die Zahlen sagen etwas anderes. Würden wir die Rücknahme dieser besonderen Ausgleichsregelungen veranlassen und somit eine Deindustrialisierung in Deutschland riskieren, würden wir – Stand heute – auf eine EEG-Umlage von 5 Cent kommen, und die Haushalte würden 4 Euro einsparen. Wollen wir das riskieren? Ich denke, nein.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Krischer, ich habe noch eine Empfehlung an Sie. Machen wir einmal Folgendes – dann kommen wir nämlich vom Theoretischen ins Praktische –: Wir setzen uns hin, nehmen die Liste und gucken uns alle Betriebe in allen Bundesländern an, die beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle verzeichnet sind. Das machen wir mit den Unternehmen in Ihrem Wahlkreis, in meinem Wahlkreis, in allen Wahlkreisen – ohne Ausnahme. Wir gucken uns alle an.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben den Vorschlag gemacht!)
Dann sagen wir, welches Unternehmen die drei Kriterien, die Sie und wir eingeführt haben, nicht erfüllt. Dann machen wir den Faktencheck und sagen: Diese Unternehmen sollen nicht mehr von der Ausgleichsregelung profitieren.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da redet gar keiner von!)
In meinem Wahlkreis gibt es zwei Papierfabriken, sie stehen nebeneinander. Die eine hätte von einem Jahr aufs andere 15 Millionen Euro zusätzliche Kosten;
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht wegen des Stroms!)
das betrifft übrigens ungefähr 1 000 bis 1 200 Arbeitsplätze. Das heißt: Wenn diese Firmen die EEG-Umlage – so ist ja Ihr Wunsch – jetzt komplett bezahlen sollen, dann würde das eine hundertfache Erhöhung bedeuten. Denn alle mittelständischen Papierfabriken zahlen zurzeit 125 000 Euro EEG-Umlage. Wenn diese Regelung wegfallen würde, dann wären das mit einem Schlag 12,5 Millionen Euro. Wissen Sie, was die Vertreter von UPM-Kymmene aus Finnland dann zu mir sagen? Sie sagen schlicht und ergreifend: Das kann niemand wollen. – Die schließen dann ab und schmeißen den Schlüssel weg, ohne sich umzudrehen. Das wird nämlich passieren, und das werden wir nicht riskieren.
Kollege Koeppen, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Krischer?
Selbstverständlich.
Herzlichen Dank. – Herr Kollege Koeppen, was Sie hier jetzt aufmachen, hat mit unserem Antrag alles gar nichts zu tun. Wir schlagen schließlich vor, dass man sich an der Strompreiskompensationsrichtlinie orientieren soll. Darin werden Betriebe wie zum Beispiel die Papierindustrie erwähnt, die dann nach wie vor in den Genuss der besonderen Ausgleichsregelungen kommen. Ich frage Sie: Warum haben Sie eben bei Ihrer Berechnung der Kosten der besonderen Ausgleichszahlungen die Zahl von 1,35 Cent genannt, die angeblich die Gesamtsumme der besonderen Ausgleichsregelungen ausmacht? Ich würde eine andere Zahl nennen – aber geschenkt.
Wie erklären Sie, dass der Börsenpreis für Strom durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz, durch den Merit-Order-Effekt, durch den Ausbau der erneuerbaren Energien von 8 Cent im Jahr 2008 auf inzwischen unter 4 Cent gesunken ist? Davon profitieren diese Unternehmen. Wir haben ja die Situation, dass beispielsweise in den Niederlanden eine Aluhütte Insolvenz anmelden muss, weil in Deutschland die Industriestrompreise gesunken sind. Wie erklären Sie diese Zusammenhänge?
Herr Krischer, Sie wissen doch ganz genau, dass das Problem mit dem Differenzstrom und der Merit-Order- Effekt die Urkrankheiten des EEG sind. Genau deswegen müssen wir es doch anfassen!
Herr Krischer, wenn Sie den Börsenstrompreis als den Industriepreis für Deutschland nehmen und sagen: „Deutschland geht es am besten“ und dabei die übrigen Faktoren, die auch mit in den Strompreis eingehen, ignorieren, dann sind Sie auf dem Holzweg. Es ist eben nicht nur der Börsenstrompreis, der bezahlt werden muss. Es ist in Deutschland eben auch die EEG-Umlage, die bezahlt werden muss. Der Grund, aus dem wir die Unternehmen davon befreien wollen, ist nicht, dass wir wollen, dass die Haushalte 4 Euro mehr bezahlen, um die „fette Industrie“ zu unterstützen, sondern, dass wir die Arbeitsplätze im Land halten wollen. Denn die Unternehmen würden sonst nichts anderes tun, als abzuschließen und aus dem Land zu gehen. Sie würden sich nicht einmal umdrehen, um zu gucken, wo der Schlüssel ist, sondern sie würden einfach gehen. Dazu gibt es eindeutige Aussagen. Wir dürfen es nicht dazu kommen lassen – auch wenn Sie alle jetzt so entrüstet den Kopf schütteln: Sie müssen sich wirklich einmal mit den Industriebetrieben und mit den mittelständischen Betrieben unterhalten –;
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tun wir, verdammt noch mal!)
deswegen haben wir die Mittelstandskomponente eingeführt.
(Beifall des Abg. Andreas G. Lämmel [CDU/ CSU])
Ich will abschließend sagen, Herr Krischer: Wenn Sie in Ihrem Antrag schreiben, Sie wollen das EEG verstetigen, Sie wollen das EEG konservieren und Sie wollen es auch zementieren – es soll also nicht angefasst werden –: Das führt in die Sackgasse.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht da alles nicht drin! – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht da gar nicht drin! Lesen hilft!)
– Sie haben geschrieben, dass das letztendlich so verstetigt werden soll.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Falsch!)
Wir brauchen – darauf haben wir uns in der Koalition verständigt – eine grundlegende – ich lege Wert darauf: eine grundlegende – Reform des EEG. In diese Reform muss Eingang finden, dass wir die technologischen Innovationen nach vorne bringen. Wir müssen die Energieeffizienzmaßnahmen weiterhin im Blick haben.
(Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, dann tun Sie was dafür! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im EEG? Was wollen Sie denn im EEG mit Energieeffizienz machen?)
Wir müssen hin zur Vergütung der Energieversorgung und weg von der Vergütung der reinen Installation und Erzeugung. Wir müssen endlich wieder nutzbare Energie fördern. Der Ausbau muss bedarfsgerecht mit der vorhandenen, aber vielleicht auch mit der neuen Netzinfrastruktur synchronisiert werden.
Meine Damen und Herren, ein Ausbau auf der grünen Wiese ohne Abnehmer muss der Vergangenheit angehören. Wir brauchen die Akzeptanz der Menschen. Wir brauchen innovative Ideen statt Besitzstandswahrung. Wenn Sie den Konsens, den Sie vorhin beschworen haben, wollen, dann sind Sie herzlich eingeladen, mitzumachen.
Vielen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3050518 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 9 |
Tagesordnungspunkt | Vergünstigungen für stromintensive Unternehmen |