Florian HahnCDU/CSU - Verteidigung
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Charakter unserer Armee, der Bundeswehr, hat sich in den letzten Jahrzehnten massiv verändert. Während wir früher noch darüber gesprochen haben, dass wir kämpfen können müssen, um nicht kämpfen zu müssen, sprechen wir heute von einer Armee im Einsatz. Die Aufgaben und Anforderungen haben sich entsprechend geändert. Gleichzeitig hat sich die Verfügbarkeit von Ressourcen mit Blick auf die Demografie und die begrenzten Haushaltsmittel deutlich verringert.
Wir sind diesen Veränderungen nachgekommen. Wir haben gerade auch für die Truppen im Einsatz in den letzten Jahren bei den Themen Ausbildung und Ausrüstung massiv zugelegt und Verbesserungen erzielt, und wir haben eine Bundeswehrreform auf den Weg gebracht, um dieser Neuausrichtung auch organisatorisch gerecht zu werden.
Ich finde es gut – das ist ein guter Start für diese Koalition –, dass wir in unserem Koalitionsvertrag vereinbart haben, dass wir die Neuausrichtung konsequent fortsetzen und zum Erfolg führen wollen. Das heißt, die Reform wird vollständig umgesetzt. Es heißt auch, dass es keine Reform der Reform gibt. Das ist wichtig; denn unsere Soldatinnen und Soldaten brauchen genauso Planungssicherheit wie auch das zivile Personal.
Nichtsdestotrotz, auch wenn wir bei der Grundausrichtung bleiben, wird es natürlich auch Gelegenheit geben, zu optimieren. Das müssen wir auch. Wo es beispielsweise Handlungsbedarf gibt, zeigt der Bericht des Wehrbeauftragten. Er hat einige Themen angeführt, die auch unsere Ministerin schon aufgegriffen hat, beispielsweise die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hier gibt es einiges zu tun, auch wenn der Beruf des Soldaten kein Beruf wie jeder andere und nicht mit zivilen Berufen vergleichbar ist.
Kolleginnen und Kollegen, die Welt ändert sich. Die globalen Machtverhältnisse ändern sich massiv. Das hat Auswirkungen auf Deutschland und Europa. Ich glaube, es ist kein Geheimnis – viele Kolleginnen und Kollegen und auch Sie, Frau Ministerin, haben es heute gesagt –: Wir müssen in Europa – und Deutschland mit vorneweg – mehr Verantwortung übernehmen. Auch wenn unsere subjektive Wahrnehmung, umringt von Freunden, manchmal eine andere ist, so ist es doch so, dass Deutschland weiterhin bedroht ist und dass vor allem auch unsere Hilfe gefordert wird.
Herr Kollege.
Bitte?
Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage. Lassen Sie sie zu?
Bitte schön, Frau Kollegin.
Herr Kollege Hahn, vielen Dank, dass Sie mir die Gelegenheit geben, eine Frage zu einem Punkt zu stellen, der noch gar nicht zur Sprache gekommen ist. Sie haben gerade von der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und der Attraktivität der Bundeswehr gesprochen. Ein Punkt ist heute Abend noch gar nicht zur Sprache gekommen, nämlich die Studie „Truppenbild mit Dame“, die wir kürzlich zur Kenntnis nehmen konnten und die mich, ehrlich gesagt, einigermaßen überrascht hat. Zehn Jahre nach Öffnung der Bundeswehr für Frauen ist die Situation im Laufe der Jahre nicht etwa besser geworden. Vielmehr ist in dieser Studie zu lesen, dass die Akzeptanz von Frauen deutlich abgenommen hat. Außerdem hat diese Studie aufgezeigt, dass sexuelle Belästigung durchaus ein gravierendes Problem darstellt und dass es fraglich ist, ob die Strukturen geeignet sind, diesem Problem effektiv zu begegnen.
Ich möchte Sie Folgendes fragen, Herr Kollege: Welche konkreten Maßnahmen könnte man ergreifen, um die Akzeptanz von Frauen in der Bundeswehr zu erhöhen, und wie könnte man sexueller Belästigung begegnen?
Vielen Dank.
