30.01.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 11 / Tagesordnungspunkt 1

Cansel KızıltepeSPD - Finanzen und Haushalt

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Es soll laut Koalitionsvertrag um die Gestaltung von Deutschlands Zukunft gehen. Dazu kann die Finanzpolitik einen wichtigen Beitrag leisten. In diesem Zusammenhang sind zwei Punkte besonders wichtig: zum einen die Erzielung von mehr Steuergerechtigkeit und zum anderen die Finanzmarktregulierung. Damit soll ein solidarischer, gerechter Lastenausgleich erreicht werden. In Deutschland sind wir davon allerdings noch weit entfernt.

Zum ersten Punkt. Zukunftsfähigkeit bedeutet größere Handlungsfähigkeit des Staates durch mehr Steuergerechtigkeit. An Instrumenten für eine gerechte, nachhaltige Finanzpolitik wäre eigentlich kein Mangel. Wir als SPD stehen auch weiterhin für eine Vermögensbesteuerung und für die Erhöhung des Spitzensteuersatzes, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN)

Damit es in unserem Land gerechter zugeht, ist eine größere Steuergerechtigkeit unabdingbar. Wir werden eine stärkere und intensivere Verfolgung von Steuerhinterziehern auf den Weg bringen; denn Deutschland verliert durch Steuerbetrug und die sogenannte Steueroptimierung jedes Jahr Milliarden von Euro. Es geht hier frei nach der KB-Methode – kaltblütiger Betrug – um die Bereicherung Einzelner auf Kosten der Allgemeinheit. Dieses Verstecken vor der gesellschaftlichen Solidarität muss ein Ende haben.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN sowie des Abg. Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU])

Daher bin ich froh darüber, dass im Bundesrat Ende 2012 das Steuerabkommen mit der Schweiz verhindert werden konnte. Wenn man sich die Anzahl der Selbstanzeigen im letzten Jahr im Vergleich zu 2012 ansieht, kann man einen wahren „Hoeneß-Boom“ erkennen. Wir von der SPD wollen zusammen mit der Union, wenn ich Herrn Schäuble richtig verstanden habe, kein Spekulieren auf Hoeneß-Effekte, sondern wir wollen die Steuerhinterziehung ausmerzen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Cajus Caesar [CDU/CSU])

Daher ist es jetzt unsere Aufgabe, die Regelung zur strafbefreienden Selbstanzeige so zu entwickeln, dass der milde Umgang mit Steuerverbrechern ein Ende hat. Wichtig ist uns dabei, dass es nicht nur darum geht, diejenigen konsequent zu verfolgen, die sich auf ihrem persönlichen Egotrip befinden, sondern dass es hier um die Handlungs- und Investitionsfähigkeit unseres Landes und seiner Institutionen geht.

Der zweite wichtige Punkt im Bereich der Finanzpolitik ist die Einführung einer Finanztransaktionsteuer. Wie wir alle feststellen mussten, führt ein intensiver Umschlag von Wertpapieren nicht, wie das Marktradikale stets behaupten, zu besseren, sondern zu schlechteren Preisen an den Finanzmärkten. Da sind wir uns im Deutschen Bundestag einig.

(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Sind wir das?)

Dies hat massive negative gesamtwirtschaftliche Folgen. Das muss unterbunden werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Brinkhaus, wir wollen keine Märkte schützen, sondern wir wollen Finanzmärkte regulieren.

(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Ja, das ist der Unterschied!)

Eine Finanztransaktionsteuer führt dazu, dass auf diesen Märkten weniger, dafür aber bewusster gehandelt wird, weil Spekulieren teurer wird. Die Europäische Kommission hat einen Vorschlag zur Einführung vorgelegt. Dieser umfasst die Besteuerung des Handels mit Aktien, Anleihen und Derivaten. Das ist gut so. Die Einführung soll uns in Europa jährlich 60 Milliarden Euro bringen. Ob das gerecht ist und ausreicht, ist diskussionswürdig, aber ein Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/ CSU]: 60 Milliarden werden es nie!)

Im Moment besteht jedoch die Gefahr, dass der Vorschlag der Kommission verwässert wird. Bei vielen potenziellen Teilnehmern ist lediglich eine Besteuerung der Aktien im Gespräch oder bereits im eigenen Land durchgesetzt. Wenn es dabei bliebe, wäre es ein handfester Skandal; denn lässt man neben dem Devisenhandel auch noch den Derivatehandel weg, bleiben europaweit nur noch Einnahmen von etwa 20 Milliarden Euro. Dann kann von einer gerechten Beteiligung der Krisenverursacher keine Rede mehr sein.

(Beifall bei der SPD)

Es wird also unsere Aufgabe sein, gemeinsam mit unserem Koalitionspartner in dieser Sache in Europa klar Farbe zu bekennen. Wir brauchen für Europa eine Finanztransaktionsteuer mit einer maximalen Bemessungsgrundlage. Dafür werde ich mich gemeinsam mit meiner Fraktion einsetzen. Die Behauptung der Finanzlobby, dass kapitalgedeckte Rentenversicherungen dadurch negativ belastet würden, ist völlig falsch. Wenn Sie sich überlegen, dass heute ein Riester-Sparer für 100 Euro 15 bis 20 Prozent Verwaltungskosten bezahlen muss – das sind 20 Euro – und bei einer Finanztransaktionsbelastung von 0,1 Prozent nur 10 Cent bezahlen müsste, dann zeigt das, dass die Belastung sehr gering ist.

Wir sind uns mit unserem Koalitionspartner einig, dass wir handeln müssen. Das ist moralisch und politisch richtig und ökonomisch vernünftig. Es ist wichtig, dass Steuerhinterziehung endlich konsequent verfolgt wird. Über das Aufkommen können wir nur spekulieren. Auf solche Schätzungen können wir uns nicht verlassen.

Frau Kollegin, es wäre total lieb, wenn Sie ab und zu einen Blick auf die Uhr werfen würden. Das Präsidium hat nämlich schon 2 Minuten Erstredezuschlag gewährt, ohne dazwischenzufunken.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der SPD: Oh!)

Sehr gut. Ich komme zum Ende. Danke, Herr Präsident.

(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das verlängert die Redezeit der Koalition gegenüber der Opposition!)

Wir dürfen uns nicht auf die Hoeneß-Spekulation verlassen. Vorhin haben wir gehört, dass es eine Rieseninvestitionslücke in Deutschland gibt. Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, dass wir den Kommunen dort Hilfestellung leisten und sie entlasten werden. Ich nehme auch die Bundeskanzlerin beim Wort. Gestern hat sie in ihrer Rede gesagt: Kein Finanzmarkt, kein Finanzakteur, kein Finanzprodukt soll unreguliert bleiben. Diese Einschätzung teile ich.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir gratulieren der Kollegin Kiziltepe zu ihrer ersten Rede.

(Beifall)

Die Zustimmung im Haus wird noch wachsen, wenn Sie bei zukünftigen Reden ab und zu einen liebevollen Blick auf die Uhr werfen. Das dient dem solidarischen Stimmenausgleich und verhindert die Besorgnis des Herrn Kollegen Bartsch, dass es zwischen Regierung und Opposition möglicherweise zu zeitmäßigen Imbalancen kommt.

Jetzt rufe ich als nächste Rednerin die Kollegin Antje Tillmann von der CDU/CSU-Fraktion auf.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3086771
Wahlperiode 18
Sitzung 11
Tagesordnungspunkt Finanzen und Haushalt
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