Stephan MayerCDU/CSU - Innen
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Zunächst möchte ich Ihnen, sehr geehrter Herr Bundesminister de Maizière, ganz herzlich dafür danken, dass Sie eindrucksvoll dargelegt haben, wie groß die Bandbreite von innenpolitischen Themen in dieser Legislaturperiode ist. Ich möchte Ihnen vor allem auch dafür danken, dass Sie deutlich gemacht haben, dass es wenig hilfreich ist, einen Widerspruch zwischen Sicherheit und Freiheit zu konstruieren.
Innenpolitik ist nicht rückwärtsgewandt und nicht anachronistisch, Innenpolitik ist Zukunftspolitik. Das Innenministerium ist nicht ohne Grund das Verfassungsministerium. Es ist es deshalb, weil es federführend für Grundgesetzänderungen zuständig ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass vielleicht in keinem Ministerium so stark wie im Innenministerium Regelungen und Vorkehrungen getroffen werden, die ausschlaggebend dafür sind, wie die innere Verfassung und vielleicht auch die innere Verfasstheit unseres Staates und unserer Gesellschaft sind.
Wir haben die Aufgabe, durch gesetzliche Rahmenbedingungen größtmögliche Sicherheit zu erzeugen, damit unsere Bürgerinnen und Bürger in Freiheit leben können. Wir haben die Aufgabe, auch mit gesetzgeberischen Maßnahmen dafür zu sorgen, dass die Offenheit und Toleranz, die in unserer Gesellschaft vorhanden sind, weiterentwickelt werden können. Aber wir haben auch die Aufgabe, dass wir denjenigen ganz klare Grenzen aufzeigen, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpfen wollen,
(Beifall bei der CDU/CSU)
die extremistisch sind, egal auf welcher Seite sie extremistisch sind – das sage ich hier ganz deutlich –, ob am linken Rand oder am rechten Rand; das gilt auch für islamistisch motivierten Extremismus.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir haben auch die klare Aufgabe, jedweden Gewalttätern, egal in welcher Form sie Gewalt ausüben, klar entgegenzutreten.
Deswegen ist es wichtig, dass wir den Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses beherzigen. Ich gehe davon aus, dass die wichtigen Empfehlungen, die uns dieser Untersuchungsausschuss in der letzten Wahlperiode mit auf den Weg gegeben hat, in dieser Wahlperiode entsprechend wahrgenommen und umgesetzt werden. Der Untersuchungsausschuss hat wesentliche Hinweise für die zukünftige Arbeit der Justiz, der Polizei und des Verfassungsschutzes, aber auch für die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste gegeben. Deswegen sollten diese Empfehlungen auch weiterhin Bestand haben.
Unser zentrales Anliegen muss sein, dass wir den Verfassungsschutz nicht schwächen oder gar abschaffen, wie es die Fraktion Die Linke fordert, sondern dass wir unseren Verfassungsschutz verbessern, natürlich im Einvernehmen mit den Ländern. Deswegen kann man sich aus meiner Sicht nicht einerseits über mangelnde Aufklärung und über fehlerhafte Frühwarnsysteme beklagen, aber auf der anderen Seite unseren Nachrichtendiensten die erforderlichen Sach- und Personalmittel und die rechtlichen Befugnisse vorenthalten.
Ein weiteres wichtiges Thema, das in dieser Legislaturperiode hohe Priorität haben wird, ist die IT-Sicherheit. Hier stehen wir vor besonderen Herausforderungen. Es gilt, das Vertrauen in die Informations- und Kommunikationstechnik wiederherzustellen und zu sichern, und hier sind sowohl die Wirtschaft als auch der Staat, aber auch die Zivilgesellschaft insgesamt gefordert.