Frau Kollegin, ich darf Sie da ein bisschen korrigieren. Gerade unsere Ministerin, Frau von der Leyen, hat in ihren Ausführungen zu diesem Thema gesprochen und darauf hingewiesen, dass hier noch viel getan werden muss. Da gibt es nichts zu diskutieren. Es ist nicht erfreulich. Sexuelle Belästigung ist, egal ob im militärischen oder zivilen Bereich, nicht hinnehmbar. Hier müssen Maßnahmen ergriffen werden. Offen gesagt, bin ich kein Fachmann für diesen Bereich. Daher kann ich Ihnen nicht die nächsten Handlungsmaßnahmen nennen. Aber eines ist ganz klar – das macht auch die Tatsache deutlich, dass diese Studie jetzt veröffentlicht wurde –: Wir alle und insbesondere Frau von der Leyen nehmen dieses Thema sehr ernst. Wir müssen darauf entsprechend reagieren.
Ich habe vorhin von den Bedrohungen gesprochen, denen Deutschland gegenübersteht. Es gibt nicht nur Bedrohungen aus dem terroristischen Bereich, sondern auch Bedrohungen durch technologischen Fortschritt. So hat sich beispielsweise die Reichweite von Trägersystemen deutlich erhöht. Zudem macht sich Instabilität in Konfliktregionen breit. Das alles betrifft uns direkt, und darauf müssen wir auch reagieren können. Deshalb brauchen wir zunehmend Absprachen mit den europäischen Partnern; das wurde schon von einigen Kolleginnen und Kollegen gesagt. Es ist daher richtig, dass wir im Koalitionsvertrag eine Stärkung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU festgeschrieben haben. Aber so etwas lässt sich nicht von heute auf morgen erzwingen. Wir brauchen aus meiner Sicht konkrete Projekte, damit so etwas in Europa natürlich wachsen kann. Ich nenne ein paar Stichworte: Wir müssen die europäischen Transportkapazitäten weiter ausbauen. Wir brauchen eine gemeinsame Luftraumüberwachung. Als weiteres Stichwort nenne ich die europäische Raketenabwehr. Wir müssen uns zudem darüber einig sein, welche technologischen Fähigkeiten wir in Europa unabhängig von Dritten haben wollen. Natürlich brauchen solche Projekte Zeit.
Gleichzeitig werden wir mit aktuellen Ereignissen konfrontiert, die eventuell unser gemeinsames Handeln erfordern, wie die aktuelle Situation in Afrika. Natürlich wollen wir unserem Bündnispartner zur Seite stehen. Natürlich wollen wir den betroffenen Menschen, die in Not sind, helfen. Aber wir dürfen auch nichts überstürzen. Für zukünftige Mandate – das lehrt uns die Erfahrung aus den aktuellen bzw. den vergangenen Einsätzen – brauchen wir nicht nur militärische Konzepte, sondern auch Konzepte, die die zivile Hilfe und die Einbeziehung regionaler Akteure beinhalten. Ich bin froh, dass Sie, liebe Frau Ministerin, das heute noch einmal betont haben. Zu einem Konzept gehören aber auch Antworten auf folgende Fragen: Wie ist die Lage vor Ort? Welche Ziele wollen wir warum und mit welchen Mitteln verfolgen? Wie stellt sich der zeitliche Umfang eines möglichen Engagements dar? Wie sieht eine Exitstrategie aus? Und welchen Gefahren setzen wir unsere Streitkräfte aus? Auf die Beratungen dieser Fragen in den nächsten Sitzungswochen freue ich mich.
Ich möchte mein Augenmerk noch auf das Ansehen unserer Soldatinnen und Soldaten richten. Unsere Soldatinnen und Soldaten leisten in den Einsätzen und daheim hervorragende Arbeit. Sie genießen hohes Ansehen in den Einsatzgebieten und bei unseren Verbündeten. Ich wünsche mir aber manchmal im Inland, in Deutschland, noch mehr Wertschätzung und Respekt für die Arbeit der Bundeswehrangehörigen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Lassen Sie mich zum Schluss noch auf die Reden der Fraktion Die Linke zu sprechen kommen. Herr Neu, ich muss ganz ehrlich sagen: Sie haben heute einmal mehr deutlich gemacht, dass Sie mit Ihren Dogmen im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik nicht regierungsfähig sind. Das macht mich jetzt nicht unbedingt traurig. Auch das sage ich Ihnen ganz ehrlich.
Wir brauchen die Bundeswehr für unsere Sicherheit und zum Schutz unserer Interessen. Wir werden daher die Arbeit der Bundeswehr auch in der kommenden Legislatur unterstützen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Weitere Wortmeldungen zum Thema Verteidigung liegen nicht vor.
Ich rufe damit den Bereich Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf.
Das Wort hat Bundesminister Dr. Gerd Müller.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3084235 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 10 |
Tagesordnungspunkt | Verteidigung |