Oliver KrischerDIE GRÜNEN - Wirtschaft und Energie
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Sigmar Gabriel, wenn Sie hier das höchste Lob von Michael Fuchs bekommen, dem letzten Freund der Atomkraft in Deutschland, sollten Sie sich schon fragen, ob Sie sich mit Ihrer eigenen Politik noch in den richtigen Koordinaten bewegen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Hier ist ja schon viel über Ministerpräsidenten gesprochen worden, die Sie kritisieren; aber schauen Sie sich einmal an – das habe ich im Lande draußen wahrgenommen –, wer Sie gelobt hat: Das war Günther Oettinger, und das war Peter Terium, und das ist jetzt Michael Fuchs. Wer solche Freunde hat, Herr Gabriel, der sollte sich einmal überlegen, ob sein Kurs noch stimmt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Nachdem ich mir das, was Sie in Ihrer Rede vorgetragen haben, angehört habe,
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Kommen jetzt die Sachargumente?)
komme ich zu der Vermutung, dass Sie einem fundamentalen Irrtum unterliegen. Die Deckelung der erneuerbaren Energien und die Ausbaubremse könnte man hier so vorschlagen und vortragen, wenn der Anteil der erneuerbaren Energien bei 75 bis 80 Prozent liegen würde. Er liegt aber erst bei 25 Prozent. Das ist zwar ein toller Erfolg,
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
aber es fehlt noch viel bis 75 Prozent, weshalb es ein großer Fehler ist, die Erneuerbaren zu deckeln.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, all das hat auch nichts mit Kosteneffizienz zu tun. Ich empfehle hier einmal einen Blick in das Papier, das Sie selber geschrieben haben. Darin steht völlig richtig: Die Windenergie an Land ist die kosteneffizienteste Form, Strom zu erzeugen, nämlich günstiger und preiswerter als Strom aus neuen Kohle- und Gaskraftwerken. – Diese erneuerbare Energieform zu deckeln, hat nichts mit Kosteneffizienz zu tun, sondern das treibt den Strompreis in der Zukunft.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie haben dann auch viel über die Ausnahmen und das Beihilfeverfahren geredet, das uns hier droht. Ja, das ist völlig richtig. Dieses Thema diskutieren wir hier seit zwei Jahren rauf und runter und beschäftigen uns mit möglichen Vorschlägen dazu, was man gegen die absurde Ausweitung der Ausnahmen für die Industrie tun kann. Wir haben den konkreten Vorschlag gemacht, uns auf die Strompreiskompensationsliste der EU-Kommission zu beziehen. Ich habe von Ihnen jetzt aber schon wieder nichts dazu gehört, wie Sie diese Ausnahmen beschränken wollen. Zu Bereichen, in denen es wirklich um Kosteneffizienz geht und in denen Kostengerechtigkeit hergestellt werden muss, kommt von Ihnen gar nichts; da verstecken Sie sich hinter taktischen Spielchen nach dem Motto, man dürfe nicht verraten, was man will. Das ist doch absurd. Legen Sie endlich einmal auf den Tisch, was Sie hier vorhaben!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Eines kann ich Ihnen sagen: Die angeblich zu hohen Industriestrompreise sind ein Ammenmärchen. Herr Fuchs hat das gerade ja auch wieder erzählt. Der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft – das ist der Lobbyverband der stromintensiven Industrie – schreibt auf seiner Internetseite, dass wir in Deutschland die niedrigsten Industriestrompreise seit zehn Jahren haben.
Wenn es in Stahlunternehmen oder sonst wo Probleme gibt, wie beispielsweise bei ThyssenKrupp, dann hat das nichts mit hohen Strompreisen zu tun, sondern mit Managementfehlern, weil man zum Beispiel in Brasilien in absurde Abenteuer investiert hat. Das und nicht die hohen Industriestrompreise sind die Probleme, die die energie- und stromintensive Industrie in Deutschland hat.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Ihre Pläne führen dazu – das tun Sie hier ein wenig als den regionalen Protest aus den Ländern ab –, dass Anlagen für die günstige Form der Erneuerbaren, das, was wir in Zukunft als Hauptlastträger brauchen, nämlich für die Windenergie, nur noch an günstigen Standorten gebaut werden können. Es geht hier nicht nur um einen Korridor, sondern eine ganze Reihe von Maßnahmen führt dazu, dass Planungen für Windenergieanlagen gestoppt werden und dass das alles nicht vorangeht. Damit sorgen Sie hier für einen Fadenriss. So kann man keine Energiewende machen. Damit erreichen wir nicht das Ziel, in den nächsten Jahrzehnten zu 100 Prozent erneuerbare Energien zu kommen. Das wird am Ende nicht funktionieren.
