31.01.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 12 / Tagesordnungspunkt 1

Peter MeiwaldDIE GRÜNEN - Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrter Herr Präsident! Liebes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin, zunächst möchte auch ich Ihnen von diesem Ort aus zu Ihrer Ernennung herzlich gratulieren.

Aber nun zur Sache. Das Programm, das wir bisher zu hören bekommen haben, ist zunächst einmal lediglich die Fortsetzung der bestehenden Programme, die wir schon aus der alten Regierungszeit kennen – Biodiversitätsprogramm, Hochwasserschutz, Naturerbe –, oder es wird der Umsetzung von EU-Recht, zum Beispiel beim Elektroschrott, Genüge getan. Die Frage ist: Was ist eigentlich neu, was sind die neuen Aspekte, was ist die neue Dynamik in dieser Politik? Was ist mit den Wäldern, was ist mit Monokulturen? Wir haben das eben schon vom Kollegen Lenkert gehört. Es stellt sich die Frage nach der Wasserverseuchung durch Nitrateinträge und Ähnliches. Was ist mit dem Flächenverbrauch?

Wenn wir uns das anschauen, können wir sagen: Wenn wir uns den ökologischen Fußabdruck, den unsere Gesellschaft hinterlässt, weiterhin leisten wollen und so weitermachen wie bisher, dann ist das in der Tat nachhaltig, aber nachhaltig schädigend. Der Fußabdruck ist aber nicht enkeltauglich. Das ist ein Punkt, an dem wir noch deutlich mehr von Ihnen zu erwarten haben, als wir bisher gehört haben. Ich hoffe, dass dazu etwas kommt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Bereich der Atomlobbypolitik haben Sie mit dem Austauschen des Leiters der Abteilung Reaktorsicherheit einen ersten Schritt getan, der bei uns auf Wohlwollen gestoßen ist, auch wenn das natürlich spät gekommen ist – aber immerhin.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass Sie ein Kompetenzzentrum „Naturschutz und Energiewende“ einrichten wollen, finden wir natürlich auch eine gute Idee. Wichtig ist, dass die Umsetzung mit einem vernünftigen Maß an Finanzmitteln nun auch schnell erfolgt, damit es da vorangeht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir hören, dass Sie ein Klimaschutzsofortprogramm planen, freuen wir uns als Grüne natürlich; das ist ganz klar. Das findet erst einmal unsere Zustimmung, steht aber den Überlegungen entgegen, die wir gestern zu hören bekommen haben, oder den Maßnahmen, die wir zum Beispiel in den letzten Jahren gerade im Bereich der Braunkohle erleben mussten. Da verdrängt die Braunkohle – das kann auch nicht in Ihrem Interesse sein – die effizienten Erdgaskraftwerke. Das ist nicht gut für das Klima, das ist aber auch nicht gut für den vorbeugenden Gesundheitsschutz unserer Bevölkerung; man denke nur an Quecksilber, Feinstaub, Radioaktivität und alles das, was aus diesen Kraftwerken herauskommt. Das kann nicht in unserem Sinne sein. Da ist es auch nicht damit getan, zu sagen: Wir haben jetzt einmal in den Zertifikatehandel eingegriffen, das reicht, und dann muss der Markt es eben regeln. – Nein, der Markt regelt es nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wichtig an dem Punkt ist – das kann ich wirklich nur als herzliche Bitte formulieren –: Überlassen Sie den Klimaschutz nicht dem Wirtschaftsminister. Das hat schon in der letzten Periode nicht geklappt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Frage ist: Wer wird sich in Brüssel für die ambitionierten Klimaziele, von denen Sie ja gerade engagiert gesprochen haben, einsetzen? Auf eine Kanzlerin, die einmal eine Klimakanzlerin war, mittlerweile aber ganz andere Interessen im Kopf hat, können wir in dieser Frage, glaube ich, nicht warten. Also: Haben Sie die Macht, haben Sie die Möglichkeiten, innerhalb der Regierung diese ambitionierten Ziele auch durchzusetzen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die gestrige Debatte und die gestrige Entscheidung in diesem Haus zum Thema Gentechnik lassen uns zumindest befürchten, dass das Gegenteil der Fall ist. Hier wird weiterhin eine Politik gegen die Interessen der Bevölkerung gemacht. Bestenfalls ist es Mutlosigkeit der Regierung, schlimmstenfalls sogar neu erwachte Liebe zur Genindustrie, die Ihnen eigentlich sogar der eigene Koalitionsvertrag verbietet. Die Menschen in unserem Land und wir werden Ihnen diese verbotene Liebe zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher und unserer Umwelt nicht durchgehen lassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da müssen Sie als Umweltministerin in dieser Regierung Gewicht entwickeln, Ihre Macht auch einmal einsetzen und sagen: Wir sind hier verantwortlich für Umwelt und Natur, für den Verbraucherschutz und für die Menschen in unserem Land.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erlauben Sie mir noch einen kleinen Abstecher zur Abfallpolitik. Das Thema Plastiktüten ist in den letzten Monaten in aller Munde gewesen und war Gegenstand vieler Fernsehberichte. Viele haben beklagt, dass Fische oder auch Delfine daran zugrunde gehen. Darum geht es aber nicht allein. Es geht dabei auch um Ressourcenverschwendung und um den Meeresschutz. Irland hat mit einer Abgabe auf Plastiktüten ein Zeichen gesetzt und große Erfolge damit. Ruanda hat bereits 2006 Plastiktüten komplett verboten – mit riesigen Erfolgen im Land. Wann folgt Deutschland? Wann werden wir hier dazu kommen, die Plastiktüten endlich auch aus unserem Umfeld zu verbannen? Wann werden wir hier – wir müssen das ja nicht über ein Verbot machen, sondern können das auch über eine Abgabenlösung wie in Irland machen – im Interesse unserer Umwelt weiter vorankommen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein Aspekt, der heute noch keine so große Rolle gespielt hat: CETA und TTIP, die internationalen Abkommen, die jetzt anstehen. Setzen Sie sich bitte dafür ein, dass Umweltstandards, die in Deutschland und in der EU mittlerweile selbstverständlich geworden sind, nicht geopfert werden! Gegebenenfalls müssen Sie in der Regierung die Reißleine ziehen und sagen: So kann es nicht gehen. – Wir müssen hier dafür sorgen, dass unser Verbraucherschutz und unser Umweltschutz nicht internationalen Abkommen geopfert werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben also einen gewissen Vertrauensvorschuss. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit. Aber wir erwarten ambitionierte Politik. Wenn ich zum Beispiel im Bereich der Verkehrsinfrastruktur – –

