Thomas SilberhornCDU/CSU - Recht und Verbraucherschutz
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister Maas hat bereits einige wichtige Projekte vorgestellt, die wir in dieser Legislaturperiode gemeinsam angehen wollen. Gestatten Sie mir dazu nur zwei kurze ergänzende Anmerkungen:
Sicherlich gehört das, was wir im Koalitionsvertrag zur Behebung des Wohnungsmangels beschlossen haben, zu den dringlichsten Vorhaben. Eine Mietpreisbremse ist hier ein wichtiges Instrument. Sie kann aber nur den weiteren Anstieg der Mieten abschwächen; das Problem lösen kann sie nicht. Wir brauchen also auch mehr Wohnraum. Daher haben wir uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass wir den Wohnungsbau stärken wollen. Ein größeres Angebot an Wohnungen wirkt überzogenen Mietpreisen am ehesten entgegen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir stehen auch zu den Vereinbarungen zur Frauenquote und setzen sie um.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich will allerdings nicht verhehlen, dass es mir persönlich lieber wäre, wenn erst gar kein Handlungsbedarf für den Gesetzgeber entstünde.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dagmar Ziegler [SPD]: Das stimmt! – Dr. Eva Högl [SPD]: Das wäre uns allen lieber, Herr Silberhorn!)
Die Wirtschaft und die Tarifparteien sind aufgerufen, ihre Hausaufgaben zu machen.
(Dr. Eva Högl [SPD]: Darauf können wir noch ewig warten!)
Das gilt für die Frauenquote, aber auch für ein angemessenes Entgelt.
(Dagmar Ziegler [SPD]: Die kriegen es nur nicht hin!)
Soweit die Tarifparteien ihre Angelegenheiten selbst angemessen regeln, muss der Gesetzgeber gar nicht tätig werden.
(Dagmar Ziegler [SPD]: Müsste!)
Wenn sie es aber nicht tun, dann greifen wir ein.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sind das hier für Therapiegespräche der Koalition?)
Lassen Sie mich drei Kernpunkte ansprechen, die für die Rechtspolitik von strategischer Bedeutung sind und die wir aus meiner Sicht zügig anpacken sollten: Erstens. Wir müssen den Opferschutz weiter verbessern. Zweitens. Wir müssen Recht und Ordnung aufrechterhalten. Drittens. Wir müssen Strafbarkeitslücken im digitalen Raum schließen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Für den Opferschutz brauchen wir eine großzügigere Regelung der strafrechtlichen Verjährung bei sexuellem Missbrauch.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wir haben in der letzten Legislaturperiode für alle Sexualstraftaten den Beginn der Verjährung vom 18. auf das 21. Lebensjahr verschoben. Das war richtig, aber das reicht uns nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Sie und wir wollten schon in der letzten Legislaturperiode mehr. Jetzt haben wir die Gelegenheit, das umzusetzen. Die Opfer von sexueller Gewalt sind nämlich oft traumatisiert und brauchen Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte, bis sie überhaupt über das Geschehene reden können. Deshalb müssen wir dieser besonderen Belastung der Opfer bei sexuellem Missbrauch Rechnung tragen und dafür sorgen, dass die Täter ihrer gerechten Strafe nicht länger entgehen können.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir müssen auch den Stalking-Paragrafen präzisieren. Wir verzeichnen eine wachsende Anzahl an Strafanträgen aufgrund von Stalking, aber nur eine geringe Anzahl an Verurteilungen. Das liegt daran, dass erst ermittelt werden muss, ob das Opfer, dem jemand nachstellt, dadurch in seiner Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt wird. Dieses Kriterium ist aber objektiv kaum überprüfbar, und zudem zählen psychische Belastungen hier nicht mit. Wir müssen künftig eine Bestrafung ermöglichen, ohne dass das Opfer erst umgezogen sein muss oder Ähnliches. Für die Strafbarkeit sollte es deshalb ausreichen, dass die Lebensgestaltung nicht tatsächlich schwerwiegend beeinträchtigt wird, sondern dass das Nachstellen geeignet ist, die Lebensgestaltung des Opfers zu beeinträchtigen.
