30.01.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 11 / Tagesordnungspunkt 1

Klaus ErnstDIE LINKE - Wirtschaft und Energie

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, ich bin ehrlich: Ich freue mich,

(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wir auch!)

dass die FDP inzwischen nicht mehr den Wirtschaftsminister stellt. Ich teile diese Freude mit vielen Bürgern in unserem Lande. Inzwischen gibt es aber auch Besorgnis und Irritation; denn wir erinnern uns, mit welchem Wahlprogramm, mit welchen wirtschaftspolitischen Forderungen Sie gestartet sind, und wir wissen, was im Koalitionsvertrag davon übrig geblieben ist.

(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Eine ganze Menge!)

Ich möchte das an folgenden Punkten verdeutlichen:

Die Kanzlerin hat gestern gesagt: Deutschland geht es gut, die Wirtschaft wächst. – Da dürfen Sie klatschen. Das hat sie gesagt. Dass Sie nicht klatschen, zeigt, dass offensichtlich auch Sie der Meinung sind, dass es Deutschland nicht automatisch gut geht, wenn es der Wirtschaft gut geht, wenn wir Wachstum haben. Die Realität sieht anders aus: Tatsächlich ist es so, dass das Bruttoinlandsprodukt von 2000 bis 2013 um knapp 15 Prozent gewachsen ist. Toll! Im selben Zeitraum sind die Löhne – das ist brutto wie netto annähernd gleich – um nur knapp 1 Prozent gewachsen. Das bedeutet: Die Löhne in unserem Land sind von der wirtschaftlichen Entwicklung völlig abgekoppelt worden. Jetzt frage ich Sie, Herr Minister – auf diese Frage hätte ich mir eine Antwort gewünscht –, was Sie dagegen zu tun gedenken. Glauben Sie wirklich, dass Sie durch einen Mindestlohn von 8,50 Euro das Wachstum so ankurbeln können, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wieder am wirtschaftlichen Wachstum beteiligt sind?

Schauen wir, wie es Deutschland wirklich geht. Schauen wir auf die Rentner: Die Renten der langjährig Versicherten sind von 2000 bis 2012 im Westen real um 19 Prozent gesunken, im Osten um knapp 23 Prozent. Wir haben eine Situation, in der die Wirtschaft zwar wächst, die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger von diesem Wachstum aber nicht profitiert. Das ist im Übrigen nicht nur das Ergebnis der Politik der letzten Regierung, sondern auch der Politik der vorherigen Regierung.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben in Ihrem Wahlprogramm eine gerechte Steuerpolitik versprochen. Doch weder in der Regierungserklärung der Kanzlerin gestern noch in Ihrer heutigen Rede habe ich gehört, dass es dafür notwendig ist, über die Steuern insbesondere bei denen hinzulangen, die in den letzten Jahren ganz besonders begünstigt wurden.

Was ist mit einer Einführung einer Vermögensteuer? Was ist mit einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes? Dies hatten Sie vollmundig angekündigt. Nichts davon ist übrig geblieben. Von der Entwicklung der Wirtschaft haben nur die wirklich profitiert – von 2000 bis 2012 plus 32 Prozent –, die ihr Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen beziehen. Der gesamte Zuwachs der Wirtschaft in den letzten zwölf Jahren kam eindeutig nur dieser Gruppe zugute. Das haben Sie noch vor der Wahl kritisiert. Aber bei dem, was die Regierung zu tun gedenkt, findet sich nichts mehr dazu. Das ist eigentlich Etikettenschwindel, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Gestern hat Frau Merkel gesagt – ich möchte sie zitieren –: „Die soziale Marktwirtschaft ist unser Kompass“. Sie, Herr Minister, haben sich ebenfalls positiv darauf bezogen. Sie hat des Weiteren gesagt: „Die soziale Marktwirtschaft ist unser Kompass, weil ihre Prinzipien zeitlos gültig sind“.