Die NSA-Affäre ist eine besondere Problematik. Das möchte ich in keiner Weise negieren. Ich sage hier auch in aller Deutlichkeit: Ich bin nicht mit den Antworten zufrieden, die uns die US-Amerikaner, aber auch die Briten bisher gegeben haben. Diese Affäre hat mit Sicherheit dazu beigetragen, dass das Bewusstsein in der Bevölkerung für die Themen Datensicherheit und Datenschutz deutlich gestiegen ist. Aber ich möchte genauso deutlich sagen, dass mit Sicherheit die größten Gefahren für unsere Datensicherheit nicht von befreundeten Nationen wie den USA und Großbritannien drohen, sondern dass es uns weniger freundlich gesonnene Staaten und auch OK-Strukturen sind, von denen weitaus größere Gefahren für die Freiheit und die Sicherheit im Internet ausgehen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Gerade im Bereich der IT- und der Datensicherheit ist ein erheblicher Handlungsbedarf gegeben. Ich denke schon, dass wir es kritisch sehen müssen, dass sich eine zunehmende Abhängigkeit Deutschlands im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik von ausländischen Anbietern ergeben hat. Das hat aus meiner Sicht nicht nur eine sicherheitspolitische Dimension, sondern das hat sehr wohl auch eine wirtschaftspolitische Dimension. Deswegen ist es auch unsere Aufgabe, mit dazu beizutragen, dass wir eine wettbewerbsfähige deutsche IT-Sicherheitswirtschaft aufbauen. Wir müssen hierbei offensiv in die Weiterentwicklung gehen. Deutschland muss zu einem herausragenden IT-Sicherheitsstandort werden. Dafür haben wir unsere Unternehmen entsprechend zu unterstützen.
Ein erster Schritt ist durch die Gründung des Runden Tisches „Sicherheitstechnik im IT-Bereich“ durch das Bundesinnenministerium gemacht worden. Ich sage hier aber ganz offen: Dieser erste Schritt reicht noch nicht. Es bedarf in Zukunft weiterer Schritte. Wir müssen eine gezielte Industriepolitik im Bereich der IT-Sicherheit betreiben.
(Beifall des Abg. Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD])
Dazu gehört aus meiner Sicht, dass der Staat zunehmend als Nachfrager auftritt, um die Förderung der IT-Sicherheit weiter zu gewährleisten.
Wir müssen auch stärker in Forschung und Entwicklung gerade in diesem wichtigen Bereich investieren. Das IT-Sicherheitsgesetz, das Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, schon angesprochen haben, ist erforderlich, insbesondere zum Schutz kritischer Infrastrukturen. Ich sage aber auch offen: Es wird notwendig sein, dass wir insbesondere das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik sowohl personell als auch finanziell stärken.
Entscheidend für die innere Verfassung eines Staates ist aber auch die Frage, wie man mit den Themen Migration, Integration, Staatsangehörigkeit, Asyl und Zuwanderung umgeht. Es wird in den kommenden vier Jahren entscheidend darauf ankommen, dass wir die schon gut etablierte Willkommens- und Anerkennungskultur, die wir in Deutschland haben, weiterentwickeln. Wir sind gut beraten, offen zu sein für qualifizierte Zuwanderung, die eine Bereicherung für Deutschland und nicht nur für unsere Wirtschaft darstellt. Aber wir haben genauso die Aufgabe, klare Maßnahmen gegen die Bürgerinnen und Bürger ins Werk zu setzen, die ausschließlich des Sozialleistungsbezugs wegen nach Deutschland kommen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Mann, Mann, Mann!)
Hier gilt es, beides entsprechend zu berücksichtigen.
Insofern bin ich sehr dankbar für die sehr präzisen Vorgaben zum Asylrecht und zum Asylverfahrensrecht im Koalitionsvertrag. Es ist schon erwähnt worden: Wir wollen die Möglichkeiten, in den Arbeitsmarkt einzutreten, erleichtern. Wir wollen bei den entsprechenden Vorgaben, auch was die Durchführung des Verfahrens anbelangt, eine Beschleunigung erreichen. Aber es geht auch darum, dass klargemacht wird, dass derjenige, der wirklich abgelehnt ist und auch nicht geduldet wird, unser Land zügig zu verlassen hat.
Denn nur wenn wir hier konsequent handeln, können wir die hohe Akzeptanz in unserer Bevölkerung für das im Grundgesetz verbürgte Asylrecht weiterhin erhalten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es darf nicht heißen: Wer asylberechtigt ist, darf bleiben, und wer nicht asylberechtigt ist, darf auch bleiben. Deswegen ist es wichtig, beide Seiten der Medaille zur Geltung kommen zu lassen.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich möchte zum Abschluss schon noch ein paar Worte zum Bevölkerungs- und Katastrophenschutz sagen. Ein schönes geflügeltes Wort besagt: Wir leben nicht vor der Katastrophe, und wir leben auch nicht nach der Katastrophe, wir leben zwischen den Katastrophen. – Dass das stimmt, hat sich uns sehr deutlich gezeigt, als im Juni letzten Jahres ein schwerwiegendes Hochwasser viele Bundesländer, viele Bürgerinnen und Bürger ereilt hat.
Ich sage hier ganz deutlich: Es ist wichtig, dass wir die ehrenamtliche Organisation des Bundes im Bereich des Bevölkerungsschutzes, das Technische Hilfswerk, weiter stärken. Wir können nicht in Sonntagsreden das Hohelied auf die Bedeutung des Ehrenamts singen und bleiben dann hinter den Erfordernissen zurück, wenn es ganz konkret darum geht, Maßnahmen ins Werk zu setzen und durchzuführen, die erforderlich sind, um dieses hohe bürgerschaftliche Engagement gerade im Bevölkerungs- und Katastrophenschutz weiter aufrechtzuerhalten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deswegen sehe ich uns in der Verpflichtung, dass wir insbesondere das Technische Hilfswerk, in dem 99 Prozent ehrenamtlich tätig sind, auch finanziell weiterhin angemessen und ausreichend unterstützen.
Ein allerletztes Wort möchte ich an den Kollegen Korte richten, weil Sie, Herr Korte, es nicht unterlassen konnten, eine Bemerkung zum wichtigen Anliegen der Großen Koalition, einen nationalen Gedenktag für die Heimatvertriebenen zu schaffen, zu machen.
(Jan Korte [DIE LINKE]: Das ist meine Aufgabe!)
Ich muss schon sagen: Es ist wirklich unerträglich, wenn Sie hier behaupten, dieser Gedenktag werde aus dem historischen Kontext gerissen.
(Jan Korte [DIE LINKE]: Doch!)
Wir sind sehr wohl gehalten – ich glaube, wir haben hier eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe –, dass wir der schrecklichen Unrechtstaten, die durch den Holocaust passiert sind und die 6 Millionen Menschen auf bestialische Weise das Leben gekostet haben, immer wieder gedenken und dass wir dieses Gedenken auch hochhalten. Aber in gleicher Weise, Herr Kollege Korte, sind wir aufgerufen, das Gedenken und die Erinnerung an diejenigen hochzuhalten – das waren am Ende und nach dem Zweiten Weltkrieg immerhin 15 Millionen Deutsche –, die aus ihrer Heimat vertrieben worden sind,
(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: In gleicher Weise?)
und das nicht, weil sie Nationalsozialisten waren, sondern weil sie einfach den falschen Wohnort hatten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gehört ebenfalls zu der ordentlichen Verfassung eines modernen und aufgeklärten Staates, dass man beide historischen Ereignisse entsprechend würdigt und ihrer gedenkt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deswegen werden wir in der Großen Koalition neben dem Weltflüchtlingstag am 20. Juni auch noch einen eigenen Gedenktag für die 15 Millionen deutschen Heimatvertriebenen und Flüchtlinge schaffen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Irene Mihalic, Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3087163 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 11 |
Tagesordnungspunkt | Innen |