29.01.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 10 / Tagesordnungspunkt 1

Stefan RebmannSPD - Wirtschaftliche Zusammenarbeit

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebes neues Schriftführerteam!

(Heiterkeit – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Gewerkschafter spricht!)

– Ja, der Gewerkschafter spricht.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das merkt man nur manchmal nicht!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, ich finde, dass Sie heute Morgen im Ausschuss und auch jetzt hier im Plenarsaal eine sehr gute Vorstellung gegeben haben. Ich teile die Meinung des Kollegen Kekeritz: Sie werden nicht nur an Ihren Worten gemessen, sondern auch an Ihren Taten. Auch wir in der Großen Koalition werden an dem gemessen, was wir tatsächlich umsetzen.

Ich muss Ihnen auch sagen: Ich stimme Ihnen bei dem zu, was Sie heute Morgen im Ausschuss zum Image der Entwicklungspolitik gesagt haben, dass die Entwicklungspolitiker in der Welt umherreisen und das Geld verteilen. Ich finde, Entwicklungspolitik ist mehr, als Almosen zu verteilen, Kleidung und Nahrung an Bedürftige in der Welt zu verteilen. Entwicklungspolitik ist mehr, als hier und da eine Schule zu bauen. Und Entwicklungspolitik ist vor allem mehr, als zum Beispiel mit der berühmten Gießkanne durch Afrika zu gehen und Geld, Nahrung und Wasser zu verteilen – und hinterher vielleicht sogar noch zu erklären: Wir haben unseren Beitrag geleistet; nun schaut mal, wie ihr damit klarkommt und was ihr daraus macht! – Nein, Entwicklungspolitik ist viel mehr als das. Wir verstehen Entwicklungspolitik auch als globale Strukturpolitik, als eine Politik, mit der wir die Globalisierung nachhaltig und gerecht für alle Menschen gestalten wollen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Johannes Selle [CDU/CSU])

Damit hat Entwicklungspolitik für uns auch einen vorausschauenden und präventiven Charakter. Denn eine gute, abgestimmte und vor allen Dingen wirksame Entwicklungspolitik ist genau betrachtet – davon war heute schon mehrfach die Rede – auch Friedenspolitik.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Willy Brandt hat einmal sinngemäß gesagt: Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts. – Wenn wir uns die Frage stellen: „Was ist denn notwendig für ein friedliches Miteinander in der Welt? Was sind denn die Grundbedingungen für Frieden, für menschliche Sicherheit, für soziale Sicherheit, für Gesundheit, für gute Lebens- und Arbeitsbedingungen?“, dann sind wir nicht nur mitten in der Entwicklungspolitik, sondern eine Antwort darauf lautet tatsächlich: umgesetzte Entwicklungspolitik. Zu den Voraussetzungen für Frieden gehören auch faire Lebensbedingungen für die Menschen überall in der Welt. Das bedeutet: Zugang zu Nahrung und zu Wasser und zu Energie, Zugang zu Gesundheits- und sozialen Sicherungssystemen, das Recht auf Bildung für alle und damit die Chance auf einen Arbeitsplatz, auf eine eigene Zukunftsgestaltung. Das bedeutet auch: fairere Arbeitsbedingungen und bessere Entlohnung. Das bedeutet: Beteiligungsrechte, demokratische Strukturen, nicht korrupte Justizsysteme und vieles mehr.

Frieden braucht menschliche Sicherheit. Jeder Einzelne braucht die Chance, sich eine eigenständige Zukunft aufzubauen. All das ist Friedenspolitik und Entwicklungspolitik zugleich. Dazu können, wollen und müssen wir unseren Beitrag leisten, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir leisten unseren Beitrag dazu mit einer Politik, die sich ressortübergreifend dem Ziel einer besseren, friedlicheren, sozial gerechteren und chancenreicheren Welt für alle Menschen verpflichtet fühlt.

Um das zu erreichen, brauchen wir nicht nur die Unterstützung anderer Staaten und eine abgestimmte europäische Entwicklungspolitik, sondern sind besonders auf die engagierte und wertvolle Arbeit der vielen zivilen Akteure angewiesen: der Gewerkschaften, der Kirchen, der politischen und privaten Stiftungen und der zahlreichen anderen Nichtregierungsorganisationen, die eine hervorragende Arbeit leisten.

Das Gleiche gilt in besonderem Maße für die Förderung der Friedens- und Konfliktforschung, die wir stärker unterstützen und ausbauen wollen: Wir wollen die deutschen Institutionen für Friedensförderung und Friedensforschung – wie das Berliner Zentrum für Internationale Friedenseinsätze, zif, das Forum Ziviler Friedensdienst, forumZFD, die Bundesakademie für Sicherheitspolitik und die Deutsche Stiftung Friedensforschung – künftig noch stärker in die Politikberatung einbeziehen, weil sie einen wichtigen – wie ich meine und wie es uns zahlreiche Wissenschaftler bestätigen: unverzichtbaren – Beitrag leisten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Friedensförderung, der Aufbau von rechtsstaatlichen Strukturen und sozialen Sicherungssystemen sowie die Schaffung von zivilen, gewaltfreien Konfliktlösungsmechanismen bitter nötig sind, steht außer Zweifel. Wenn wir uns die Ursachen für Wanderungsbewegungen, für Flucht und Vertreibung anschauen – die wir ja auch gegenwärtig erleben und die zum Teil recht unseriös und unschön diskutiert werden –, dann erkennen wir: Wir dürfen nicht nur die Symptome behandeln, sondern müssen vor allem die Ursachen bekämpfen.

Ich bin der festen Überzeugung: Jeder Euro, den wir zielgerichtet und effektiv in unsere Entwicklungspolitik investieren, um so zu versuchen – nicht nur, aber auch –, die Ursachen für Flucht und Vertreibung nicht erst am Verhandlungstisch zu verändern und zu beseitigen, lohnt sich. Jeden Euro, den wir – noch einmal – zielgerichtet in die Entwicklungspolitik investieren, um die Grundlagen für eine menschliche, gesellschaftliche, wirtschaftliche, soziale und friedliche Entwicklung zu schaffen, um also den Menschen eine faire Chance auf eine eigenständige Zukunft zu ermöglichen und ihren Kindern und Familien eine Perspektive zu geben, werden wir doppelt und dreifach zurückbekommen.

Entwicklungspolitik ist also nicht das Verteilen von Almosen, sondern Entwicklungspolitik ist ethisch, moralisch und ökonomisch vernünftig und notwendig. Deshalb muss die Entwicklungspolitik künftig viel mehr im Zentrum unseres politischen Handelns und auch in der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Und besser finanziert werden! Und gut ausgestattet werden!)

Als Nächste hat unsere Kollegin Claudia Roth, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3084267
Wahlperiode 18
Sitzung 10
Tagesordnungspunkt Wirtschaftliche Zusammenarbeit
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