Petra Pau - Aktuelle Stunde zur Steuerhinterziehung
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Hohes Haus! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wissen Sie, Kollege Ernst, bei Ihrer Rede habe ich mich ein bisschen an ein Bonmot erinnert gefühlt:
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie haben anscheinend nicht nur keine Ahnung von der Finanzverfassung der Bundesrepublik Deutschland,
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Eine fürstliche Einführung war das! – Gegenruf der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gräflich!)
sondern Sie haben selbstverständlich auch nichts von einem – –
(Zuruf von der LINKEN: Die erste Rede!)
Sie sollten die richtigen Titel nehmen, lieber Kollege Ernst. Auch bei Ihnen ist der Titel sicherlich falsch.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Entschuldigung! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Man soll in seiner ersten Rede aber nicht frech werden!)
– Gewöhnen Sie sich bitte daran. Ich versuche, das weiter aufrechtzuerhalten.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Sie haben keine Ahnung von der Finanzverfassung der Bundesrepublik Deutschland. Sie haben auch behauptet, dass es ein einmaliger Fall im deutschen Strafrecht ist, dass man bei einer Selbstanzeige der Strafe entgehen kann. Hier kann ich Ihnen nur empfehlen, den alten juristischen Satz zu nutzen:
Wenn ein Brandstifter ein von ihm gelegtes Feuer wieder löscht, kann das Gericht nach § 306 e Strafgesetzbuch von einer Bestrafung absehen.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Aber er bleibt nicht definitiv straffrei!)
Sogar im Fall einer schweren Brandstiftung, die zu den gemeingefährlichen Straftaten gehört, reicht schon sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, das von ihm gelegte Feuer zu löschen, damit ihm Straffreiheit gewährt wird.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Vom Gericht!)
Das ist nicht der einzige Fall, in dem tätige Reue zur Straffreiheit führt. Es gibt zahlreiche andere Bestimmungen, die in gleicher Art und Weise zur Straffreiheit führen: Bei Hinterziehung von Sozialbeiträgen gibt es strafbefreiende Regelungen der Selbstanzeige. Bei Geldwäsche, bei Geldfälschung, bei Subventionsbetrug kann der Täter auch auf Straffreiheit hoffen, wenn er sich selbst bezichtigt. Und, Kollege Ernst, sogar im Parteiengesetz gibt es eine echte strafbefreiende Selbstanzeige.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Warum eigentlich? Habt ihr darüber mal nachgedacht?)
Im Fall der Selbstanzeige bei der Steuerhinterziehung allerdings kann man von einer echten Straffreiheit überhaupt nicht sprechen. Wer sich selbst anzeigt, muss die Steuern nachzahlen und hat dazu eine Verzinsung von 6 Prozent pro Jahr zu entrichten. Außerdem ist, wie vorhin schon von vielen angedeutet wurde, ein Strafzuschlag von 5 Prozent zu zahlen.
In der letzten Legislaturperiode wurden erhebliche Verschärfungen im Bereich der Selbstanzeige vorgenommen. Es sei hier erwähnt, dass die Straffreiheit nur noch bei umfassender Selbstanzeige aller Hinterziehungssachverhalte gewährt wird. Der Zeitraum der Selbstanzeige wurde zudem verkürzt auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung. Darüber hinaus werden, wie erwähnt, zusätzliche Strafzuschläge in Höhe von 5 Prozent bei einer Steuerhinterziehung von über 50 000 Euro erhoben.
Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir Steuerhinterziehung noch stärker verfolgen werden. Wir haben dazu viele Möglichkeiten; das ist von den Vorrednern auch aufgezeigt worden. Aber wir sollten den reuigen Steuerhinterziehern den Weg zurück zur Steuerehrlichkeit nicht verbauen, weil dadurch die Aufdeckung aller Sachverhalte im Zusammenhang mit der Steuerhinterziehung durch die Mitwirkung der Steuerpflichtigen gewährleistet wird. Die Zahl der Selbstanzeigen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Allein im Jahr 2013 gab es fast 26 000 Selbstanzeigen. Dem deutschen Fiskus sind so immerhin 3,5 Milliarden Euro zugeflossen.
Wissen Sie, ein Aspekt kommt mir in der Diskussion, die wir in den letzten Tagen geführt haben, erheblich zu kurz: Wer sich den Finanzbehörden offenbart, hat selbstverständlich auch das Recht, auf das Steuergeheimnis vertrauen zu können.
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Richtig!)
Ich finde es unerträglich, wenn Einzelne in Finanzbehörden oder Strafverfolgungsbehörden in unglaublicher Art und Weise gegen den § 30 AO verstoßen und Steuergeheimnisse an die Öffentlichkeit bringen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das sind Straftaten, die ebenso ernsthaft verfolgt werden müssen wie Steuerhinterziehung. Die Weitergabe von Informationen an Medien verletzt nicht nur das Steuergeheimnis, sondern ist im Zweifel auch noch kontraproduktiv hinsichtlich der Ziele der Selbstanzeige; denn der eine oder andere wird sich sicherlich überlegen, ob er den Schritt zurück in die Steuerehrlichkeit wagt, wenn er sich nicht sicher sein kann, dass er in den Medien nicht durch den Dreck gezogen wird, wie meine Kollegin vorhin gesagt hat.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die permanente Verletzung des Steuergeheimnisses kann nicht einfach so hingenommen werden. Das Bundesverfassungsgericht umschreibt das so – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidiums –: Mit der Vorschrift – § 30 AO Steuergeheimnis – wird „der Zweck verfolgt, durch besonderen Schutz des Vertrauens in die Amtsverschwiegenheit die Bereitschaft zur Offenlegung steuerlicher Sachverhalte zu fördern, um so das Steuerverfahren zu erleichtern, die Steuerquellen vollständig zu erfassen und eine gesetzmäßige, d. h. insbesondere auch eine gleichmäßige Besteuerung sicherzustellen“.
Durch die permanente Verletzung des Steuergeheimnisses werden die Grundsätze des Bundesverfassungsgerichtes, die ich eben zitiert habe, in sträflicher Art und Weise missachtet.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Kollege Graf Lerchenfeld, auch für Sie war das heute die erste Rede im Hohen Hause. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg für Ihre weitere Arbeit.
(Beifall)
Nun hat der Kollege Klaus-Dieter Gröhler für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3123256 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 13 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zur Steuerhinterziehung |