Sie tun auch noch etwas anderes. Hier darf ich einmal Herrn Homann, den Präsidenten der Bundesnetzagentur zitieren. Er sagt, dass Sie durch die Deckelung der erneuerbaren Energien, den reduzierten Ausbau bzw. die Halbierung des Ausbautempos das infrage stellen, was wir in der letzten Legislaturperiode mühevoll im Konsens geschaffen haben, nämlich die Netzausbauplanung. Damit zerstören Sie das, was Sie eben selber gefordert haben: die Akzeptanz für den Netzausbau. Das ist die falsche Politik. Das darf am Ende nicht passieren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich sage Ihnen noch etwas: Ihre Planungen werden dazu führen, dass die erneuerbaren Energien nicht einmal den wegfallenden Atomstrom werden ersetzen können. Das heißt am Ende, Sie wollen den Atomstrom durch Braunkohle ersetzen. Das scheint ja offensichtlich die Planung der Politik zu sein. Wenn Sie sich damit durchsetzen, dann machen Sie aus der Energiewende eine Braunkohlewende, und das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Sigmar Gabriel zeigt damit aber eine gewisse Konsistenz in seiner Politik. Damals, als er noch Bundesumweltminister war, hat er einmal sogar 30 neue Kohlekraftwerke gefordert, zeitweise sogar 50 neue Kohlekraftwerke.
(Sigmar Gabriel, Bundesminister: Das ist gelogen! Freche Lüge!)
Da kann man ja froh sein, dass es dazu nicht gekommen ist. Es sind weniger als zehn gebaut worden. Wenn Sie heute mit denen reden, die diese Kraftwerke auf die Empfehlung von Sigmar Gabriel gebaut haben,
(Zuruf von der SPD: Stimmt nicht! Quatsch!)
dann sagen Ihnen alle unisono, dass das ein Fehler war; denn alle diese Kraftwerke schreiben inzwischen rote Zahlen und sind nur Verlustbringer. Das zeigt: Kohlekraft ist nicht nur ein Schaden fürs Klima, sondern auch ein Schaden für Stadtwerke und für diejenigen, die fälschlicherweise in solche Kraftwerke investiert haben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, wir haben eben gehört, der Emissionshandel solle repariert werden. Ich staune über diese Aussage, weil im Koalitionsvertrag etwas anderes steht. Es ist aber richtig: Wir brauchen einen funktionierenden Emissionshandel, damit die Betreiber von Braunkohlekraftwerken für die dadurch entstehenden Umweltschäden tatsächlich zahlen müssen und so Gaskraftwerke, die bisher aus Kostengründen stillstehen, eine Chance am Markt haben. Aber im Koalitionsvertrag steht dazu etwas völlig anderes.
Herr Kollege Krischer, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?
Gerne.
Bitte schön, Herr Kollege.
Sie haben erwähnt, dass in den letzten sieben Jahren neue Braunkohlekraftwerke entstanden sind, und zwar weniger als zehn. Können Sie diese bitte einmal benennen? Das ist mir neu.
Ich habe erwähnt, dass in Deutschland weniger als zehn neue Kohlekraftwerke gebaut worden sind. Das sind so schöne Projekte wie das Kraftwerk Walsum, das Kraftwerk Neurath, das Kraftwerk Karlsruhe, das Kraftwerk Lünen usw. Ich kann Ihnen die Projekte alle aufzählen: Es sind am Ende weniger als zehn. Aber fragen Sie einmal bei den kommunalen Betreibern, den Stadtwerken, zum Beispiel in Ulm oder Aachen, nach, die in diese Projekte investiert haben. Alle sagen Ihnen – und da danke ich Ihnen für die Frage, weil ich das so ausführen kann –: Um Gottes willen, hätten wir das bloß nie gemacht! – Diese Kraftwerke sind nämlich ein Verlustbringer; die Investoren haben die Entwicklung der Erneuerbaren unterschätzt. Von daher hat eben die Kohlekraft keine Zukunft.
