29.01.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 10 / Tagesordnungspunkt 1

Dagmar WöhrlCDU/CSU - Wirtschaftliche Zusammenarbeit

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Claudia, ich freue mich auf die zukünftige Zusammenarbeit im Ausschuss. Ich heiße dich als Neuling bei uns im Ausschuss herzlich willkommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor 100 Jahren hat Deutschland Russland den Krieg erklärt. Eine Generation später hat Deutschland Polen überfallen; es ist der Zweite Weltkrieg entfacht worden. Auf diesen Ruinen unseres politisch-moralischen Versagens haben wir Europa gebaut. Ich glaube, Europa kann als Entwicklungsmodell für eine globale Strukturpolitik dienen,

(Johannes Selle [CDU/CSU]: Das stimmt!)

und zwar im Hinblick auf Wertekonsens, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, sozial-ökologische Marktwirtschaft.

Es ist mehr als protokollarische Höflichkeit, wenn hohe Vertreter von internationalen Organisationen, die uns immer wieder im Ausschuss besuchen, an uns öfter die Bitte herantragen, dass Deutschland international bei ordnungspolitischen Debatten eine Leadership-Funktion übernehmen solle, zum Beispiel bei Global Governance. Jetzt will ich nicht, dass wir uns anmaßen, eine Leadership-Funktion zu übernehmen, aber vielleicht könnte es eine „small Leadership“-Funktion sein: nicht oberlehrerhaft, nicht selbstgefällig, nicht populistisch, sondern ergebnisorientiert und nachhaltig.

Unser Frieden und unser Wohlstand sind nicht nur modellhaft, sondern sie verpflichten uns auch. Sie verpflichten uns zu mehr internationaler Verantwortung. Und sie verpflichten uns, international ein verlässlicher Partner zu sein.

Eine der besonders tragenden Säulen dafür ist die Entwicklungspolitik; denn bei aller Notwendigkeit militärischer Interventionen: Nur eine nachhaltige Entwicklungspolitik kann der Garant für Wohlstand und Frieden in dieser Welt sein. Hier brauchen wir einen einheitlichen Ansatz. Wir brauchen internationale Zusammenarbeit aus einem Guss. Hier haben wir eine moralische Bringschuld – das ist angesprochen worden – zur Wahrung der Menschenrechte, zur Lösung von Konflikten und zur Gestaltung einer gerechten und globalen Werteordnung.

Ich spreche es hier an: Mich hat es befremdet, wie abschätzig in der Presse im Zuge der Ressortverteilung über Entwicklungspolitik gesprochen worden ist, so nach dem Motto: Wer will denn das überhaupt werden? Wer ist denn auf diesem Gebiet überhaupt tätig? Es sind aber dieselben, die von uns internationale Verantwortung einfordern. Das ist nicht in Ordnung, auch mit Blick auf die Außenwirkung nicht. Es ist nicht in Ordnung mit Blick auf die vielen Tausend Menschen, die sich in diesem Bereich ehrenamtlich engagieren, den vielen Jugendlichen, die freiwillig Entwicklungsdienste leisten, und den vielen Entwicklungshelfern, die weltweit aktiv sind, um den Ärmsten der Armen in schwierigsten Situationen zu helfen. Das verdient mehr Respekt und Anerkennung. Das erwarte ich auch von den Medien.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

In den Koalitionsverhandlungen haben wir bewusst Sicherheitspolitik, Außenpolitik und Entwicklungspolitik als Ganzes verhandelt. Das ist auch gut so. Denn wir können Frieden, Sicherheit, Wohlstand und Teilhabe nur dann erreichen, wenn wir einen abgestimmten Politikansatz haben. Es geht nicht, dass jeder für sich alleine agiert; wir brauchen die Politikkohärenz und ein abgestimmtes Verhalten. Wir wollen auch in der Außen- und Sicherheitspolitik eine mehr proaktive Rolle im internationalen Konfliktmanagement übernehmen.

Auch Europa – das ist bereits zu Recht angesprochen worden – muss bei der Krisenreaktion und Krisenprävention vorangehen. Europa muss darin gestärkt werden, zukünftig als eine Einheit zu handeln. Wir müssen uns bemühen, die Kräfte vor Ort, ob die Afrikanische Union oder die Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten, in ihrer Eigenverantwortung zu unterstützen, damit sie langfristig ihre Regionen selbst stabilisieren können.

Wir brauchen einen fairen und verlässlichen Welthandel. Wir müssen darauf achten, dass die Entwicklungsländer auf dem Entwicklungspfad voranschreiten können, damit sie die Möglichkeit bekommen, auch internationale soziale Standards einzuhalten, und zum Wohle ihrer Bevölkerung Welthandel treiben können. Wir wünschen uns Handelspartner auf Augenhöhe. Ich sehe die Entwicklungspolitik auch als vorausschauende Friedenspolitik, nicht zuletzt auch im eigenen Interesse. Wir wollen nicht, dass zukünftig alle diese Themen und Probleme Teil unserer Innenpolitik sind. Deshalb wollen wir, dass die Friedenspolitik vorausschauend ist und dass wir hier präventiv tätig werden.

