12.02.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 13 / Zusatzpunkt 1

Richard PitterleDIE LINKE - Aktuelle Stunde zur Steuerhinterziehung

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Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach den Steuerskandalen begann am Montag die Zeitung mit den vier Buchstaben, die sich selbst zur einzigen außerparlamentarischen Opposition ausgerufen hat, eine große Diskussion um die Ehrlichkeit der Deutschen. Da durfte ein Geistlicher gestehen, er habe sich in der Schule Mathematikformeln auf die Manschette geschrieben. Eine Julia wird mit dem Geständnis zitiert, ihrem Mann verschwiegen zu haben, dass sie keine Jungfrau mehr ist; und Kevin schließlich hat seine Freundin betrogen. Mit dieser Art der Diskussion und diesen Geständnissen soll der Eindruck erzeugt werden: Irgendwie betrügen doch alle. Also, warum die Aufregung um die kürzlich veröffentlichten Fälle von Steuertourismus? – Eine solche Diskussion ist ein Schlag ins Gesicht aller Menschen, die morgens früh zur Arbeit gehen und denen Monat für Monat, Jahr für Jahr die Steuer vom Lohn abgezogen wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber auch die meisten Selbstständigen und die Mittelständler, die ehrlich ihre Steuern zahlen, müssen sich bei diesen Beispielen der Bild-Zeitung veralbert vorkommen.

Mit der strafbefreienden Selbstanzeige können sich reiche und superreiche Steuertouristen, die ihr Geld in die Schweiz oder in andere Steueroasen gebracht und die Zinseinkünfte beim Finanzamt verschwiegen haben, von einer Strafverfolgung freikaufen. Sie zahlen nur die in den letzten fünf oder zehn Jahren – je nach Höhe – hinterzogenen Steuern zurück. Wenn sie 30 Jahre lang den Staat belogen und betrogen haben, brauchen sie für 20 oder 25 Jahre nichts zu zahlen. Meine Damen und Herren von der Koalition, finden Sie das gerecht?

(Beifall bei der LINKEN)

Zwar sind im Nachgang auch die angefallenen Zinsen zu überweisen. Das gilt aber für jeden, der seine Steuern zu spät zahlt.

Wenn man mehr als 50 000 Euro hinterzogen hat, legen die Steuertouristen noch einmal 5 Prozent der hinterzogenen Steuern drauf und kaufen sich frei. Es gibt kein Strafverfahren, und sie sind auch nicht vorbestraft. Meine Damen und Herren von der Koalition, finden Sie das gerecht?

(Beifall bei der LINKEN)

Fast alle Menschen im Land und auch ich sind der Meinung, dass es an der Zeit ist, die Selbstanzeige für solchen Steuertourismus endlich abzuschaffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nehmen wir einmal die Summe von 50 000 Euro an hinterzogenen Steuern. Das ist der Betrag, ab dem man eine Strafsteuer von 5 Prozent zu zahlen hat. Das durchschnittliche Nettoeinkommen – wohlgemerkt: Nettoeinkommen – eines Arbeitnehmers beträgt rund 24 000 Euro im Jahr. Bis ein durchschnittlicher Arbeitnehmer 50 000 Euro zusammengespart hat, dauert es rund zehn Jahre. Da braucht man sich doch nicht zu wundern, wenn die Leute im Land sagen: Die da oben interessiert nicht das Allgemeinwohl; die wollen sich nur die Taschen füllen.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Situation können wir nicht so belassen.

Nun zur SPD. Ich habe den Sprecher der Bundestagsfraktion, Herrn Oppermann, so verstanden, dass Sie für die Abschaffung der Selbstanzeige sind. Sie haben ja selbst erwähnt, dass Sie in der letzten Legislaturperiode einen entsprechenden Antrag gestellt haben. Ihre Finanzminister in den Ländern haben ziemlich gebremst und hervorgehoben, lieber von der Selbstanzeige profitieren zu wollen. Ich frage Sie: Wären Sie wenigstens bereit, für die Abschaffung der Selbstanzeige im Hinblick auf den Steuertourismus die Hand zu heben? Ich bin mir sicher, dafür gäbe es in diesem Parlament eine Mehrheit. Warum nutzen wir sie nicht?

(Beifall bei der LINKEN)

Der Gedanke der Selbstanzeige wird mit dem Verhalten der aktuell bekannt gewordenen Fälle ins Gegenteil verkehrt. Nicht etwa tätige Reue, die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit ist die Motivation für die Selbstanzeige. Es sind vielmehr immer äußere Umstände wie das Scheitern des Steuerabkommens mit der Schweiz oder das Auftauchen der Steuer-CDs, die viele zur Selbstanzeige in diesem Bereich treiben. Erst wenn das Entdeckungsrisiko steigt, halten viele die Zeit für gekommen, sich zu offenbaren. Zu guter Letzt interessiert mich, Herr Schäuble: Was will die Bundesregierung konkret gegen diesen Steuertourismus unternehmen?

Meine Damen und Herren, der beste Weg, Steuerhinterziehung zu verhindern, ist, über eine ausreichende Personalausstattung der Finanzämter und genügend Betriebsprüfungen dafür zu sorgen, dass die Einkommen in der Steuererklärung vollständig angegeben und die anfallenden Steuern gezahlt werden. Aber es geht nicht nur um Geld. Es geht auch um Steuergerechtigkeit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun die Kollegin Antje Tillmann das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3123224
Wahlperiode 18
Sitzung 13
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zur Steuerhinterziehung
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