Herr Kollege, ich habe keinen Zweifel, dass Ihnen noch viele Beispiele einfallen,

(Heiterkeit)

aber irgendwann im Laufe des Vormittags werden Sie zu Ende kommen müssen.

Ja, ich komme zum Schluss, sehr gern. Das ist auch mein letzter Punkt, Herr Präsident.

Nur noch zur Verkehrsinfrastruktur: Wenn wir das, was der Kollege Vaatz eben ausgeführt hat, zu Ende denken und uns anschauen, welches Umweltbewusstsein dahintersteht, wird uns angst und bange. Wir haben den dringenden Wunsch an Sie, dass Sie da in der Regierung einen Gegenpol bilden. Wir wünschen Ihnen für diese Arbeit viel Glück. Verlassen Sie sich auf unsere kritische Begleitung in der weiteren Arbeit.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Karin Binder [DIE LINKE])

Lieber Kollege Meiwald, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer ersten Rede

(Beifall)

und wünsche Ihnen alles Gute für die weitere parlamentarische Arbeit. Sie werden hoffentlich Verständnis dafür haben, dass ich bei Ihren künftigen Reden nicht wieder einen etwa 50-prozentigen Redezeitzuschlag gewähren kann.

(Heiterkeit – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz so viel war es nicht!)

Das gilt übrigens auch für die Kollegin Ute Vogt,

(Zuruf von der CDU/CSU: Kriegt die auch 50 Prozent?)

die nun als Nächste zu Wort kommt und nachweislich nicht zum ersten Mal im Deutschen Bundestag redet.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3089302
Wahlperiode 18
Sitzung 12
Tagesordnungspunkt Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta