Andrea LindholzCDU/CSU - Vereinbarte Debatte zur Situation in der Ukraine
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das ist heute meine erste Rede im Deutschen Bundestag. Ich möchte mich an dieser Stelle für das Vertrauen der Menschen aus meiner Heimatregion bedanken.
Ohne gegenseitiges Vertrauen kann eine Gesellschaft nicht funktionieren. Das zeigt sich in der Ukraine ganz deutlich. Die Jahre der Willkür und der Korruption resultierten dort in einem massiven politischen Vertrauensverlust. Ende 2013 wurde allen klar, dass Janukowitsch kein ernsthaftes Interesse an einem Assoziierungsabkommen mit der EU hat. Seither gibt es massive Proteste der proeuropäischen Bevölkerung.
Trotzdem hat der Rat der EU-Außenminister am 20. Januar 2014 bekräftigt, dass die Tür für Verhandlungen mit der Ukraine geöffnet bleiben soll. Die CSU begrüßt das ausdrücklich. Denn wir wollen dem Streben der Menschen nach Demokratie, nach Recht und Freiheit eine reale Perspektive geben.
Statt auf den Protest der Menschen ernsthaft einzugehen, beschloss man in Kiew, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit einzuschränken. Am 16. Januar verabschiedete das Parlament ohne jegliche Debatte entsprechende Gesetze. Seither eskaliert die Krise.
Obwohl die Gesetze nun zurückgenommen wurden, müssen wir feststellen, dass sowohl der Regierung von Janukowitsch als auch der Oppositionsbewegung um Vitali Klitschko die Kontrolle entglitten ist. Gewaltexzesse breiten sich über das ganze Land aus. Wir bekommen Berichte über die ersten Toten und zahllose Verletzte. Als Christen, Europäer und Nachbarn der Ukraine dürfen und wollen wir dieser Gewalt nicht tatenlos zusehen. Vorrangiges Ziel muss die Vermeidung weiteren Blutvergießens sein. Der Konflikt muss friedlich gelöst werden.
Dafür muss Europa aber erstens geschlossen auftreten. Nur gemeinsam können wir genug Druck aufbauen, um Janukowitsch vom Einsatz brutaler Gewalt gegen die Demonstranten abzuhalten und zurück an den Verhandlungstisch zu drängen. Die EU hat mit dem tschechischen Erweiterungskommissar Stefan Füle einen hochrangigen Vertreter vor Ort, der vermitteln, beobachten und berichten kann. Das ist zu begrüßen, reicht aber nicht aus.
Zweitens müssen wir auch die Opposition zur Friedfertigkeit drängen. Klitschko und seinen Mitstreitern entgleitet die Kontrolle über die Oppositionsbewegung. An jedem Tag, an dem sie keine Ergebnisse liefern, schwindet ihr Rückhalt bei den Demonstranten. Das öffnet Räume für Extremisten und gewaltbereite Hooligans. Wir müssen daher gezielt die friedlichen und demokratischen Kräfte innerhalb der Oppositionsbewegung stärken. Die Konrad-Adenauer-Stiftung leistet hier wertvolle Arbeit. Die CSU hat heute Vitali Klitschko als ihren Hauptredner auf der Münchner Sicherheitskonferenz zu Gast.
Drittens dürfen wir uns nicht nur auf Janukowitsch konzentrieren. Auch den Funktionsträgern im Umfeld des Präsidenten muss klar sein, dass weiteres Blutvergießen ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen wird. Europa verfügt mit gezielten Visasperren und finanziellen Sanktionen über ein erhebliches Druckpotenzial gegenüber den wichtigen Entscheidungsträgern in der Ukraine.
Viertens müssen wir dauerhaft aufmerksam bleiben. Indem wir die Geschehnisse in der Ukraine verfolgen, erhöhen wir den Druck auf die Regierung und errichten Hürden gegen den Einsatz von Gewalt. Leider ist die internationale öffentliche Aufmerksamkeit bei solchen Krisen meistens nicht von Dauer. Wir dürfen nicht zulassen, dass Janukowitsch jetzt auf Zeit spielt und zum Schein Zugeständnisse macht, nur um zum alten Kurs zurückzukehren, sobald die Weltöffentlichkeit wieder wegsieht.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Fünftens sollte sich die EU zusammen mit den USA auf eine Position gegenüber Russland einigen. Gemeinsam müssen wir deutlich machen, dass auch der Kreml gefordert ist, an der Deeskalation der Krise mitzuwirken. Gerade mit Blick auf die Olympischen Winterspiele in Sotschi wird man in Moskau internationale Verstimmungen vielleicht vermeiden wollen. Dieser Umstand sollte genutzt werden.
Die Bundeskanzlerin hat am Mittwoch ihre Bewunderung für die mutigen Demonstranten in der Ukraine geäußert. In der CSU wird diese Bewunderung aufrichtig geteilt. Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Pavlo Klimkin, hat heute das Engagement der EU und der Bundesregierung zur Beilegung der Krise in seinem Land gelobt.
Unzählige Menschen harren seit Wochen und Monaten bei eisigen Temperaturen von teilweise minus 30 Grad auf den Straßen und Plätzen in Kiew aus. Sie riskieren ihre Gesundheit, ihre Freiheit und sogar ihr Leben, um näher an Europa und seine demokratischen, rechtsstaatlichen und freiheitlichen Grundwerte heranzurücken. Auch wenn unser Einfluss insgesamt sicherlich begrenzt bleibt, müssen wir alles versuchen, um weiteres Blutvergießen zu verhindern und eine friedliche Lösung des Konflikts zu ermöglichen.
Vielen Dank, dass Sie mir bei meiner ersten Rede zugehört haben.
(Beifall im ganzen Hause)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3089784 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 12 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zur Situation in der Ukraine |