Bärbel KoflerSPD - Wirtschaftliche Zusammenarbeit
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn meiner Rede, Herr Minister, möchte ich Danke dafür sagen, dass Sie den Versuch unternommen haben – ich glaube, da haben Sie die Unterstützung aller Entwicklungspolitiker im Hause –, Entwicklungszusammenarbeit ins Zentrum der Politik zu stellen. Das ist der folgerichtige und vernünftige Handlungsansatz, der sich aus den vielen Katastrophen und Krisen dieser Welt ergibt.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wir als Entwicklungspolitiker sind momentan gefordert. Wir befinden uns in einem Umdenkungsprozess. Wie geht es weiter? Wie können wir Armut weltweit nachhaltig und dauerhaft bekämpfen? Die Millenniumsziele werden weiterentwickelt. Wir sind gut beraten, in dieser Debatte genau hinzuschauen: Wo haben wir in den letzten Jahren Erfolge erzielt? Wo sind Handlungsfelder, in denen wir als Entwicklungspolitiker noch tätig werden müssen? Wir müssen auf alle Fälle auf uns selbst schauen, also auf unsere Gesetzgebung und auf unser Wirtschaften, das sehr oft entwicklungspolitischen Bestrebungen entgegenläuft.
Herr Minister, Sie haben Arbeitsbedingungen und Produktionsbedingungen angesprochen. Ich möchte Folgendes deutlich herausstellen. Die ILO, die Internationale Arbeitsorganisation in Genf, spricht von 900 Millionen Menschen weltweit, die zwar erwerbstätig sind, aber weniger als 2 Dollar am Tag zur Verfügung haben, um sich und ihre Familie zu ernähren. Weniger als 2 Dollar trotz Erwerbstätigkeit! Wenn wir es zulassen, dass sich Menschen, die hart arbeiten und die zum Teil – leider – zwölf Stunden arbeiten müssen, mit ihrer Arbeit nicht aus extremster Armut befreien können, dann ist das ein bodenloser Skandal, der eigentlich nicht hingenommen werden kann.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir werden Armut auch nicht nachhaltig bekämpfen, wenn wir nicht menschenwürdiges Arbeiten ins Zentrum der Entwicklung setzen. 60 Prozent der Menschen in den ärmsten Entwicklungsländern sind unter 25 Jahre alt. Diese jungen Menschen brauchen Perspektiven, brauchen Arbeitsplätze mit menschenwürdigen Rahmenbedingungen, von denen sie sich vernünftig ernähren können.
Das Beispiel Bangladesch ist angesprochen worden. Ich war selbst in Bangladesch und habe mit Näherinnen gesprochen. Damals arbeiteten sie für einen Mindestlohn von 20 Euro im Monat. Dass man sich so nie aus der Armut befreien kann, ist völlig klar. Die Streiks in Kambodscha beweisen zu Recht, dass die Menschen auch in diesen Ländern beginnen, etwas an ihren Verhältnissen ändern zu wollen. Auch dies ist ein Prozess, den wir unterstützen und begleiten müssen. Deshalb freut es mich, und ich halte es für ganz wichtig, dass die Friedrich-Ebert-Stiftung in Bangladesch ein Büro eröffnet hat. Der Schwerpunkt der Arbeit dieses Büros liegt darauf, zivilgesellschaftliche Akteure, Gewerkschaften, Wissenschaftler und Medien zusammenzubringen, um den Menschen zu helfen, ihre Arbeitnehmerrechte durchsetzen zu können. Ich halte dies für einen zentralen Punkt der Entwicklungszusammenarbeit.
