31.01.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 12 / Tagesordnungspunkt 1

Patricia LipsCDU/CSU - Bildung und Forschung

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Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Investitionen in Bildung und Forschung sind zumeist nicht tagesaktuell zu messen; es sind vor allem Investitionen in die Zukunft unseres Landes und seiner Menschen. Die im Vergleich niedrige Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland, um die uns viele beneiden, ist an sich schon – das richtet sich ein bisschen an meine Vorredner – der beste Beweis für die Qualität unseres Bildungssystems.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Darüber hinaus – die Ministerin hat es bereits erwähnt – gehen Milliarden an die Länder, an die anderen politischen Ebenen, um sie zu entlasten, damit sie eigene Investitionen tätigen können.

In den vergangenen Jahren haben so viele junge Menschen ein Studium aufgenommen wie nie zuvor. Allein innerhalb von zehn Jahren gab es fast 15 Prozent mehr Berechtigungen für ein Hochschulstudium. Das ist ein Erfolg, den wir nicht schmälern wollen. Das deutsche Wissenschaftssystem leistet in unserem Land einen entscheidenden Beitrag, auch für die Zukunftsfähigkeit. Nicht zuletzt deshalb müssen die guten Initiativen – sie wurden in verschiedenen Beiträgen bereits genannt: Exzellenzinitiative, Hochschulpakt und anderes mehr – fortgesetzt und, wo nötig, weiterentwickelt werden.

Aber, Kolleginnen und Kollegen, darüber dürfen wir einen anderen Bereich nicht vergessen, der schon im Mittelpunkt unserer Diskussion im Ausschuss stand: die berufliche Bildung in ihrer ganzen Breite und mit ihren Chancen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Gerade nach der Krise fragen uns nicht wenige Länder genau an dieser Stelle: Wie macht ihr das? Wie funktioniert das? Verbände, Handwerkskammern, das Ministerium – viele sind bereits unterwegs, um Hilfestellung zu leisten oder auch betroffene Jugendliche in unserem Land entsprechend vorzubereiten. Genau wie wir haben diese Länder erkannt, dass nicht allein die akademische Ausbildung ein Gradmesser für den Erfolg eines Landes ist,

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber auch!)

sondern ebenso – das ist ein Zweiklang – die berufliche Bildung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein Land, das in Wissenschaft und Forschung hohe Achtung genießt, wie das bei uns der Fall ist, das im Gegensatz zu vielen anderen Ländern noch einen erfreulich hohen Anteil an Industrialisierung aufweist und vor allem einen gesunden, stabilen und innovationsfreudigen Mittelstand hat, braucht beides: junge Menschen, die sich für ein Hochschulstudium qualifizieren und den akademischen Weg beschreiten, aber ebenso solche, die sich für eine Ausbildung in einem Handwerksbetrieb begeistern können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Beides trägt zur Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes bei. Am Ende sollte es kein Ranking und keine Wertung des gewählten Weges geben. Eine Berufsausbildung ist immer die Basis für ein selbstbestimmtes Leben. Dies betrifft gleichermaßen die Weiterbildung in einer Welt, in welcher der technische Fortschritt immer rasanter Einzug hält.

Wir erleben zurzeit eine Verschiebung zugunsten eines akademischen Weges, unabhängig davon, ob dieser Weg von Anfang an oder im Anschluss an eine Ausbildung eingeschlagen wird. Man muss dies im Zusammenhang mit der demografischen Entwicklung in unserem Land sehen. Aus Gesprächen kennt jeder von uns die Erfahrungen, die IHKn und Handwerkskammern machen. Den Betrieben fällt es immer schwerer, Nachwuchs zu finden.

Wir stellen fest: Die Zahl der Bewerber, die keinen Ausbildungsplatz erhalten haben, ist gestiegen, aber auch die Anzahl der unbesetzten Ausbildungsstellen. Sie haben vor allem in kleineren und mittelständischen Betrieben einen Höchststand erreicht. Ganz offensichtlich kommen Wunsch und Angebot nicht mehr so recht zusammen. Wir müssen uns deshalb die Frage stellen: Benötigen junge Menschen mehr als in früheren Jahren eine stärkere Orientierungshilfe bei ihrer Berufswahl?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Frau Kollegin, es gibt einen Fragewunsch des Kollegen Mutlu. Möchten Sie die Zwischenfrage zulassen?

Ich lasse sie zu.

Bitte schön, Herr Kollege.