Das waren Fehlinvestitionen, ausgelöst von der ersten Großen Koalition. Diese hat überhaupt nichts zur Energiewende beigetragen, sondern ganz im Gegenteil dafür gesorgt, dass heute kommunale Unternehmen bzw. Stadtwerke große Probleme haben und sagen: Hätten wir doch bloß stärker in Erneuerbare investiert, statt uns auf diese Versprechen im Hinblick auf Kohlekraftwerke zu verlassen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich sage Ihnen: Bei Ihnen kommt auch der Klimaschutz unter die Räder. Er ist inzwischen zu einem bloßen Randthema verkommen. Der Klimaschutz kommt zwar noch irgendwie beim Thema erneuerbare Energien und Energiewende vor, aber tatsächlich ist es – darum geht es doch – das Hauptargument für die Erneuerbaren, dass so unsere Lebensgrundlagen erhalten werden können. Das kommt bei Ihnen aber gar nicht vor.
Ein weiterer Punkt kommt bei Ihnen gar nicht vor: Diejenigen, die die Energiewende in der Vergangenheit vorangebracht haben, waren Privatpersonen und Bürgerenergiegenossenschaften. Es handelte sich um eine Bürgerenergiewende. Dieser Punkt taucht in Ihren Papieren überhaupt nicht auf. Die Frau Kanzlerin hat gestern gesagt, die Menschen sollen im Mittelpunkt der Energiewende stehen. – Damit können angesichts Ihrer Politik ganz offensichtlich nicht die Menschen gemeint sein, die diese Energiewende unterstützt haben, nämlich Privatpersonen und Bürgergenossenschaften und eben keine Energiekonzerne. Es darf nicht sein, dass Sie dieses Engagement kaputtmachen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Eines muss man noch sagen: All das, was Sie jetzt vorgelegt haben, betrifft nur das EEG. Zu den ganzen anderen Fragen wie Energieeffizienz, bei der wir unbedingt vorankommen müssen und die selbst in Ihrem Koalitionsvertrag als zweite Säule der Energiewende bezeichnet wird, haben wir noch gar nichts gehört. Gleiches gilt für die Frage des Strommarktdesigns. Wir haben nichts dazu gehört, was diese Koalition, was der Minister an dieser Stelle will. Zu all dem liegt nichts vor. Das alles sind aber sehr entscheidende Fragen. Sie konzentrieren sich allein auf ein Ausbremsen der Windenergie onshore. Das ist der falsche Weg.
Ja, wir haben Ihnen – Sie haben eben darauf hingewiesen – einen Konsens angeboten. Wir haben einen Vorschlag gemacht, und es gibt, wie ich sehe, in der Tat Punkte, in denen wir eine gemeinsame Auffassung vertreten. Aber es kann nicht angehen, dass Sie die kostengünstigste Form der erneuerbaren Energien, die kostengünstigste Form der Stromerzeugung jetzt mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen deckeln und infolgedessen die entsprechenden Projekte landauf, landab gestoppt werden. Das darf an der Stelle nicht passieren. Dann kann es nur noch darum gehen – ich fürchte, das wird leider die Debatte der Zukunft sein –, dass es nicht mehr um Konsens geht, sondern nur noch darum, das Schlimmste zu verhindern. Aber die Hoffnung stirbt bei uns zuletzt.
Unser Angebot haben Sie, dass wir an der Stelle einen gemeinsamen Weg gehen. Aber dazu wird sich an Ihren Vorschlägen einiges ändern müssen.
Ich danke Ihnen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zu einer direkten Erwiderung erhält der Bundeswirtschaftsminister das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3084887 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 11 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaft und Energie |