Jetzt möchte ich einmal zitieren, was einer der Väter der sozialen Marktwirtschaft, nämlich Ludwig Erhard, zu solch einer Entwicklung geschrieben hat:

Was bedeutet das? Das, was bei uns geschieht, die von der Entwicklung abgekoppelten Löhne bzw. abgekoppelten Einkommen der Massen, passt nicht in die soziale Marktwirtschaft.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Jetzt erklären Sie uns nicht Ludwig Erhard! Das fehlt noch!)

Ich vermisse jede Initiative dieser Regierung, das grundsätzlich zu ändern.

(Beifall bei der LINKEN)

Was wäre wichtig? Die Löhne müssten erhöht werden und die Binnennachfrage müsste gesteigert werden. Der Mindestlohn, so wie er jetzt ausgestaltet werden soll, reicht hinten und vorne nicht. Die Lohnbremsen müssten aus dem entsprechenden Gesetz.

Meine Damen und Herren, ja, das ist auch wichtig für die Stabilität Europas. Sie haben uns ja gerade noch einmal Europafeindlichkeit vorgeworfen. Glauben Sie etwa, Herr Minister, dass die deutschen Überschüsse beim Außenhandel von 2000 bis 2013 in Höhe von 1,6 Billionen Euro ein Beitrag zur Stabilität Europas sind? Glauben Sie etwa, dass die Überschüsse gegenüber der EU in Höhe von 1,16 Billionen Euro ein Beitrag zur Stabilität in der Welt sind? Wie wollen Sie das bitte schön ändern?

Ich möchte Sie an das Stabilitätsgesetz erinnern. Dort heißt es in § 1:

– das ist ein Punkt unter anderen – ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht hergestellt wird. Von einem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht sind wir himmelweit entfernt. Europafeindlich sind die, Herr Minister, die nicht für ausgeglichene Handelsbilanzen sorgen, sondern diese durch Lohndumping in der Bundesrepublik Deutschland verhindern; denn so kann Europa nicht zusammenwachsen, vielmehr wird ein gemeinsames Europa so zerstört. Ich sage mit aller Klarheit, Herr Minister, dass diejenigen europafeindlich sind, die hier nicht für Änderungen sorgen.

(Beifall bei der LINKEN)

Gegenwärtig finden Verhandlungen statt – das wissen wir – über eine Neuregelung der Handelsbeziehungen zu den Vereinigten Staaten. Herr Minister, Sie haben gerade gesagt, dass Sie für mehr Transparenz sorgen wollen. Diese Verhandlungen finden im Geheimen statt. Dort steht vieles auf dem Spiel, was auch für die Bundesrepublik Deutschland von Bedeutung ist. Es geht letztendlich sogar darum, im Bereich des Investitionsschutzes eine Gerichtsbarkeit einzuführen, die unabhängig von den nationalen Gesetzen dafür sorgt, dass sich die Gewinninteressen der Unternehmen durchsetzen können. Das alles findet hinter verschlossenen Türen statt. Nichts legen Sie offen. Herr Minister, wenn Sie hier von Transparenz reden, dann wäre der erste Akt, dass Sie sagen, was dort eigentlich passiert, und dass Sie bereit sind, die deutschen Bürgerinnen und Bürger, auch dieses Parlament, davon in Kenntnis zu setzen, was genau dort eigentlich verhandelt wird. Herr Gabriel, das wäre dringend notwendig.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Schluss, meine Damen und Herren: Herr Minister, ich hoffe, dass sich die Enttäuschung über Ihr Regierungsprogramm vor dem Hintergrund Ihres Wahlprogrammes ein wenig dadurch in Grenzen halten wird, dass Sie zumindest an den Punkten deutlich nachbessern, die in die richtige Richtung gehen. Bisher bleiben Sie dort deutlich hinter den Anforderungen zurück. Das betrifft die Themen Mindestlohn, Leiharbeit und befristete Beschäftigung sowie die Entwicklung der Renten. Beim Rentenniveau nehmen Sie nichts in Angriff; es müsste aber deutlich erhöht werden. Herr Minister, nichts, aber auch gar nichts habe ich eben darüber gehört.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort erhält nun der Kollege Michael Fuchs für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3084822
Wahlperiode 18
Sitzung 11
Tagesordnungspunkt Wirtschaft und Energie
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