30.01.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 11 / Tagesordnungspunkt 1

Marcus WeinbergCDU/CSU - Familie, Senioren, Frauen und Jugend

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Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um eine familienfreundliche Arbeitszeit ist es bei uns nicht immer so gut bestellt, Frau Ministerin. Aber daran werden wir arbeiten, zumal heute der Präsident bei uns ist und nun den siebten Redner gehört hat, der darauf hinweist, dass die Familienpolitik im Zentrum der Gesellschaftspolitik steht –

Ich kann das nicht oft genug hören, Herr Kollege Weinberg. Sie müssen keine Hemmungen haben, das zu wiederholen, wenn Sie das wollen.

(Heiterkeit und Beifall)

– und deshalb in das Zentrum der Diskussion im Deutschen Bundestag gehört.

Herr Wunderlich, wie ich nachgelesen habe, hat Henri Matisse einmal gesagt: „Es gibt überall Blumen für den, der sie sehen will.“ Wenn man in einem Blumenbeet liegt, kann man einen Blumenstrauß allerdings nicht so richtig erkennen. Im Hinblick auf die Familienpolitik mag das so sein.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ich bin sehr froh, dass wir in der ersten Debatte in der neuen Legislaturperiode einen anderen Stil gefunden haben, den die Ministerin vorgegeben hat. Wir tun jetzt etwas, was wir in den letzten Jahren nicht immer so beherzigt haben: Wenn wir über die Besonderheiten von Familien diskutieren, entideologisieren wir die Diskussion. Opposition und Regierung müssen kontrovers streiten, wobei wir an der Seite der Ministerin stehen, wenn wir sie auch gelegentlich anstupsen werden – ich glaube, das sagt man heute so auf Facebook –, keine Frage,

(Johannes Kahrs [SPD]: Na, na!)

aber wir müssen die Diskussion endlich davon befreien, Familien im Sinne politischer Ideologien zu instrumentalisieren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sönke Rix [SPD])

Ich glaube, wir waren heute schon auf einem guten Weg. Deswegen ist das Angebot einer offenen Diskussion weiterhin gültig, Frau Dörner.

In einer Generaldebatte muss man auch sagen, was man will und wofür man eigentlich steht. Dazu gibt es in der Großen Koalition einen fast schon überraschenden Konsens.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Wir gehen davon aus, dass wir Familien in ihrer Vielfalt, ihrer Besonderheit und Einzigartigkeit anerkennen und dass die Politik, wie Frau Schön es gesagt hat, die Rahmenbedingungen setzen und Angebote machen muss, und zwar frühzeitig, zielgenau und bedarfsorientiert. Die Politik darf aber nicht bestimmen, was Familie ist und was die Familien machen sollen. Wir setzen nur den Rahmen, nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Wir befinden uns in einem Lernprozess und erkennen an, dass Familienbilder sich ändern. Darauf hat Politik zu reagieren. Wir müssen den Familien aber auch immer wieder Mut zusprechen. Wir sehen, dass Familien es schaffen können, wenn sie politisch unterstützt werden. Das heißt auch, dass wir Vertrauen in die Familien setzen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn Menschen Weichen stellen wollen, sollten sie sich bewusst sein, dass es vorher Menschen gegeben hat, die die Weichen gelegt haben. Deswegen sei mir der Hinweis gestattet, dass viele der wichtigen und guten Dinge, über die wir jetzt diskutieren und die wir gemeinsam auf den Weg bringen wollen, in den letzten acht Jahren in der Politik der CDU/CSU-geführten Bundesregierung angelegt waren; denn diese Regierung hatte den Ansatz einer neuen, modernen und nachhaltigen Politik gewählt.

(Zuruf des Abg. Johannes Kahrs [SPD])

Auch in der letzten Großen Koalition, Kollege Kahrs, haben wir vier Jahre in diesem Bereich erfolgreich zusammengearbeitet.