Wenn wir auch bei uns Veränderungen vornehmen wollen und müssen, dann müssen wir zu verbindlichen Regeln kommen, wenn es um die Verpflichtung geht, Sozialstandards und ökologische Standards einzuhalten; auch für unsere Unternehmen, die weltweit tätig sind. Das sind Regelungen, von denen ich glaube, dass wir sie bei uns treffen können und müssen. Das hat etwas mit Wertschöpfungsketten und Lieferketten, mit verbindlichen und transparenten Regeln zu tun. Nur so kann ein Verbraucher nachvollziehen, wie das Produkt entstanden ist. Ansonsten ist die viel zitierte Macht des Verbrauchers nur auf dem Papier vorhanden. Ich glaube, dafür müssen wir gemeinsam kämpfen.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ebenso wichtig ist der gesamte Bereich der sozialen Sicherung. Vor einem Jahr hatten wir eine Anhörung zum Thema Weiterentwicklung der Millenniumsziele, also der SDGs, wie es immer so schön heißt. Es wurde eines ganz klar: Krankheiten zum Beispiel kann man weltweit nur wirksam bekämpfen, wenn der Ansatz in ein ordentliches Gesundheitssystem eingebettet ist, sonst sind es punktuelle Hilfen, die den Menschen momentan helfen. Aber sie haben keine dauerhaften Wirkungen für die Menschen und weisen keinen Ausweg aus der Armut. Eines ist auch klar: Es muss um solidarische Versicherungssysteme gehen; denn es ist niemandem geholfen, wenn die ärmsten der Armen wieder keinen Zugang zu sozialer Sicherung, zur Krankenversicherung oder zur Absicherung finden, weil auf irgendeine Art und Weise, privatwirtschaftlich organisiert, doch das Geld entscheidet. Wir brauchen ein System, an dem alle partizipieren. Wir müssen soziale Sicherung auch deshalb machen – das haben auch Beispiele der letzten Wochen, Monate und Jahre bewiesen –, weil es eine gute Versicherung ist, damit Menschen nicht in extreme Armut zurückfallen. Mexiko und Brasilien sind Beispiele dafür, wo es gelungen ist, Menschen trotz Finanzkrise nicht in extreme Armut zurückfallen zu lassen, weil es einen Aufbau von sozialen Sicherungssystemen gibt. Ich glaube, diese Wege müssen wir weiter ausbauen.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zum Thema Klimaschutz ist viel Richtiges gesagt worden. Ich unterstreiche noch einmal: Wir haben eine Verantwortung als Industrieländer. Auch Schwellenländer haben eine wachsende Verantwortung. Aber wir haben eine historische Verantwortung dafür, dass der von uns verursachte Klimawandel katastrophale Folgen für die ärmsten der Armen und für die Entwicklungsländer hat. Dieser Verantwortung müssen wir uns stellen, müssen wir uns auch finanziell stellen. Der Aufwuchspfad für die Langfristfinanzierung im Klimabereich beschäftigt uns. Auch in diesem Bereich brauchen wir nicht nur Rahmenbedingungen, sondern auch finanzielle Mittel. Wir werden uns damit auseinandersetzen müssen, dass mittlerweile immer noch eineinhalb Milliarden Menschen auf dieser Erde keinen Zugang zu elektrischer Energie haben. Das ist ein unglaubliches Entwicklungshemmnis, aber auch eine riesige Herausforderung; denn die Fehler, die wir bei der Industrialisierung und dem Aufbau von Energiesystemen gemacht haben, können wir aufgrund der begrenzten Ressourcen des Planeten so nicht wiederholen. Wir müssen weg von einer Energiepolitik, die sich an fossilen Energien oder in manchen Bereichen an der Atomenergie ausrichtet. Wir müssen den Entwicklungsländern ein nachholendes Entwickeln ermöglichen, ohne dass sie hinsichtlich der Umweltverschmutzung dieselben Fehler machen, die wir schon gemacht haben.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Frau Kollegin, es wäre nett, wenn Sie ein bisschen auf Ihre Zeit achteten, die Sie schon liebevoll überzogen haben.
(Heiterkeit)
Die Gedanken sind sehr interessant, aber es gibt weitere Kollegen, die sprechen wollen. Deswegen wäre es schön, wenn Sie zum Schluss kämen.
Ich möchte selbstverständlich meinen Kollegen nicht die Zeit nehmen, ihre Gedanken, die ich auch für sehr wichtig erachte, darlegen zu können. Ich möchte nur einige Sätze zum Schluss sagen.
Wir brauchen auf der einen Seite Rahmenbedingungen; wir müssen gesetzgeberisch handeln. Wir brauchen auf der anderen Seite aber auch einen Aufwuchs bei den finanziellen Mitteln. Herr Minister, Sie haben einige Projekte genannt, ich habe einige Projekte genannt. Sie können sicher sein: In Ihrem Kampf um mehr Mittel für Entwicklungszusammenarbeit werden Sie alle hier versammelten Politiker auf Ihrer Seite haben.
Danke.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich erteile nun dem Kollegen Uwe Kekeritz, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3084263 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 10 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaftliche Zusammenarbeit |