Danke, Frau Lips, dass Sie meine Frage zugelassen haben. – Ich habe genau zugehört. Sie haben das Stichwort demografische Entwicklung genannt. Die Frau Ministerin hat in ihrer Rede das Thema Bildungsgerechtigkeit als letzte von drei Überschriften genannt, aber im weiteren Verlauf ihrer Rede kaum etwas dazu gesagt. Wir wissen, dass sich auch in unserem Land die Schere bei der Bildung sehr deutlich öffnet. Nach wie vor ist der Einfluss des sozialen Hintergrunds ein wichtiger Faktor beim Bildungserfolg, wie PISA-Studien immer wieder belegt haben.

Da ich in dem Koalitionsvertrag wenig zu diesem Thema finde, möchte ich Sie als Vorsitzende des Bildungsausschusses fragen, ob Sie einige konkrete Maßnahmen nennen können, mit denen Sie die beiden Themen demografische Entwicklung und Ungerechtigkeit in unserem Bildungssystem angehen wollen. Welche Mittel wollen Sie dafür in die Hand nehmen, ohne dabei das Kooperationsverbot zu missachten, sodass der Kollege von der SPD nicht wieder auf Herrn Kretschmann verweisen muss?

Sehr geehrter Herr Mutlu, nicht allein der Bildungsausschuss ist dafür verantwortlich, sich mit der demografischen Entwicklung zu beschäftigen. Viele Institutionen und andere Ausschüsse machen sich ebenfalls darüber Gedanken, vielleicht auch der eine oder andere, der hier sitzt. Wie dem auch sei: Das Thema demografische Entwicklung müssen wir ressortübergreifend angehen.

Es ist unser Ziel – wenn Sie den Koalitionsvertrag lesen, dann können Sie das erkennen –, niemanden zurückzulassen und jeden jungen Menschen nach seinen Möglichkeiten zu fördern. Etwas anderes können wir uns gar nicht mehr erlauben. Wir müssen es schaffen, auch junge Menschen mit Migrationshintergrund in speziell entwickelte Maßnahmen einzubinden. Wir müssen es aber gleichermaßen schaffen, leistungsstarke junge Menschen vom Wert der beruflichen Ausbildung zu überzeugen, sodass sie nicht automatisch den Gang zu einer Hochschule antreten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich bin der festen Überzeugung – darauf wäre ich später noch eingegangen; Sie haben mir durch Ihre Frage die Möglichkeit eröffnet, schon an dieser Stelle darüber zu sprechen –, dass es uns über den Bereich der beruflichen Bildung hinaus gelingen muss, stärker an die jungen Menschen heranzukommen. Da liegen wir gar nicht weit auseinander. Ich gebe Ihnen in diesem Punkt völlig recht.

Aber wir müssen sehen, dass wir nur Stück für Stück vorankommen können. Wir können es uns, wie gesagt, nicht erlauben, jemanden zurückzulassen. Es gibt viele junge Menschen, deren Begabung noch nicht erkannt wurde. Diese müssen wir erreichen. Ich sage ausdrücklich, dass der Bund das nicht alleine schultern kann. Alle politischen Ebenen stehen hier in der Verantwortung. Was der Bund an finanzieller Entlastung beitragen kann, das wird er gerne leisten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann warten wir ab!)

Wir sind uns alle darüber einig, dass wir unser Erfolgsmodell „berufliche Bildung“ – es ist doch ein Erfolgsmodell – aufrechterhalten und stärken wollen. Ich sagte es bereits: Wir können diese jungen Menschen nicht zurücklassen. Demografie und Fachkräftemangel kommen hinzu.

Die Probleme beginnen nicht erst, wenn ein junger Mensch unmittelbar im Übergang von der Schule zur Ausbildung ist, und sie hören an dieser Stelle auch nicht auf. Daher haben wir es – ich sage es noch einmal – nicht mit einer Aufgabe allein des Bundes zu tun, sondern es geht nur voran im Dialog mit allen politischen Ebenen, den Betrieben, den Sozialpartnern, kurz: einer Allianz für Aus- und Weiterbildung, Stichwort „Bildungsketten“.

Wir brauchen ausbildungsbegleitende Hilfen. Wir brauchen eine Stärkung der Qualifizierung. Wir brauchen eine Erhöhung der Durchlässigkeit im Bildungssystem. Das sind alles Punkte, über die wir reden müssen, die Sie übrigens auch im Koalitionsvertrag finden können. Ich bin mir sicher: Diese Aufgabe wird in der kommenden Zeit einen breiten Raum einnehmen und einen Schwerpunkt bilden. Denn nur wenn wir sie bewältigen, bleibt unser Land auf Dauer stark. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Als Nächstem erteile ich das Wort dem Kollegen Ralph Lenkert, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3089722
Wahlperiode 18
Sitzung 12
Tagesordnungspunkt Bildung und Forschung
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