Ich will einige Beispiele nennen, weil diese vor dem Hintergrund der heutigen Diskussion wichtig sind:

Das Elterngeld. Geld allein macht nicht glücklich, außer vielleicht den Kollegen Kahrs. Im Nachhinein muss man sagen, dass das Elterngeld, das wir eingeführt haben, eine der zentralen politischen Maßnahmen war, die einen unheimlichen Erfolgsfaktor hatte. Diese Maßnahme hat auch einen ungeheuren Nachhaltigkeitswert. Im letzten Jahr haben wir 5 Milliarden Euro ausgegeben. Seit der Einführung hat sich die Anzahl der Väter, die Vätermonate beantragt haben, von 20 auf 30 Prozent erhöht. Es ist noch mehr möglich, und ich wünsche mir, dass noch mehr Väter diese Möglichkeit in Anspruch nehmen; aber die Einführung des Elterngeldes war richtig und wichtig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Frau Dörner, Sie haben das Kindergeld und die Kinderfreibeträge angesprochen.

(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stand in Ihrem Wahlprogramm!)

Ich will rückblickend sagen, dass wir das Kindergeld um 20 Euro pro Monat erhöht haben und der Kinderfreibetrag mittlerweile 7 008 Euro beträgt. Noch einmal: Geld allein macht es nicht. Die Maßnahmen müssen aber auch finanzierbar sein. Sie haben Ihren Vorschlag präsentiert und Ende September dafür in gewisser Weise die Quittung erhalten.

(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben etwas präsentiert, was Sie jetzt nicht machen!)

Wir sagen ganz deutlich: Wenn wir für Familien und Kinder Politik machen, dann können wir nicht Schulden machen, die genau diese Kinder später zurückzahlen müssen. Deshalb muss man in dieser Hinsicht sehr sorgsam sein.

(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der eigentlich wichtige Impuls, den wir in der Familienpolitik gesetzt haben, ist, dass seit dem 1. August 2013 ein Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz besteht. Wenn ich davon rede, dass wir Familien und auch die Vielfalt von Familien akzeptieren, dann stelle ich den Begriff der Wahlfreiheit in den Mittelpunkt. Es ging nie darum, entweder das eine oder das andere zu machen, das sogenannte Betreuungsgeld oder die Krippenbetreuung in Anspruch zu nehmen. Es ging bei dem, was wir damals beschlossen haben, immer um eine Kombination. Wir haben gesagt, dass wir Familien bei der Wahlmöglichkeit stärken wollen.

Sie fragen, was der Bund dafür getan habe. Ich sage Ihnen: Der Bund hat 5,4 Milliarden Euro zur Unterstützung des Aufbaus der Kindertagesbetreuung und der Krippenplätze bereitgestellt. Sie, Frau Dörner, fragen, wo das Geld eigentlich fließe und worin die großen Impulse bestünden. Wir geben jedes Jahr 845 Millionen Euro für die Betriebskosten der Krippen aus. Das ist eine immense Leistung des Bundes.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Wir werden die Weichen auch weiter stellen. Wir haben das Bundeskinderschutzgesetz implementiert. Es wird auch evaluiert werden. Ich sage das gerade vor dem Hintergrund einer traurigen Diskussion über Geschehnisse in Hamburg, wo wieder einiges bei der Frage „Wie gehen Ämter mit Problem- bzw. Risikofamilien um?“ falsch gelaufen ist. Wir werden bei der Evaluierung des Bundeskinderschutzgesetzes sehr genau darauf achten, wo wir als Bundesgesetzgeber Verbesserungen vornehmen können.

Auch der Unterhaltsvorschuss ist angesprochen worden. Ich erinnere daran: Am 1. Januar 2010 wurde der Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende angehoben, und der damit einhergehende Vollzug wurde erleichtert.

„Wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht, trägt sie an der falschen Stelle“, hat Mao Zedong einmal gesagt. Wir werden auch in den nächsten vier Jahren überlegen, wo wir Veränderungen durchführen können. Ich glaube, dass dieser Koalitionsvertrag gerade das Thema „Zeit für die Familie“ – es wurde von Frau Schön und von der Ministerin angesprochen – im Hinblick auf mehr Flexibilität bei der Gestaltung der Zeit für die Familie stärkt; dort werden wesentliche Akzente gesetzt.

Es ist so, dass Familienaufgaben und Erwerbspflichten partnerschaftlich – das wünschen sich immer mehr Männer und Frauen – aufgeteilt werden. Das ist das Ergebnis vieler Studien und auch ein zentraler Erkenntnisstand des Achten Familienberichtes. Wir werden darüber nachdenken, wie man diesen Schritt noch besser vollziehen kann. Ich glaube, die Flexibilisierung bei der Elternzeit ist der richtige Weg. Ein Elternteil kann jetzt bis zum achten Lebensjahr des Kindes bis zu 24 Monate Elternzeit nehmen. Hinzu kommt die Diskussion über das Elterngeld und das ElterngeldPlus. Ich will nicht wiederholen, was die Kolleginnen und Kollegen zum Partnerschaftsbonus bereits ausgeführt haben.

Eine weitere Maßnahme ist übrigens, dass wir im Hinblick auf Kita, Schule und weitere Institutionen überprüfen, wo und wie wir mehr für die Flexibilisierung tun können. Das betrifft Öffnungszeiten. Das betrifft den Unterricht an Schulen. Das betrifft familienunterstützende Dienstleistungen und insbesondere die bessere Abstimmung der Betreuungszeiten in Kindertageseinrichtungen und Schulen.

Viele haben diesen Strauß an Maßnahmen angesprochen. Jeder hat seinen Schwerpunkt. Ich will noch auf zwei Bereiche eingehen.

Das eine ist, dass wir es schaffen müssen, den Kindern gerechte und gute Chancen zu bieten. Dabei ist der Ausbau der Kindertagesbetreuung ein Impuls, aber nicht der einzige. Wir haben es zum Beispiel mit dem Programm „Offensive Frühe Chancen“ geschafft, gerade das Thema „Integration und Sprache“ neu aufzulegen. In jedem Wahlkreis müssten es fünf bis zehn Kindertagesstätten sein, die davon profitieren. Wir müssen zwei Dinge tun: Wir müssen gute, feste familiäre Bindungen stärken. Aber wir müssen auch frühe Impulse für die Bildung geben. Wir müssen endlich den Konflikt „Bindung oder Bildung?“ auflösen. Es darf in jeder Phase eines jungen Menschen nur noch „Bindung und Bildung“ heißen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In der Familie kommt die Individualität besonders zum Vorschein. Vieles ist bei dem einen Kind anders gelagert als bei einem anderen. Ich glaube, wenn wir den beschriebenen Konflikt dauerhaft auflösen und passgenaue Angebote machen, die im Sinne einer Wahlfreiheit angenommen werden können, dann sind wir auf dem richtigen Weg.

Im Hinblick auf die aktuellen Fälle der Gefahren für Kinder müssen wir sehr darauf achten – das will ich noch einmal sagen –, dass wir die Kompetenzen der Kinder stärken, und zwar mit den Eltern. Wir sollten nicht versuchen, sozusagen Teile aus einer Familie herauszubrechen. Familienpolitik muss immer in Gänze betrachtet werden.

Gerne würde ich noch das eine oder andere zum Bundesfreiwilligendienst sagen. Der soziale Zusammenhalt der Generationen wird für uns in den nächsten Jahren – Nadine Schön hat es ausgeführt – zentral sein. Es spiegelt die Stärke oder die Schwäche einer Gesellschaft wider, wie die Generationen zusammenleben und zusammenhalten und welches Engagement es gibt, freiwillig etwas zu tun.

Herr Kollege Weinberg.

Herr Präsident, Sie werden gleich sagen, dass ich zum Schluss kommen muss.

Nein. Ich wollte sagen: schönes Thema für die nächste Debatte.

(Heiterkeit)

Die hoffentlich am helllichten Tag stattfindet.

Zum Schluss. 85 000 Menschen sind es, glaube ich, die sich mittlerweile freiwillig über den BFD oder über andere Einrichtungen engagieren. Dieses Engagement zu stärken, ist eine der vielen Aufgaben der Politik.

Frau Ministerin, Sie haben unsere volle Unterstützung. Wir stupsen Sie, wie gesagt, ab und zu einmal im Sinne der Familien und der Kinder an. Insofern freue ich mich auf eine gute Zusammenarbeit in der Koalition, aber auch auf einen kontroversen Diskurs mit der sogenannten Opposition im Sinne der Familien.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Als Abschluss und Höhepunkt der heutigen Debatten erhält jetzt der Kollege Paul Lehrieder das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3087292
Wahlperiode 18
Sitzung 11
Tagesordnungspunkt Familie, Senioren, Frauen und Jugend
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