Meine Damen und Herren, es ist ein großer Fortschritt, dass wir uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt haben, ein Angehörigenschmerzensgeld einzuführen. Deutschland ist eines der wenigen Länder in Europa, das bislang kein Angehörigenschmerzensgeld kennt. Natürlich kann Geld niemals einen menschlichen Verlust aufwiegen. Es ist aber auch nicht das Ziel des Angehörigenschmerzensgeldes, einen solchen Ausgleich zu verschaffen. Die Entschädigung soll ausdrücken, dass das seelische Leid, das den Angehörigen zugefügt wurde, anerkannt wird und dass die Rechtsgemeinschaft mit den Betroffenen solidarisch ist. Das werden wir umsetzen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Um Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten, müssen wir Menschenhandel und auch Zwangsprostitution gezielt bekämpfen. Der Handel mit der Ware Mensch ist eine der schlimmsten Formen moderner Sklaverei. Durch die Zulassung der Prostitution wurde auch die Kontrolle in diesem Bereich eingeschränkt, was der Zwangsprostitution offenkundig Vorschub geleistet hat. Straftaten sind schwer nachweisbar, zumal die Opfer oft bedroht und eingeschüchtert werden. Wir müssen die betroffenen Frauen besser vor Gewalt und vor Zwangsprostitution schützen. Die Verfolgung der Täter darf nicht davon abhängen, dass sich die Opfer zu einer Aussage bereitfinden, obwohl sie bedroht werden. Das werden wir im Zuge der Umsetzung des Koalitionsvertrages ändern.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wir sollten auch Polizisten und Einsatzkräfte besser schützen. Sie halten für uns den Kopf hin, wenn es brenzlig wird. Wir haben bereits in der letzten Wahlperiode dafür gesorgt, dass Widerstand gegen Polizeibeamte strenger bestraft werden kann. Die Entwicklung der Gewalt gegen Polizisten und Einsatzkräfte ist aber weiterhin alarmierend. Bei der Demonstration für den Erhalt des Kulturzentrums „Rote Flora“ in Hamburg wurden Ende letzten Jahres mehr als 80 Polizisten verletzt. Immer wieder gibt es Aufrufe im Internet zur Gewalt gegen die Polizei. Hier muss die Polizei konsequent durchgreifen, wie das in Hamburg zu Recht geschehen ist. Aber auch der strafrechtliche Schutz von Polizeibeamten und Einsatzkräften muss weiter verbessert werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir müssen auch die organisierte Kriminalität austrocknen. Wirtschaftskriminalität verursacht jedes Jahr einen immensen Schaden für unsere Volkswirtschaft. Wir müssen insbesondere dem kriminellen Treiben von Geldwäschern entschieden entgegentreten. Wir werden deshalb die Möglichkeit schaffen, Vermögen und Bargeld, das mutmaßlich krimineller Herkunft ist, leichter einzuziehen. Wir wollen nicht die Kleinen hängen und die Großen laufen lassen, sondern die Großen hängen und die Kleinen auch nicht laufen lassen.
Schließlich müssen wir die digitalen Herausforderungen in der Rechtspolitik annehmen. Es gibt im digitalen Raum Strafbarkeitslücken, die wir schließen müssen, damit unsere Rechtsordnung für das 21. Jahrhundert fit wird. Wir wissen um die dramatische Wirkung von Straftaten über das Internet, beispielsweise bei Cyber- mobbing. Die Dimension von Mobbing wird in sozialen Netzwerken um ein Vielfaches verstärkt. Mehrere Selbstmorde von Jugendlichen zeigen, dass wir auch in der digitalen Welt die Rechtsordnung durchsetzen müssen.
Ein Letztes. Die Richtlinie der Europäischen Union zur Bekämpfung sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern hätte bereits am 18. Dezember letzten Jahres umgesetzt sein müssen. Es ist kein Ruhmesblatt, dass eine Richtlinie, die dem Schutz der Schwächsten in unserer Gesellschaft dient, nicht fristgerecht umgesetzt worden ist.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat regiert?)
Bundesminister Maas trägt dafür keine Verantwortung, seine Vorgängerin aber schon.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Die Union hatte keine Verantwortung!)
Deswegen zähle ich darauf, dass wir diese EU-Richtlinie jetzt schnell umsetzen können.
Wir haben viele und bedeutende Aufgaben vor uns. Ich freue mich auf eine konstruktive Zusammenarbeit der Rechtspolitiker in dieser Großen Koalition.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Katja Keul, Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3087216 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 11 |
Tagesordnungspunkt | Recht und Verbraucherschutz |