Sibylle PfeifferCDU/CSU - Wirtschaftliche Zusammenarbeit
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „ Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit.“ Dieser Satz stammt von Kurt Schumacher – er ist einer der Lieblingssätze meines Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder –, und ich gebe ihm recht. Die Realität hat sich, auch in der Entwicklungspolitik, in den letzten Jahren massiv gewandelt. Neue Akteure und andere Aufgaben haben dazu geführt, dass wir nicht mehr so stark in den Kategorien „Geberländer – Nehmerländer“ denken. Wir wissen, dass viele Probleme nicht ausschließlich auf nationaler Ebene zu lösen sind, und auch, dass sie nicht an Landesgrenzen Halt machen. Dazu zählt zweifelsohne die Klimapolitik. Deshalb wollen wir von der CDU/ CSU-Fraktion dieses Thema zu unserem Hauptthema machen; denn hier wird deutlich, dass wir Veränderungen zum Positiven nur gemeinsam erreichen können.
Bisher waren die zentralen Fragen: Wie können wir CO 2 -basiertes Wirtschaftswachstum reduzieren? Wie können wir dabei gleichzeitig andere Länder wie China, USA, Indien usw. verbindlich in die klimapolitischen Ziele einbinden? Wie können wir dazu noch einen zu großen Anstieg der Erderwärmung verhindern? Ist das die Quadratur des Kreises? Ich weiß es nicht.
Für diese Fragen bietet sich zum Beispiel der G-8- Gipfel 2015 auf Schloss Elmau als geeignete Diskussionsplattform an. Dort könnte man sich auf gemeinsame Positionen in der Klimapolitik einigen. Wichtige Vorarbeit wurde übrigens bereits geleistet, nämlich 2009 auf der Klimakonferenz in Kopenhagen. Die dort eingegangenen finanziellen Zusagen an die Entwicklungsländer, ab 2020 100 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung zu stellen, und zwar von öffentlichen und privaten Gebern, sind definitiv keine Peanuts. Daher hoffe ich auf eine gewisse Dynamik in der Klimadebatte, auch was die Finanzierung betrifft; denn wir wollen hier weiterkommen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang zwei Punkte ansprechen. Erstens. Welche Auswirkungen hat der Klimawandel zum Beispiel auf Entwicklungsländer, direkt wie indirekt? Versandung, extreme Wetterphänomene, der Anstieg des Meeresspiegels, Ernteausfall, Hunger, Abholzung von Wäldern, Verstädterung – es gibt noch einiges mehr. Die Kosten für die Anpassung an veränderte Lebensumstände können viele Entwicklungsländer alleine nicht schultern. Daher müssen wir uns schon heute Gedanken machen, wie wir diese Länder dabei langfristig und nachhaltig unterstützen können. Versäumen wir das heute, wären die Folgen teuer, sowohl für die betroffenen Länder als auch für uns.
Zweitens. Wie binden wir die Entwicklungsländer in eine aktive Klimapolitik ein? Die zunehmende wirtschaftliche Entwicklung in diesen Ländern bedingt auch die Steigerung des Bedarfes an Energie, an Lebensmitteln oder anderen Gütern mit der Folge des vermehrten CO 2 -Ausstoßes. Was bringt es denn, wenn wir in Deutschland auf erneuerbare Energien setzen und gleichzeitig in den Entwicklungsländern aus Kostengründen unzählige neue, effizienzschwache Kohlekraftwerke gebaut werden? In weiten Teilen Afrikas würde sich doch zum Beispiel die Solarenergie als sinnvolle Alternative anbieten. Doch die Investitionskosten und das notwendige Know-how für die Installation und die Wartung dieser Anlagen sind gewaltig. Deshalb ist die Zusage von Kopenhagen übrigens auch so wichtig; denn durch diesen Hebel können wir unsere Partner unterstützen – zum beiderseitigen Nutzen. Das ist sozusagen eine Win-win-Situation mit unglaublichem Potenzial.
Gestatten Sie mir einige Gedanken zu ODA. Lassen Sie uns auch einmal überlegen, ob wir unser Verständnis vom Einsatz der öffentlichen Entwicklungsgelder in Teilen hinterfragen müssen. Viele Entwicklungsländer haben seit dem Ende des Kalten Krieges eine langanhaltende wirtschaftliche Entwicklung eingeschlagen. Sie generieren signifikante eigene Einnahmen, sei es aus Rohstoffhandel, aus eigenen Steuern, aus Steuern auf ausländische Direktinvestitionen oder sei es durch Rücküberweisungen von Migranten. Im Jahr 2010 beispielsweise erreichte die ODA weltweit eine Höhe von 127 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Die Gesamtsumme von Rücküberweisungen von Migranten in die Entwicklungsländer, also in ihre Heimatländer, betrug allein 326 Milliarden Dollar. Das ist ein Vielfaches der Entwicklungsgelder.
Die wichtigste Erkenntnis aus dieser Tatsache ist meines Erachtens, dass diese Einnahmen mittlerweile eine weitaus größere Rolle für die Finanzierung der Entwicklung spielen als öffentliche Entwicklungsgelder. Das festzustellen, gehört für mich zum Betrachten der Realitäten. Das ist im Übrigen ein großer Erfolg der Entwicklungsländer selbst.
Was bedeutet das für unser Verständnis von Entwicklungspolitik? Es gibt zwar immer noch Länder, in denen es um die Sicherung der Grundbedürfnisse geht – wir werden natürlich weiterhin unseren Beitrag leisten, wahrscheinlich sogar noch stärker als bisher –, aber viele Entwicklungsländer sind mittlerweile selbst zu vielem in der Lage: zum Aufbau eines Basisgesundheitssystems, zur Sicherung des Zugangs zu Nahrungsmitteln und Bildung oder einfach zum Aufbau stabiler staatlicher Strukturen. Das ist ein Erfolg, und das ist teilweise ein gemeinsamer Erfolg. Dabei hat sich gezeigt, dass der Entwicklungsprozess immer dann erfolgreich ist, wenn er aus den Ländern selbst kommt und zumindest zu einem gewissen Teil von ihnen selbst finanziert ist. Daher können und müssen wir in diesen Ländern anders arbeiten und eine andere Zusammenarbeit mit diesen Ländern betreiben.
Ich bin gleich fertig, Herr Präsident. Wenn Sie mir noch einen Gedanken gestatten würden.
Die Frage in diesem Zusammenhang lautet schlicht: Wie machen wir das? Diskutieren wir doch einmal über Ergebnisorientierung bei der Finanzierung. Und was bedeutet es, dass der Entwicklungsprozess in erster Linie in der Verantwortung der Partnerländer liegt? Denn unsere Partnerländer ernst zu nehmen, heißt, sich nicht nur auf gemeinsame Ziele zu einigen. Es bedeutet vielmehr, dass sie darüber entscheiden, wie sie die Ziele erreichen wollen, und sie sich sukzessive selbst mehr in die Pflicht nehmen, beispielsweise über eine steigende finanzielle Eigenbeteiligung. So könnten am Ende des Prozesses sich selbst tragende und funktionierende Programme entstehen. Ich glaube, das wäre ein großer Erfolg, ein gemeinsamer Erfolg.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Als Nächster hat das Wort der Kollege Niema Movassat, Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3084265 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 10 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaftliche Zusammenarbeit |