Es ist unsere Zukunftspolitik, und es ist unsere Aufgabe, in die anderen Politikgremien bzw. in die anderen Ministerien hineinzutragen, dass auch wir in der globalen Welt die Zukunft für die Generation unserer Kinder und für viele Menschen auf dieser Welt mit zu gestalten haben.

Eines muss klar sein – ich glaube, es ist uns auch allen klar, dass es leider so ist –: Die meisten unserer Einsätze sind eher Feuerwehreinsätze. Es sind Feuerwehreinsätze, für die leider gilt, dass zeitlich befristete Krisenprogramme und mandatierte Militärinterventionen nur eine Unterbrechung oder im günstigsten Fall die Beilegung einer Krise oder eines Konflikts erzwingen. Das gilt für die Not- und Übergangshilfe. Sie ist ohne Frage überlebensnotwendig. Aber meistens schaffen wir es nur, die Menschen durchzubringen, bis die nächste Krise kommt.

Leider schaffen es die ärmsten Länder nicht, sich von selbst zu regenerieren. Sie sorgen nicht vor. Jeder zweite Bürgerkrieg in Afrika ist ein Rückfall. Das muss uns zu denken geben, auch dahin gehend, dass wir es so, wie wir bisher gehandelt haben, nicht schaffen, Krisen in der Zukunft zu verhindern. Das heißt, wir müssen versuchen, die Menschen vor Ort zu befähigen, wie eine Art Stehaufmännchen mit Krisen und Konflikten fertig zu werden. Fachleute sprechen dabei von Resilienz.

Ich bin dankbar, dass die Welthungerhilfe das Konzept der Resilienz in der Entwicklungszusammenarbeit im jüngsten Welthungerindex zum Schwerpunkt gemacht hat. Die Europäische Union hat dies erstmals mit SHARE in Äthiopien gemacht.

Ich bin dankbar, dass der Minister angekündigt hat, zukünftig zehn grüne Zentren aufzubauen. Es geht darum, dass die betroffenen Menschen selbst vorsorgen können. Selbsthilfekräfte müssen geweckt und gestärkt werden. Nur so kann die Entwicklungsspirale aufwärts verlaufen.

Eines wissen wir mit Sicherheit: Wirtschaftswachstum und Wohlstandsteilhabe reduzieren nachweislich das Risiko, erneut in eine Konfliktfalle zu geraten. Dabei helfen viele mit. Es gibt in den Entwicklungsländern starke Frauen, die in der Prävention und auch in der Mediation zur Lösung von Konflikten sehr aktiv sind. Viele haben wir auf unseren Delegationsreisen und bei der zivilen Friedensarbeit kennengelernt. Ich wünsche der neuen Präsidentin Catherine Samba-Panza Mut und Kraft, in der Zentralafrikanischen Republik einen friedlichen Übergang zu Neuwahlen zu schaffen.

Das alles ist nicht zum Nulltarif zu haben. Wir haben uns im Koalitionsvertrag zum 0,7-Prozent-Ziel bekannt. Die Bundeskanzlerin hat 2 Milliarden Euro zusätzlich in die Waagschale geworfen. Wir sind der drittgrößte Geber der Welt. Wir reden also nicht nur von internationaler Verantwortung, sondern nehmen sie auch wahr. Aber ich warne davor, auf diese magische Zahl wie das Kaninchen auf die Schlange zu schauen. Wir müssen auch alternative Problemlösungen im Blick haben. Dazu gehören die Kooperation mit der Wirtschaft und zukünftig die Kooperation mit Schwellenländern, die in diesem Bereich erst in ihre Rolle hineinwachsen müssen.

Frau Kollegin.

Ich komme zum Schluss. – Wir haben eine gute Roadmap für die nächsten vier Jahre. Wir stehen vor großen Herausforderungen und haben viel Verantwortung. Wir wollen dieser Verantwortung gerecht werden. Eigentlich liegt es nur an uns. Ich sage daher einfach: Let’s do it.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte Sie kurz darauf hinweisen, dass nach dem letzten Debattenbeitrag die Wahlergebnisse von heute Nachmittag bekannt gegeben werden.

Unser letzter Debattenbeitrag ist zugleich der erste Debattenbeitrag der Kollegin Gabriela Heinrich von der SPD-Fraktion. Bitte, Sie haben das Wort, Frau Heinrich.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3084269
Wahlperiode 18
Sitzung 10
Tagesordnungspunkt Wirtschaftliche Zusammenarbeit
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta